gesundheitstipp.ch: Seichte Story über Elektrosmog aus dem TV (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 22.02.2018, 22:16 (vor 2246 Tagen)

Das schweizerische Gesundheitsportal gesundheitstipp.ch macht seinem zweifelhaften Ruf wieder einmal alle Ehre. Diesmal geht es um einen schrägen Bericht über "Elektrosmog aus dem TV" vom 21. Februar 2018:

Elektrosmog aus dem TV

von Katharina Baumann, Redaktion Gesundheitstipp

Viele Fernseher haben heute WLAN eingebaut. Bei einer ­Solothurner ­Familie sorgten die ­Strahlen für Kopfweh und Schlaflosigkeit.

Vor zwei Jahren kaufte Heinz Frey aus Kappel SO in der Migros für seinen Sohn ­einen neuen Fern­seher. Kurz ­darauf klagte der 42-jährige Sohn über Beschwerden: «Er hatte Kopfweh und konnte nicht mehr gut schlafen», sagt Frey. Eine Messung ergab: Im Gerät von Samsung strahlte ein WLAN, das ständig eingeschaltet war. Das heisst: Es ­strahlte auch, wenn der Fern­seher auf Standby war.

Nur wenn Frey den Stecker zog, war Ruhe. Frey brachte den Fern­seher in die Migros zurück. Die ­Filiale schickte den Fernseher ein. Erst die Fachleute von M-Electronics in Bern schafften es schliesslich, das WLAN-Modul des Fernsehers abzuschalten.

Für den vollständigen Artikel will das Portal 3 CHF haben, eine aus meiner Sicht völlig entbehrliche Investition in Stuss, der sich ähnlich wie bei den Alchemisten des Mittelalters in Gold (hier für den Verlag) verwandeln soll.

Dummerweise ist es ausgerechnet der Verein Gigaherz, der gesundheitstipp.ch ins Handwerk pfuscht. Denn obwohl das Gesundheitsportal sich alle Mühe gibt, Heinz Frey aus Kappel als unvoreingenommenen ahnungslosen Bürger hinzustellen, dessen Sohn 2016 unversehens in den angeblichen Würgegriff der harmlosen W-Lan-Baugruppe eines Fernsehgeräts geraten sein soll, ist diese seichte Story ein Zerrbild der Realität. Denn Heinz Frey ist alles andere als unbedarft, er wurde bereits 2004 als restlos überzeugter "Elektrosensibler" aktenkundig. Die Originalquelle (Oltner Tagblatt) ist zwar versiegt, Gigaherz ist jedoch so freundlich, den alten Schmäh auf seiner Website feilzubieten. Hier eine kleine Kostprobe:

Wirklich dramatische Formen nahmen seine undefinierten Krankheitsbilder im Jahre 2001 an, nachdem sich bereits Jahre zuvor beim 53-jährigen Mechaniker Schwindelgefühle einstellten und seine Befindlichkeit immer wieder massiv beeinträchtigt wurde. «Es ist schwierig zu erklären», meint er mit ruhiger Stimme, «aber ich fühlte eine Bedrohung; anders kann ichs nicht sagen.» Auch litt er an einer gewissen Tagesmüdigkeit, der er allerdings keine grosse Beachtung schenkte. Mit dem diagnostizierten Hörsturz rechts (er führte zur Taubheit) und einem folgenden Tinnitus wurden Freys Krankheitsbilder manifest. «Ich litt an Durchschlafstörungen, Horrorträumen, fühlte einen unregelmässigen Puls, stand morgens wie erschlagen auf; ich war überzeugt: Jetz muess öppis goh!»

Was soll man dazu nur sagen? Freys Sohn hatte offenbar keine Chance, sich der Elektrochondrie des Vaters dauerhaft zu entziehen. Bemerkenswert ist nur, dass der Sohn anscheinend bis zum Kauf des bösen TV-Geräts 2016 nicht unter Elektrochondrie litt und sich im Gegensatz zu Herrn Papa 2010 auch nicht an einer erfolglosen Petition für weniger funkstrahlung.ch beteiligte.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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