Smart Antennas, die unverstanden schlauen Antennen (Technik)

H. Lamarr @, München, Samstag, 08.04.2017, 19:39 (vor 2814 Tagen)

Wärmequerulant Masson in Alpenfestung Gigaherz

Der pensionierte Physiklehrer André Masson (70) hat in der Schweiz den Ruf eines Wärmequerulanten. Er zieht mit seiner 20'000 Franken teuren Wärmebildkamera durch die Schweiz und misst Wärmelecks. 28'000 Bilder hat er schon geschossen - schreibt der Tages-Anzeiger.

Doch Wärmelecks zu orten reicht Herrn Masson nicht mehr, denn im Dezember 2015 hat der Wärmequerulant auf der Website des Elektrosmog-Querulanten Hans-U. Jakob den Beitrag Schielende Mobilfunkantennen und langsame Berner Behörden zum Besten gegeben. So ganz genau weiß man es freilich nicht, wer den Beitrag geschrieben hat, obenan steht "Von André Masson" und unten drunter steht "Von Hans-U. Jakob". Da der Beitrag jedoch kein Ruhmesblatt ist, sondern vollendeter Blödsinn, möchte ich der Frage nach der Urheberschaft gar nicht weiter nachgehen ...

Der Beitrag beklagt, der Strahlenkegel neuer Smart-Antennas mit "Beamforming" würden nicht mehr stur in eine bestimmte Richtung zeigen, sondern mobilen Teilnehmern unten auf der Straße folgen. Bei einem einzigen mobilen Teilnehmer kann man sich das noch gut vorstellen, mit einer Multiplextechnik können so auch mehrere mobile Teilnehmer im Einzugsbereich einer solchen Antenne versorgt werden. Weil mit dieser Technik eine Basisstation weniger Sendeleistung benötigen soll und zudem die Funkfeldimmission außerhalb der Brennpunkte eher gering ist, sollten solche Antennen eigentlich den Beifall von Mobilfunkgegnern bekommen. Doch Herr Masson verliert über die guten Seiten der neuen Antennen kein Wort, er reklamiert, dass wegen der Wanderung der Brennpunkte in weiteren Wohnungen geprüft werden müsse, ob die gesetzlichen Limiten eingehalten werden oder nicht. Und dann schreibt der Wärmequerulant:

Bald ist eine Wohnung gefunden, wo bei 30° Ablenkung die Grenzwerte klar überschritten werden (5.31 V/m). Mit Rechnung und Resultat wurde das in der allerersten Einsprache gerügt, aber es ist auf taube Ohren gestossen. Die Behörden haben diese Rechnung zwar nie bestritten, aber auch nie akzeptiert – denn sonst könnte man ja die Antenne nicht bauen ?

Mit seinen Ausführungen macht Herr Masson klar, er hat ebenso wie Herr Jakob die Grenzwertregelung in der Schweiz nicht verstanden. Er sieht ein Gespenst, wo keines ist, und deshalb ist es völlig normal, dass die Behörden nicht reagieren.

Dabei müsste es Elektrosmog-Querulant Jakob eigentlich besser wissen, denn er beklagt seit langem die Messunsicherheit bei Hochfrequenzmessungen. Diese beträgt unter Einbeziehung substanzieller Unwägbarkeiten insgesamt ±45 Prozent. Diesen Wert merken wir uns einfach mal.

Masson behauptet, bei einer Wohnung in seiner Heimatstadt Langenthal wären die Grenzwerte klar überschritten (5.31 V/m). Doch der Wärmequerulant schummelt. Denn die Schweiz kennt zwei Arten von Grenzwerten: den Immissionsgrenzwert, der mit dem üblichen Verständnis eines EMF-Grenzwerts identisch ist (Gefährdungsgrenzwert) und den Anlagegrenzwert, der unter dem Begriff "Schweizer Vorsorgewert" weltbekannt ist. Auf elektrische Feldstärke bezogen liegen die Anlagegrenzwerte um Faktor 10 unter den Immissionsgrenzwerten.

Was die Herren Masson und Jakob anscheinend nicht begreifen können: Die Anlagegrenzwerte beruhen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern sie sind ein von den schweizerischen Behörden willkürlich festgesetzter Vorsorgewert, mit dem zusätzlich zu dem Sicherheitsfaktor, der den Immissionsgrenzwerten innewohnt, ein weiteres Sicherheitspolster hinzugefügt wird. Eigentlich sollte Jedermann daraus den Schluss ziehen können: Aus der begrenzten Überschreitung eines Anlagegrenzwerts resultiert lediglich ein dünneres Sicherheitspolster, jedoch keine bekannte Gefährdung! Auch die höchste Gerichtsinstanz der Schweiz hat diese Sichtweise für rechtens erklärt.

Um es kurz zu machen: Wenn die rechnerische Planung eines neuen Senderstandorts in der Schweiz ergibt, dass der Anlagegrenzwert zu mehr als 80 Prozent ausgeschöpft wird, ordnet die Aufsichtsbehörde zur Vergewisserung eine Messung der tatsächlichen Immission an. Bei dieser Prüfung auf Einhaltung des Anlagegrenzwerts gilt allein der abgelesene Messwert (ohne Aufschlag der Messunsicherheit). Da die Messunsicherheit aber nun einmal mit maximal ±45 Prozent des Messwerts zu Buche schlägt, kann ein Messgerät zwar 5,0 V/m anzeigen (ein Anlagegrenzwert), die tatsächliche Immission kann sich jedoch im Bereich von 3,45 V/m bis 7,25 V/m bewegen. Da auch 7,25 V/m noch immer weit unter dem niedrigsten Immissionsgrenzwert liegen, regt sich, bis auf zwei alte Herrn in der Alpenfestung, niemand über diese belanglose "Überschreitung der Grenzwerte" auf - denn es wird ja nur der Anlagegrenzwert überschritten, was die beiden alten Herrn wohlweislich verschweigen.

Hintergrund
Gibt es in der Schweiz die rechtlich geduldete Grenzwertüberschreitung?

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Grenzwert, Vorsorge, Anlagengrenzwert, Strahlenkeule, Beamforming

Schweizer Anlagegrenzwerte nicht rein willkürlich festgesetzt

H. Lamarr @, München, Montag, 24.08.2020, 22:45 (vor 1580 Tagen) @ H. Lamarr

Die Anlagegrenzwerte beruhen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern sie sind ein von den schweizerischen Behörden willkürlich festgesetzter Vorsorgewert, mit dem zusätzlich zu dem Sicherheitsfaktor, der den Immissionsgrenzwerten innewohnt, ein weiteres Sicherheitspolster hinzugefügt wird.

So willkürlich, wie ich es im Zitat behauptet habe, sind die Schweizer Anlagegrenzwerte nicht festgesetzt worden. Willkürlich hört sich danach an, als ob diese Grenzwerte ausgewürfelt wurden. So aber isses nicht. Richtig ist vielmehr: Der Bundesrat [Regierung der Schweiz; Anm. Postingautor] hat die Anlagegrenzwerte im Unterschied zu den Immissionsgrenzwerten nicht nach medizinischen Kriterien, sondern auf Grund der technischen und betrieblichen Möglichkeiten und im Blick auf die wirtschaftliche Tragbarkeit für die Mobilfunkbetreiber festgesetzt (Quelle). Die Willkür hält sich damit in den überschaubaren Grenzen einer Ermessensentscheidung.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Schweizer Anlagegrenzwerte nicht rein willkürlich festgesetzt

H. Lamarr @, München, Dienstag, 25.08.2020, 11:44 (vor 1580 Tagen) @ H. Lamarr

Der Bundesrat [Regierung der Schweiz; Anm. Postingautor] hat die Anlagegrenzwerte im Unterschied zu den Immissionsgrenzwerten nicht nach medizinischen Kriterien, sondern auf Grund der technischen und betrieblichen Möglichkeiten und im Blick auf die wirtschaftliche Tragbarkeit für die Mobilfunkbetreiber festgesetzt.

Der Aberwitz der Anlagegrenzwerte steckt darin, dass die Bevölkerung der Schweiz durch diesen zusätzlichen Airbag gegen unerkannte Risiken einer Funkimmission nicht beruhigt wurde. Im Gegenteil: In keinem Land der Welt wird erbitterter um Standorte für Mobilfunksendeanlagen gerungen als ausgerechnet in der Schweiz. Dies liegt mMn an einer seit 20 Jahren von organisierten Mobilfunkgegnern systematisch geschürten Risikohysterie, die am Beispiel von Massons behaupteter Überschreitung des Grenzwerts 5,0 V um lächerliche 0,31 V/m (6,2 Prozent) ersichtlich wird. Mobilfunkgegner profitieren davon, dass in der Bevölkerung EMF-Grenzwerte abstrakte Größen ohne persönlichen Erlebnishintergrund sind, das macht es ihnen leicht, irrationale Ängste zu schüren.

Gestern wurde ich auf einer bayerischen Autobahn mehrfach von Autos mit Schweizer Kennzeichen überholt. Das Tempolimit 120 km/h störte die Fahrer wenig, ordentlich auf die Tube zu drücken und einen Strafzettel zu riskieren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Fahrer, die unbesorgt mit geschätzt 150 km/h an mir vorbeizogen, weil sie glaubten, die Risiken ihrer deutlichen Grenzwertüberschreitung kalkulieren zu können, hysterisch werden, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Sendemast den Anlagegrenzwert um ein paar Prozent überschreitet. Denn 5,31 V/m sagen ihnen selbst nichts. Sie können diesen Wert nicht so einordnen wie ihr Tempo auf der Autobahn, sie brauchen dazu die fremde "Hilfe" von Mobilfunkgegnern, über deren Qualifikation und Motivation sie sich jedoch keine Gedanken machen. Mobilfunkgegner nutzen diese Situation aus, um bei jeder Gelegenheit selbst belanglose Grenzwertüberschreitungen oder andere Scheinrisiken zu dramatisieren. Gut 20 Jahre lang durften sie dies weitgehend unbehelligt tun und das Land tief verunsichern, jetzt können sie die Ernte einfahren. Damit die Täuschung funktioniert, inszenieren sich Wortführer der Mobilfunkgegner bevorzugt als "Experten", selbst dann, wenn sie Quereinsteiger sind und ihnen dazu jegliche fachliche Qualifikation fehlt. Gerne werden auch fremde "Autoritäten" vorgeschoben, um Desinformation glaubhaft zu machen.

Sachliche Aufklärungskampagnen allein werden an der Desinformation der Bevölkerung aus meiner Sicht nicht viel ändern, zu tief sitzt bei vielen schon das Misstrauen gegenüber staatlicher Aufklärung. Deutlich mehr Erfolg verspreche ich mir von einer begleitenden systematischen Demaskierung der Wortführer, als das, was sie meiner Erfahrung nach in vielen Fällen sind: Scheinriesen, Scharlatane, Aufschneider, kommerzielle Profiteure, Spinner, Esoteriker und Staatsfeinde. Doch der Angriff auf Personen gilt weithin als unschicklich. Das halte ich für ein Missverständnis, denn unschicklich ist nur der Angriff unter die Gürtellinie, z.B. mit wüsten persönlichen Beleidigungen. Das aber meine ich nicht. Mobilfunkgegner lassen sich auch mit Sachargumenten bestens demaskieren, nur dürfen diese nicht wie bisher ins Blaue abgefeuert, sondern müssen Personen oder Vereinen unmissverständlich zugeordnet werden. Auf diese Weise lässt sich den Wortführern der Mobilfunkgegner die Deutungshoheit über das "Risiko Mobilfunk" mMn wirkungsvoll und mit vertretbarem Aufwand streitig machen.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Risiko, Desinformation, Instant-Experte, Staatsfeinde, Scheinriese, Masson, Anlagegrenzwert, Demaskierung

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