Wie 'Elektrosensibilität' entsteht (Allgemein)
"Gift für Alle" - ein lesenswerter ganzseitiger Artikel in der Süddeutschen Zeitung, Wochenendausgabe vom 22./23. März, Rubrik "Wissen", Seite 20.
"Eine Gesellschaft im Gesundheitswahn wittert überall Bedrohungen und Gefahren. Dabei hat sich eine absurde Situation ergeben: Je besser es den Menschen geht, desto kränker fühlen sie sich - und oft prägen sich dadurch echte Symptome aus"
In dem Artikel wird auch ein Experiment beschrieben, das zeigt, wo das bei Mobilfunkgegnern so beliebte "Mobilfunksyndrom" herkommt:
"Warnungen wirken - im negativen Sinne, sie können echte Leiden wecken oder vorhandene Beschwerden mit einer Scheinerklärung verknüpfen.
Michael Witthöft von der Universität Mainz hat zum Beispiel die Konsequenzen dramatisierender Medienberichte erforscht. Der Psychologe führte der Hälfte der Probanden einen Film vor, der so tatsächlich im britischen Fernsehen gesendet worden war. Der Beitrag warnte in reißerischer Aufmachung vor vermeintlich dramatischen Konsequenzen des sogenannten Elektrosmogs. Der Film schürte Sorgen - und brachte die Probanden auf die Fährte: Der Beitrag benannte konkrete Symptome, die durch Mobilfunk ausgelöst würden.
Genau diese Symptome verspürten die Probanden im zweiten Teil des Experiments - zumindest jene Hälfte, die den reißerischen Filmbeitrag gesehen hatten und eine gewisse Grundängstlichkeit mitbrachten. Witthöft befestigte dazu Antennen auf den Köpfen der Teilnehmer -natürlich unter einem glaubwürdigen Vorwand-, die mit einem blinkenden Gerät verbunden waren. Dabei handelte es sich vermeintlich um ein starkes Wifi. 'Dann bin ich aus dem Raum gegangen, um das weiter zu dramatisieren', sagt Witthöft. Es handelte sich um ein Schmierentehater: Das Gerät sendete keine Signale, das einzige, was daran funktionierte, war das blinkende Licht.
Der Aufbau genügte jedoch, dass die Teilnehmer über Kopfschmerzen klagten, Schwindel erlebten, Kribbeln in ihren Fingern und Füßen empfanden. Wer den warnenden Film gesehen hatte und Mobilfunk ohnehin mit einer gewissen Ängstlichkeit betrachtete, horchte so sehr in sich hinein, dass er die richtigen Symptome spürte und verstärkte. Zwei Probanden mussten den Versuch sogar vorzeitig abbrechen, weil sie es nicht mehr aushielten."
Es geht bei der Mobilfunk-"Elektrosensibilität" also darum, was einer glaubt. Den Glauben, die Selbstsuggestion kann man dadurch erzeugen und verstärken, dass man den arglosen Menschen vermeintliche Ursachen einredet und ihnen diese trickreich plausibel macht. Daran arbeiten in unserer realen Welt bekanntlich verschiedene Interessensgruppen - die einen verdienen daran, andere erleben durch ihr Zusammensein als "Mobilfunkgegner" ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit und vermeintlicher Bedeutung...
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