Smart Antennas, die unverstanden schlauen Antennen (Technik)
Wärmequerulant Masson in Alpenfestung Gigaherz
Der pensionierte Physiklehrer André Masson (70) hat in der Schweiz den Ruf eines Wärmequerulanten. Er zieht mit seiner 20'000 Franken teuren Wärmebildkamera durch die Schweiz und misst Wärmelecks. 28'000 Bilder hat er schon geschossen - schreibt der Tages-Anzeiger.
Doch Wärmelecks zu orten reicht Herrn Masson nicht mehr, denn im Dezember 2015 hat der Wärmequerulant auf der Website des Elektrosmog-Querulanten Hans-U. Jakob den Beitrag Schielende Mobilfunkantennen und langsame Berner Behörden zum Besten gegeben. So ganz genau weiß man es freilich nicht, wer den Beitrag geschrieben hat, obenan steht "Von André Masson" und unten drunter steht "Von Hans-U. Jakob". Da der Beitrag jedoch kein Ruhmesblatt ist, sondern vollendeter Blödsinn, möchte ich der Frage nach der Urheberschaft gar nicht weiter nachgehen ...
Der Beitrag beklagt, der Strahlenkegel neuer Smart-Antennas mit "Beamforming" würden nicht mehr stur in eine bestimmte Richtung zeigen, sondern mobilen Teilnehmern unten auf der Straße folgen. Bei einem einzigen mobilen Teilnehmer kann man sich das noch gut vorstellen, mit einer Multiplextechnik können so auch mehrere mobile Teilnehmer im Einzugsbereich einer solchen Antenne versorgt werden. Weil mit dieser Technik eine Basisstation weniger Sendeleistung benötigen soll und zudem die Funkfeldimmission außerhalb der Brennpunkte eher gering ist, sollten solche Antennen eigentlich den Beifall von Mobilfunkgegnern bekommen. Doch Herr Masson verliert über die guten Seiten der neuen Antennen kein Wort, er reklamiert, dass wegen der Wanderung der Brennpunkte in weiteren Wohnungen geprüft werden müsse, ob die gesetzlichen Limiten eingehalten werden oder nicht. Und dann schreibt der Wärmequerulant:
Bald ist eine Wohnung gefunden, wo bei 30° Ablenkung die Grenzwerte klar überschritten werden (5.31 V/m). Mit Rechnung und Resultat wurde das in der allerersten Einsprache gerügt, aber es ist auf taube Ohren gestossen. Die Behörden haben diese Rechnung zwar nie bestritten, aber auch nie akzeptiert – denn sonst könnte man ja die Antenne nicht bauen ?
Mit seinen Ausführungen macht Herr Masson klar, er hat ebenso wie Herr Jakob die Grenzwertregelung in der Schweiz nicht verstanden. Er sieht ein Gespenst, wo keines ist, und deshalb ist es völlig normal, dass die Behörden nicht reagieren.
Dabei müsste es Elektrosmog-Querulant Jakob eigentlich besser wissen, denn er beklagt seit langem die Messunsicherheit bei Hochfrequenzmessungen. Diese beträgt unter Einbeziehung substanzieller Unwägbarkeiten insgesamt ±45 Prozent. Diesen Wert merken wir uns einfach mal.
Masson behauptet, bei einer Wohnung in seiner Heimatstadt Langenthal wären die Grenzwerte klar überschritten (5.31 V/m). Doch der Wärmequerulant schummelt. Denn die Schweiz kennt zwei Arten von Grenzwerten: den Immissionsgrenzwert, der mit dem üblichen Verständnis eines EMF-Grenzwerts identisch ist (Gefährdungsgrenzwert) und den Anlagegrenzwert, der unter dem Begriff "Schweizer Vorsorgewert" weltbekannt ist. Auf elektrische Feldstärke bezogen liegen die Anlagegrenzwerte um Faktor 10 unter den Immissionsgrenzwerten.
Was die Herren Masson und Jakob anscheinend nicht begreifen können: Die Anlagegrenzwerte beruhen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern sie sind ein von den schweizerischen Behörden willkürlich festgesetzter Vorsorgewert, mit dem zusätzlich zu dem Sicherheitsfaktor, der den Immissionsgrenzwerten innewohnt, ein weiteres Sicherheitspolster hinzugefügt wird. Eigentlich sollte Jedermann daraus den Schluss ziehen können: Aus der begrenzten Überschreitung eines Anlagegrenzwerts resultiert lediglich ein dünneres Sicherheitspolster, jedoch keine bekannte Gefährdung! Auch die höchste Gerichtsinstanz der Schweiz hat diese Sichtweise für rechtens erklärt.
Um es kurz zu machen: Wenn die rechnerische Planung eines neuen Senderstandorts in der Schweiz ergibt, dass der Anlagegrenzwert zu mehr als 80 Prozent ausgeschöpft wird, ordnet die Aufsichtsbehörde zur Vergewisserung eine Messung der tatsächlichen Immission an. Bei dieser Prüfung auf Einhaltung des Anlagegrenzwerts gilt allein der abgelesene Messwert (ohne Aufschlag der Messunsicherheit). Da die Messunsicherheit aber nun einmal mit maximal ±45 Prozent des Messwerts zu Buche schlägt, kann ein Messgerät zwar 5,0 V/m anzeigen (ein Anlagegrenzwert), die tatsächliche Immission kann sich jedoch im Bereich von 3,45 V/m bis 7,25 V/m bewegen. Da auch 7,25 V/m noch immer weit unter dem niedrigsten Immissionsgrenzwert liegen, regt sich, bis auf zwei alte Herrn in der Alpenfestung, niemand über diese belanglose "Überschreitung der Grenzwerte" auf - denn es wird ja nur der Anlagegrenzwert überschritten, was die beiden alten Herrn wohlweislich verschweigen.
Hintergrund
Gibt es in der Schweiz die rechtlich geduldete Grenzwertüberschreitung?
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –