Die hohe Kunst der gepflegten Desinformation (Allgemein)
Unter den Kommentaren zu der Elektrosmog-TV-Dokumentation vom 10. April auf Arte gibt es das folgende Exemplar:
1. Als studierter Physiker stehe ich den (oft esoterisch ummantelten) Bedenken gegen elektro-magnetische Strahlung sehr skeptisch gegenüber.
2. Dass meine Frau aber, wenige Sekunden nach dem ich unser WLAN eingeschaltet habe (neueste Anlage, Standort Keller), aus dem ersten Stock zu mir in den Keller kommt und fragt, ob das wirklich sein müsste, ist ein reproduzierbarer Effekt. Bitte an alle anderen Skeptiker: Wie kann ich ihr das erklären (und mir).
Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, dass dieser Kommentar von einem braven Physiker ohne böse Hintergedanken eingestellt wurde. Es gibt aber auch die Möglichkeit der perfiden Desinformation. Für die böse Interpretation spricht: Der Kommentator "fghb" zieht völlige Anonymität vor. Und er reagiert auch nicht auf die E-Mail-Benachrichtigung, mit der ihm Antworten auf seinen Kommentar signalisiert werden. Schließlich: Er fragt nach Erklärungen, bekommt auch welche, meldet sich jedoch nicht mehr zu Wort. Dieses Verhalten ist für Fakeposter (Trolle) typisch. Denen geht es allein darum, den eigenen Text unter zu bringen und damit Verwirrung zu stiften.
Doch was ist nun möglicherweise das Perfide an diesem Kommentar?
Mit dem Hinweis auf den "studierten Physiker", der unqualifizierten Bedenken gegenüber Elektrosmog sehr skeptisch gegenübersteht, baut der Kommentator unter Ziffer 1. Vertrauen auf. Denn was er schreibt klingt vernünftig und kompetent, der gesunde Menschenverstand wird nicht argwöhnisch, stellt die Ampel im Kopf auf Grün. Doch unter Ziffer 2. überrumpelt der Kommentator den soeben Entwaffneten mit nichts anderem als mit einem Fall von "Elektrosensibilität". Und gleich noch einmal wird der kritische Menschenverstand ruhig gestellt, indem der Kommentator treuherzig leise Zweifel an seiner eigenen Schilderung bekundet.
Sollte der Kommentar von "fghb" tatsächlich eine Inszenierung und der Kommentator alles sein, nur kein studierter Physiker mit E-Smog-Skepsis, ziehe ich meinen Hut. Denn der im Original nur sechs Zeilen umfassende Text ist keine der üblichen Desinformationen, sondern aus meiner Sicht ein kleines Kunstwerk in dieser miesen Disziplin. Gut geeignet, um selbst bei skeptischen Lesern Zweifel zu wecken, ob da nicht vielleicht doch etwas dran ist, an diesen Geschichten über angebliche "Elektrosensible" ...
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –