Suizidrate fällt von Jahr zu Jahr
H. Lamarr , München, Donnerstag, 17.08.2017, 00:22 (vor 2684 Tagen) @ Der Rutengeher
Hier sind wohl doch die Handys das Problem!
Ja, wenn man sich ein Segment im Suizidgeschehen gezielt herauspickt, kann man so spekulieren, oder auch nicht. Seit meiner Bekanntschaft mit organisierten Mobilfunkgegnern reagiere ich auf dramatische "Interpretationen" nicht mehr mit Entsetzen, sondern mit Misstrauen, welche Meinungsmanipulation wohl nun schon wieder über mich hereinbricht. Im konkreten Fall ordne ich das dramatische Geschehen bei den Heranwachsenden anders ein, seitdem ich weiß, dass die Selbstmordrate in Deutschland kontinuierlich fällt und 2006 den tiefsten Stand seit 1980 erreicht hat (Gesamt, nicht nur Teens, siehe Grafik). Insgesamt also eine sehr erfreuliche Entwicklung die keinerlei negative Einwirkung des Mobilfunks erkennen lässt. Außerdem sollte man wissen, dass in absoluten Zahlen die relative Dramatik bei den Teens schnell verschwindet: 2015 z.B. traf es 196 Teens (15 bis 20 Jahre), jedoch 1082, also 5-mal mehr im Alter von 50 bis 55 Jahren. Bei 196 Fällen würde ich nicht gleich eine ganze Generation zur Wisch-und-Weg-Generation verunglimpfen, oder heißt du jetzt nicht mehr Hans, sondern Peter?
Die Kunst der Darstellung ist die halbe Karriere.
Mehr über das Suizidgeschehen in Deutschland in dem Destatis-Beitrag Todesursache Suizid.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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Und was ist mit den 90-Jährigen?
H. Lamarr , München, Montag, 21.08.2017, 17:22 (vor 2679 Tagen) @ H. Lamarr
Außerdem sollte man wissen, dass in absoluten Zahlen die relative Dramatik bei den Teens schnell verschwindet: 2015 z.B. traf es 196 Teens (15 bis 20 Jahre), jedoch 1082, also 5-mal mehr im Alter von 50 bis 55 Jahren.
Selbst bei den 90-Jährigen (und älter) ist die Anzahl der Freitode mit 263 Fällen noch deutlich höher als bei den Teens, dafür aber scheint sich die seltsam unbekannte Autorin des von dir verlinkten Artikels nicht interessiert zu haben. Doch was ist es, was Menschen, die 90 Jahre und länger durchgehalten haben, auf den letzten Metern zu einem derart drastischen Schritt veranlasst? Ich meine diese Frage ist mindestens genauso relevant wie die polemische Frage: Haben Smartphones eine Generation zerstört?
Der Artikel von Anke Wang ist die Zusammenfassung eines längeren Artikels in einem US-Magazin, der Link zum Original ist in der deutschen Kurzfassung nur schlecht erkennbar. Erst nach Überfliegen des Originals ist mir klar geworden, dass sich alle Aussagen allein auf die USA beziehen, was mMn im deutschen Kurztext nicht ausreichen deutlich klargestellt wird. So ist z.B. keineswegs gesichert, dass die Behauptung "Seitdem das erste iPhone 2007 erschien, stieg die Selbstmordrate und Depressivität bei Teenagern massiv an" auch auf andere Länder zutrifft. Die Datenquelle scheint mit dem "youth risk behavior surveillance system" seriös zu sein. Der Zusammenhang mit dem Aufkommen der Smartphones ab 2007 ist jedoch allein eine Interpretation der Autorin des Originalartikels, Jean M. Twenge. Sie versucht ihre "Entdeckung" nun in einem Buch zu vermarkten, der Artikel in dem US-Magazin ist lediglich eine Auskoppelung aus dem Buch. Der kommerzielle Vermarktungsaspekt muss jetzt kein Alarmsignal sein, er trübt mMn jedoch das Gesamtbild deutlich.
Wie tückisch Statistiken sein können, wenn man Daten wild korreliert, zeigt dieser Artikel. So lässt sich statistisch ein Zusammenhang beweisen zwischen der Anzahl der Auftritte des Schauspielers Nicolas Cage in Filmen und der Anzahl der Menschen, die in den entsprechenden Jahren über ihre eigenen Füße stolperten und ums Leben kamen. Es liegen eben Welten zwischen einem Zusammenhang und einem Kausalzusammenhang, eine bestimmte Spezies von Menschen versucht gerne diese Differenzierung zu verwischen, um bei Gutgläubigen mit "Aha"-Effekten ins Geschäft zu kommen.
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Suizide bei Teens: Kein Anstieg der Fallzahlen in Deutschland
H. Lamarr , München, Montag, 21.08.2017, 23:52 (vor 2679 Tagen) @ H. Lamarr
So ist z.B. keineswegs gesichert, dass die Behauptung "Seitdem das erste iPhone 2007 erschien, stieg die Selbstmordrate und Depressivität bei Teenagern massiv an" auch auf andere Länder zutrifft.
Auf Deutschland bezogen ist die obige Behauptung in keiner Weise zutreffend. Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der Sterbefälle wegen "vorsätzlicher Selbstbeschädigung" (ICD X60-X84), wie Suizid im Amtsdeutsch heißt, für die Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen (Teens). Quelle der Daten ist die Fachserie. 12, Gesundheit. 4, Todesursachen in Deutschland des Statistischen Bundesamtes:
Als ob die Statistik die obige Behauptung nachdrücklich widerlegen wollte, ist die Anzahl der Suizide 2015 mit 196 Fällen exakt genauso hoch wie 2007. Was für die USA zutreffen mag, muss also noch lange nicht für Deutschland zutreffen. Und noch viel weniger trifft zu, was sich in Südkorea abspielt.
Und nun, Hans? Was bleibt übrigen von deiner Eingans aufgestellten Behauptung: Hier sind wohl doch die Handys das Problem!
Du solltest nicht alles für bare Münze nehmen, was Buchautorinen wie Jean M. Twenge zum Besten geben, um ins Gespräch zu kommen. Hierzulande versucht ein geschäftstüchtiger evangelischer Theologe mit der gleichen Masche den Umsatz seiner EMF-Alarmbücher anzukurbeln.
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