Österreich festigt mit ÖNORM E 8850 ICNIRP-Werte (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.02.2006, 23:42 (vor 7121 Tagen)

Für die Anwendung in Österreich wurden die Grenzwerte der ICNIRP für die Allgemeinbevölkerung schon bisher in der Vornorm ÖNORM S1119 (für niederfrequente Felder) und ÖNORM S1120 (für hochfrequente Felder) festgeschrieben: Jetzt wurden die Grenzwerte in der Vornorm ÖVE/ÖNORM E 8850 für den gesamten Frequenzbereich bis 300 GHz zusammengefasst.

Das Forum Mobil (Lobby der schweizerischen Mobilfunkbetreiber) widmet der neuen Norm im Nachbarland eine Pressemeldung: http://www.presseportal.ch/de/story.htx?nr=100503854&ressort=100000002

Ein paar Anmerkungen zu dieser Pressemeldung
1) Das Forum Mobil vermeidet tunlichst den Begriff Vornorm.

2) Ein einstimmiger Beschluss ist nichts besonderes. In Österreich dürfen (nationale) ÖNORMEN vom zuständigen ON-Komitee grundsätzlich nur einstimmig verabschiedet werden.

3) ÖNormen sind qualifizierte Empfehlungen, ihre Anwendung ist somit grundsätzlich freiwillig. In besonderen Fällen kann der Gesetzgeber (Bund oder Länder) Normen oder Teile von Normen durch Gesetz oder Verordnung auch für "verbindlich" erklären. Dann ist die Einhaltung dieser Normen nicht mehr freiwillig, sondern zwingend. Ob die Vornorm ÖVE/ÖNORM E 8850 rechtsverbindlich ist und deshalb nicht so leicht infrage gestellt werden kann, darüber schreibt das Forum Mobil nichts.

4) Folgende Passage der Pressemeldung ist irreführend: "Aufgrund des Vorsorgegedankens wurde in der Schweiz für Orte mit empfindlicher Nutzung ausserdem ein um den Faktor 10 tieferer Grenzwert festgelegt." Irreführend deshalb, weil sich der Faktor 10 auf die elektrische Feldstärke bezieht, was aber nicht deutlich wird. Grenzwerte werden sehr oft auch auf die Leistungsflussdichte bezogen. In diesem Fall gibt in der Schweiz sogar ein um den Faktor 100 tieferer Grenzwert. Relative Grenzwertangaben ohne Nennung des Bezugswerts (Feldstärke/Leistungsflussdichte) sind missverständlich und daher unseriös. Außerdem wird www.gigaherz.ch nicht müde darauf hinzuweisen, dass der tiefere Grenzwert in der Schweiz pure Augenwischerei ist, da er im wesentlichen nur in Innenräumen gilt. Dort aber sind wegen der Funkfelddämpfung durchs Mauerwerk in aller Regel ohnehin nur schwächere Funkfelder wirksam - auch ohne Grenzwertabsenkung.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Einspruch der Österreichischen Ärztekammer

Gast, Mittwoch, 08.02.2006, 23:43 (vor 7116 Tagen) @ H. Lamarr

Für die Anwendung in Österreich wurden die Grenzwerte der ICNIRP für die Allgemeinbevölkerung schon bisher in der Vornorm ÖNORM S1119 (für niederfrequente Felder) und ÖNORM S1120 (für hochfrequente Felder) festgeschrieben: Jetzt wurden die Grenzwerte in der Vornorm ÖVE/ÖNORM E 8850 für den gesamten Frequenzbereich bis 300 GHz zusammengefasst.

Wien (OTS) - Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) warnte Dienstag (7. Februar 2006) in einer Aussendung vor der Anwendung der jüngst beschlossenen "ÖNORM zu elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern". Diese Norm ignoriere nach Ansicht führender Umweltmediziner aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die gesundheitsschädigende Auswirkung der Mobiltelefonie und anderer Elektrosmog-Ursachen. "Die ÖNORM orientiert sich an überalterten Vorschlägen aus dem Jahre 1998, ist von neuen seriösen Studien völlig unberührt und daher ungeeignet, den erforderlichen Schutz der Gesundheit zu garantieren", kritisierte ÖÄK-Präsident Reiner Brettenthaler.

Den Bedenken der Ärztekammer und anderer Verbände gegen die Beschlussfassung der neuen Norm sei in keiner Weise Rechnung getragen worden, ergänzte ÖÄKUmweltreferent Gerd Oberfeld.

Ein Einspruch der Österreichischen Ärztekammer gegen die Verabschiedung der ÖNORM E 8850 zeigte tatsächlich keine Ergebnisse. Darin heißt es unter anderem, dass die Basisgrenzwerte und die Referenzwerte der Norm zum Teil erheblich über jenen Grenzen lägen, bei denen in der Literatur bereits eine Reihe von schädlichen Effekten auf die Gesundheit mit nachfolgenden Erkrankungen dokumentiert sei. Oberfeld: "Wenn man nachweislich aktuelle Erkenntnisse negiert, stellt sich die Frage, welchen Wert diese Norm hat." Eine potentiell gesundheitsschädigende Wirkung des durch die Mobiltelefonie erzeugten Elektrosmogs sei in mehreren Studien seriös nachgewiesen, so der ÖÄKUmweltreferent weiter. Ebenso würden elektromagnetische Wellen des Mobilfunkes zu einer nachhaltigen Schädigung von Genen führen. Weiters von der neuen ÖNORM betroffen seien magnetische Wechselfelder, die etwa bei Hochspannungsleitungen und Trafos zur Stromversorgung enstünden. All diese Tatsachen würden in der ÖNORM E 8850 nicht berücksichtigt.

Abschließend forderte die Österreichische Ärztekammer eine "offene, ernsthafte, den Prinzipien der Gesundheit verpflichtende Diskussion, um neue und verbindliche Referenzwerte mit hohem Schutzniveau festzulegen". Eine entsprechende Arbeitsgruppe im Rahmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sei dafür einzurichten.

Rückfragehinweis:
Pressestelle der
Österreichischen Ärztekammer
Tel.: (++43-1) 513 18 33

Nachricht von Dr. Gerd Oberfeld und Univ.-Doz. Dr. Ferdinand Ruzicka

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