Genuis & Lipp: Kritisches zu Aufsatz über Elektrosensibilität (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 26.12.2015, 17:47 (vor 3284 Tagen)

Die Arbeit Electromagnetic hypersensitivity: Fact or fiction? (PDF, 10 Seiten, englisch) der Autoren Genuis & Lipp wird bevorzugt auf pseudowissenschaftlichen Websites und von Anti-Mobilfunk-Vereinen als Beleg für die Existenz von "Elektrosensibilität" gehandelt. Der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk bietet eine deutsche Fassung des Aufsatzes an. Der von fachlichen Laien geführte Verein bemüht sich seit langem, der Öffentlichkeit ein für ihn günstiges Zerrbild des tatsächlichen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu vermitteln, indem er z.B. Arbeiten hervorhebt, die "Elektrosensibilität" für real halten und zugleich alle Studien verschweigt, die zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen sind. Hinzu kommt, der Gründer von Diagnose-Funk (Lothar G.) hält sich eigenen Angaben zufolge für "elektrosensibel".

Der Aufsatz erschien im Januar 2012 in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment. Kurz darauf schon gab es hier im Forum erste kritische Anmerkungen zu dieser Übersichtsarbeit. Inzwischen sind weitere kritische Anmerkungen dazu gekommen:

Die Dokumentationsstelle "Elmar" (Schweiz) bemängelt ...
Es handelt sich nicht um eine systematische Literaturübersicht, da keine Angaben zum Vorgehen bei der Literatursuche und zur Vollständigkeit vorhanden sind. Einige Vergleiche mit ähnlichen Krankheitsbildern könnten zu neuen Forschungsansätzen führen. Anhand der Fallbeschreibung lässt sich nicht beurteilen, welche Rolle die EMF-Belastung bei der Symptomentstehung gespielt hat, weil keine Messungen an den verschiedenen Wohnorten durchgeführt wurden.

Auch Bad Science Watch beanstandet methodische Schwächen der Arbeit ...
While the body of the literature suggests that the symptoms of IEI-EMF are not causally related to EMF exposure, we were able to find one literature review (Genuis & Lipp, 2012) that disagreed with this consensus. This article notes that upon exposure to EMF some patients were affected by non-specific signs and symptoms affecting multiple body systems. However, this review what not systematic: it provides no inclusion criteria for the papers it discusses and appears to take research correlating EHS to EMF at face value while dismissing research that finds no such relationship. Potential methodological problems are discussed only in the context of explaining away research findings that do not show a connection between EHS symptoms and EMF.
It’s important to note that with a large number of studies being conducted on this subject, a small number of statistically positive findings are to be expected (especially in studies with lower levels of methodological rigour) even if there is no causal relationship between EMF and IEI-EMF. Without proper inclusion criteria and analysis, the results of properly designed and executed studies can be overwhelmed by false positives generated by less careful research.
The Genius and Lipp article comes close to invoking conspiracy to explain the preponderance of research dispelling the link between EMF and IEI-EMF: “[S]ome unscrupulous or uninformed scientists continue to serve and represent the vested interests that fund them... It has been suggested that perhaps some of the facts about EHS are being obfuscated and that ‘evidence’ has been manipulated to instill doubt and to impede public health regulation...” (Genuis & Lipp, 2012) The article goes on to note historical precedent for the vindication of controversial diagnoses; unfortunately, the fact that some initially contested Position Paper onconditions in medicine at large have, in time, become accepted medical diagnoses is of no value in determining the etiology of IEI-EMF. For every example of a maverick theory in medicine becoming vindicated, there are countless others lost to history.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Genuis & Lipp: Was ist aus ihnen geworden?

H. Lamarr @, München, Samstag, 26.12.2015, 18:19 (vor 3284 Tagen) @ H. Lamarr

Die Arbeit Electromagnetic hypersensitivity: Fact or fiction? (PDF, 10 Seiten, englich) der Autoren Genuis & Lipp wird bevorzugt auf pseudowissenschaftlichen Websites und von Anti-Mobilfunk-Vereinen als Beleg für die Existenz von "Elektrosensibilität" gehandelt.

Stephen J. Genuis gibt es noch an der University of Alberta*), auch einige seiner Studien sind dort zu finden. Von der Elektrosensiblen-Studie will die Uni jedoch augenscheinlich nichts wissen, der Suchbegriff "Electromagnetic hypersensitivity" führt zu keinem einzigen Treffer (Stand: heute).

Von Christopher T. Lipp konnte ich an der University of Calgary keine Spur mehr finden.

*) Nachtrag vom 01.12.2018: Der Link ist tot. Ersatzlink.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Diagnose-Funk: genialer Genuis

H. Lamarr @, München, Samstag, 01.12.2018, 13:57 (vor 2214 Tagen) @ H. Lamarr

Der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk bietet eine deutsche Fassung des Aufsatzes an. Der von fachlichen Laien geführte Verein bemüht sich seit langem, der Öffentlichkeit ein für ihn günstiges Zerrbild des tatsächlichen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu vermitteln, indem er z.B. Arbeiten hervorhebt, die "Elektrosensibilität" für real halten und zugleich alle Studien verschweigt, die zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen sind.

Es fehlen Diagnose-Funk offenkundig noch weitere fachliche Qualifikationen ...

[image]
Auszugsweiser Screenshot einer Webseite des Vereins Diagnose-Funk.

Hintergrund
Genius

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Genuis & Lipp: One-Hit-Wonder

H. Lamarr @, München, Samstag, 01.12.2018, 14:44 (vor 2214 Tagen) @ H. Lamarr

Die Arbeit Electromagnetic hypersensitivity: Fact or fiction? (PDF, 10 Seiten, englisch) der Autoren Genuis & Lipp wird bevorzugt auf pseudowissenschaftlichen Websites und von Anti-Mobilfunk-Vereinen als Beleg für die Existenz von "Elektrosensibilität" gehandelt.

Was unterscheidet die beiden Kanadier Stephen J. Genuis und Christopher T. Lipp von anderen Stars und Sternchen der Anti-Mobilfunk-Szene wie Magda Havas, Devra Davis, David O. Carpenter, David Gee, Lennart Hardell, Olle Johansson, Dominique Belpomme, Franz Adlkofer oder Karl Hecht?

Genuis & Lipp traten im Gegensatz zu den anderen, die immer wieder Alarm schlagen, 2012 nur ein einziges Mal im EMF-Zirkus auf. Weder davor noch danach meldeten sie sich zum Leidwesen organisierter Mobilfunkgegner noch einmal zu Wort. In der Musikbranche heißt so ein Sachverhalt One-Hit-Wonder. Dies ist ein Indiz, dass die beiden Kanadier achtsam waren und sich nicht in den Sumpf organisierter Mobilfunkgegner ziehen ließen. Ich erkenne darin ein Zeichen für Ehrlichkeit und Anständigkeit, wenngleich ich ihren Aufsatz über "Elektrosensible" nicht für das Gelbe vom Ei halte. Die beiden sind damit eine Ausnahmeerscheinung in der unsäglichen Mobilfunkdebatte.

Auch Lerchl ist so eine Ausnahmeerscheinung. Er ist einer der wenigen Wissenschaftler, der sich auf den anstrengenden Dialog mit aggressiven Mobilfunkgegnern eingelassen hat. Zwar tritt auch er immer wieder einmal im EMF-Zirkus auf, mal als Wissenschaftler, mal als Privatmann, er ist mWn jedoch der einzige Wissenschaftler, der sowohl Entlastendes als auch Belastendes zu Mobilfunk in die Diskussion eingebracht hat. Keiner der oben genannten Wissenschaftler der "Gegenseite" kann mit einer solchen Ergebnisoffenheit punkten, keiner hat je etwas anderes zu berichten gewusst, als mehr oder weniger gehaltvolle Alarmmeldungen gegen EMF in die Welt hinaus zu posaunen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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