Kognitive Verhaltenstherapie: echte Hilfe für Elektrosensible (Elektrosensibilität)
Auszug aus Angsterkrankungen (Max-Planck-Institut für Psychiatrie). Der folgende Text ist nicht speziell für "Elektrosensible" geschrieben, passt stellenweise jedoch für diese Patienten wie ein Maßanzug:
Was verstehen wir unter Angst?
Jeder Mensch kennt Ängste, sie sind ein natürlicher Bestandteil unserer Empfindungen und dienen dem Schutz vor potentiellen Gefahren im Alltag. Angst ist ein biologisch festgelegtes Alarmsignal und sichert das Überleben der Menschen.
Das Wort Angst ist ursprünglich aus dem indogermanischen Wort „anghos“ oder dem lateinischen Zeitwort „angere“ abgeleitet, das einen Zustand beschreibt, in dem man Beklemmungen in der Brust verspürt, es einen die Kehle zuschnürt und Atemnot auftritt.
Angst ist also ein notwendiger, wenngleich meist als unangenehm erlebter, Bestandteil unseres Lebens. Angst ist aber auch eine Kraft, die uns zur Bewältigung von realen Bedrohungen antreibt; im mittleren Ausmaß auftretend steigert sie unsere Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit und führt somit zur Reifung der Persönlichkeit.
Es gibt bestimmte Umweltreize, auf die wir von Natur aus stärker mit Angst reagieren, z. B. Schlangen, Höhe, Dunkelheit, Spinnen usw. Ängste sind nicht nur biologisch bestimmt, sondern auch sozial vermittelt und durch kulturelle Einflüsse geformt.
Wann gelten meine Ängste als krankhaft?
Die Ausprägung der Angst kann von bloßer Besorgtheit bis zum Auftreten von körperlichen Symptomen, wie Atemnot, Schweißausbrüchen, Herzklopfen, Muskelzittern, weichen Knien usw. reichen. Bei krankhaften Ängsten steht die Ausprägung der Angst in keinem realistischen Verhältnis zum Ausmaß der erlebten Bedrohung.
Die Unterdrückung der Ängste durch Vermeidung oder Flucht verstärkt oder verlängert die Angstreaktion, da der Betroffene in diesen Fällen den richtigen Umgang mit der Angst nicht lernen kann. Krankhafte Ängste führen zu einer deutlichen Einschränkung des individuellen Wirkungsgrades des Individuums durch anhaltende körperliche Symptomatik, Vermeidungsverhalten bis hin zum völligen sozialen Rückzug und hohem Leidensdruck.
Krankhaft sind Ängste also dann, wenn sie ohne reale Bedrohung auftreten, unangemessen, zu stark, zu häufig und zu lange andauern sowie mit ausgeprägter körperlicher Symptomatik verbunden sind und das Leben des Einzelnen deutlich einschränken.
Die genaue Einordnung und Beurteilung der Angstsymptomatik sollte fachärztlich getroffen werden.
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Welche Angststörungen gibt es?
Das derzeitige internationale Klassifikationssystem (ICD-10) unterscheidet grundsätzlich phobische Störungen und andere Angsterkrankungen. Zu den phobischen Störungen zählen Agoraphobie mit und ohne Panikstörung, soziale Phobie und einfache Phobien.
Unter einer Agoraphobie versteht man die Angst vor Situationen, aus denen keine schnelle Flucht möglich ist. Zu den typischen Situationen werden große Menschenmengen, Kaufhäuser, U- und S-Bahnen, Flugzeuge, volle Kino- und Konzertsäle gezählt. Die Agoraphobie ist meist mit Panikattacken gekoppelt, die jedoch im Gegensatz zu einer Panikstörung nur in agoraphobischen Situationen auftreten.
Die soziale Phobie beginnt in der Adoleszenz und hat in der Regel einen chronischen Verlauf mit negativen Folgen für die Sozialisierung des Individuums, den beruflichen Erfolg und die partnerschaftliche Bindung. Grundsätzlich wird von einer generalisierten und nicht-generalisierten sozialen Phobie gesprochen: Die erstere Form bezieht sich auf die meisten sozialen Situationen sowie öffentliche Auftritte, wohingegen bei nicht-generalisierter sozialer Phobie nur ein bis zwei bestimmte Situationen gefürchtet werden.
Um einfache Phobien handelt es sich dann, wenn nur klar erkennbare oder eng umschriebene Objekte oder Situationen pathologische Ängste auslösen, z. B. bei der Spinnenphobie.
Zu den anderen Angsterkrankungen gehören die Panikstörung, die generalisierte Angststörung und Angstsyndrome mit Depression. Unter einer Panikstörung versteht man ein gehäuftes Auftreten von Panikattacken mit abruptem Beginn und mindestens vier körperlichen oder psychischen Symptomen. Die Panikattacken müssen mindestens einmal pro Monat auftreten. Häufig entwickeln die Patienten im Verlauf der Erkrankung eine Agoraphobie.
Bei der generalisierten Angststörung besteht eine übersteigerte Besorgnis in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme. Diese Besorgnis und Anspannung muss mindestens sechs Monate andauern und mit körperlichen Symptomen einhergehen.
Des Weiteren gibt es Erkrankungen, bei denen sowohl Ängste als auch depressive Symptome zu gleichen Teilen vorhanden sind. Wenn keine der beiden diagnostischen Kategorien klinisch vorherrschend ist, wird die Störung in die Kategorie der gemischten Angst und Depression eingeordnet.
Wie sieht die Behandlung von Angststörungen aus?
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Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als eine effektive Behandlungsmethode bei Patienten mit Angststörungen bewährt. Durch krankheitsaufklärende Maßnahmen sowie einen besseren Umgang mit der Angst soll dabei langfristig die Rückfallquote reduziert werden. Ein Expositionstraining (wie flooding und systematische Desensibilisierung) ist insbesondere bei phobischen Erkrankungen wirksam, z. B. bei Agoraphobie, Soziophobie und spezifischen Phobien. Gegen nicht situations- oder objektbezogene Ängste sind spezifische kognitive Ansätze entwickelt worden.
Andere psychotherapeutische Verfahren können derzeit aufgrund nicht untersuchter bzw. dargelegter Wirksamkeit nicht empfohlen werden.
Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmäßige ausdauernde Sportaktivität das Angstniveau reduzieren kann. Die Wirksamkeit scheint der pharmakologischen Behandlung unterlegen zu sein, jedoch führt die Steigerung der allgemeinen körperlichen Fitness der Patienten zum besseren Allgemeinbefinden sowie zur Reduktion von Muskelanspannung.
Aus verhaltenstherapeutischer Sicht werden die Betroffenen mit Symptomen konfrontiert, die beispielsweise auch während der Panikattacken auftreten (Tachykardie, Hyperventilation, Hyperhidrosis) und die in diesem Fall eine physiologische Reaktion darstellen. Dadurch können falsche Verknüpfungen zwischen Situationen und körperlicher Symptomatik und die Fehlinterpretationen der Angst verhaltenstherapeutisch bearbeitet werden.