Auch Verschwörungstheoretiker sind Hypersensible (Allgemein)

Gast, Donnerstag, 15.03.2018, 20:02 (vor 2276 Tagen)

Auszug aus Verschwörungstheorien: Der Säbelzahntiger an der Elbe, erschienen am 14. März 2018 in Spon:

[...] Ein im September 2017 veröffentlichtes Paper der Freien Universität Amsterdam deutet darauf hin, dass Verschwörungstheorien im Kern wild gewordene (illusionäre) Mustererkennungen sind. Mustererkennung ist ein uraltes, evolutionäres Konzept, um Wahrnehmungen in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen.

Vereinfacht gesagt werden dabei verschiedene Reize - Knacken im Geäst, etwas Fell im Gebüsch, ein Raubtierschnaufen - im Gehirn zusammengesetzt zu einem Säbelzahntiger. Naheliegend, dass eine anhand von Kleinigkeiten funktionierende Mustererkennung das Überleben sicherte und eine übervorsichtige, eher zu Schnellschüssen neigende Musterkennung überlebensgünstiger war als eine zu laxe. Das weist darauf hin, dass Verschwörungstheoretiker eben nicht "irre" sind, jedenfalls nicht in der Regel. Bei ihnen funktioniert bloß ein evolutionärer Mechanismus der Reizverarbeitung etwas zu gut.

Schon länger ist aber bekannt, dass "illusionäre Mustererkennung" umso wahrscheinlicher ist, je weniger Kontrolle man zu haben glaubt. Hier lässt sich eine direkte Linie zu sozialen und klassischen Medien ziehen: Der konstante, sensationalisierende Nachrichtenstrom, die ständige Konfrontation mit der geballten, zugespitzten Schlimmheit der Welt erzeugt das Gefühl des Kontrollverlustes. Es erscheint dann als natürliche Reaktion, sich verzweifelt um einen Sinn dahinter zu bemühen. Verschwörungstheorien sind ein Weg, mit der Komplexität der Welt umzugehen und mit der daraus resultierenden Ohnmacht. Leider ist dieser Weg instrumentalisierbar - Verschwörungstheorien als Machtinstrument. Mit YouTube als problematischer Weltzentrale, wie die Technosoziologin Zeynep Tufekci kürzlich ausführte. [...]

Tags:
Verschwörungstheorie, Verschwörungstheoretiker

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