Plemplem: In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist! (Esoterik)
Ein typisches Beispiel für redaktionell getarnte Werbung ist der Beitrag Lebensraum-Consulting – was ist das? auf der österreichischen Site nachchrichten.at. Wegen seines ungeniert werblichen Inhalts wurde der Beitrag, zu dem sich kein Autor bekennt, mit ziemlicher Sicherheit gegen Entgelt veröffentlicht. Den Nutznießer des Beitrags muss man nicht lange suchen, gleich rechts daneben bietet nachrichten.at ein Video an, das den "Lebensraum Consultant" an seiner Wirkungsstätte zeigt und natürlich dürfen auf seinem Tisch die berühmt-berüchtigten Knatterbüchsen aus bayerischer Produktion nicht fehlen. Die lächerliche Erfindung "Lebensraum-Consulting" wäre ein guter Anlass für ein Posting, für dieses Posting ist sie es jedoch nicht. Was kann man schon von Alpenrepublikanern erwarten, deren Fußball-Kommentatoren z.B. einen Eckball als Corner und Abseits als Offside an die Trommelfelle der Fans herantragen.
Es geht auch nicht um die Unverschämtheit, dass der Beitrag vom 16. September 2015 wortgleich schon einmal am 17. September 2013 und dann noch einmal am 17. September 2014 auf nachrichten.at veröffentlicht wurde und auch nicht darum, dass einem "Lebensraum-Consulting" in Gestalt von Telefon-Abzocke zum Preis von 2,17 € pro Beratungsminute unanständig teuer zu stehen kommen kann.
Nein, es geht mir um die mMn dämliche Einleitung des abgedroschenen Beitrags:
"In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist!“
Diese Weisheit gilt heute mehr denn je.
Die angebliche Weisheit wurde vom Autor für den Beitrag frei erfunden, sie gilt nur deshalb heute mehr denn je, weil es sie zuvor nicht gab. Jedenfalls nicht in dieser ans Geschäft des "Lebensraum-Consulting" adaptierten Fassung.
Die vermeintliche Weisheit geht auf den römischen Dichter Juvenal (60–127 n. Chr.) zurück, der die Redewendung auf lateinisch ersann: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.(Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei.) Die Nationalsozialisten zitierten Juvenal verkürzt und sinnentstellend: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist!" Und unser "Lebensraum-Consultant" rezipiert aus dieser ohnehin schon verkorksten Version seinen Slogan: "In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist!"
Im Umkehrschluss bedeutet die verkürzt interpretierte Nazi-Redewendung, ein kranker und schwachen Körpern könne keinen gesunden Geist beherbergen. Die unzutreffende Diskriminierung Körperbehinderter liegt auf der Hand. Nicht weniger doof und unverschämt die Botschaft des "Lebensraum-Consultant": Wer in ungesunden Verhältnissen wohnt darf sich nicht wundern, wenn er davon plemplem wird.
Hintergrund
Mens sana in corpore sano
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geschäftsgeist
Die Nationalsozialisten zitierten Juvenal verkürzt und sinnentstellend: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist!"
Forscher der Sahlgrenska-Akademie, einer Institution der Universität Göteborg, konnten in einer Studie mit 1,2 Millionen jungen Soldaten bestätigen, dass körperliche Fitness mit einem erhöhten Intelligenzquotienten einhergeht.
Wer verkündete dies kürzlich blauäugig unter der Titelzeile: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist"?
Die - wie schön - ideale Ergänzung zum Geschäftsmodell der Hirntrainer von Neuronation:
Gymondo ist eine Online-Fitness-Plattform, die, wie auch NeuroNation, Ihren Mitgliedern ermöglicht, zu jeder Zeit und an jedem Ort zu trainieren. Gymondo arbeitet dabei mit kompetenten Fitnesstrainern, Physiotherapeuten und Promi-Trainern zusammen und bietet eine Vielzahl von Workouts wie Yoga, Pilates, Tanz, Capoeira und dem Klassiker „Bauch Beine Po“ an. Gymondo ist zeitsparend, flexibel an Ihren Tagesablauf angepasst und die ideale Ergänzung zum Neuronation-Gehirntraining.
Also, Bitte!: Die trainierte Gelenkigkeit bei Fitness & Hirn schützt offensichtlich weder Gymondo noch Neuronation davor, den diskriminierenden Slogan des Nazi-Körperkults anno 2015 wieder aufleben zu lassen, um mit diesem Lapsus Dick & Doof zur Buchung der angebotenen komplementären Dienstleistungen zu bewegen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –