Robert C. Kane vs. Motorola: die wahre Geschichte (Allgemein)
Wer im www nach Robert C. Kane sucht, landet zuerst auf den einschlägig bekannten Seiten der hiesigen Anti-Mobilfunk-Szene, denn der Mann ist einer ihrer Säulenheiligen. Kane war Entwickler bei Motorola. Mitte der 80-er Jahre testete er an drei Tagen nahe am Kopf die Antenne für ein neues Mobiltelefon. Kurz darauf klagte er über Kopfjucken und das Gefühl, nasse Haare zu haben. Die Symptome sollen monatelang angedauert haben. 1992 wurde bei Kane ein Hirntumor im rechten Temporallappen diagnostiziert, den er auf seinen Antennentest Mitte der Achziger zurückführte. Es ist die Zeit, in der in den USA der tragische Fall von Suzy Reynard in die Öffentlichkeit dringt. Raynard hatte häufig ein Mobiltelefon benutzt, und bekam ebenfalls einen Hirntumor. Das Ehepaar Raynard verklagte daraufhin die Mobilfunkindustrie, es ist die erste Klage dieser Art.
Im Dezember 1993 zog Kane nach und verklagte seinen Arbeitgeber Motorola auf Schadenersatz. Doch er scheiterte genauso wie das Ehepaar Raynard, keiner der Kläger konnte den Gerichten gegenüber einen Kausalzusammenhang zwischen dem Hirntumor und der Einwirkung von Funkfeldern glaubhaft nachweisen. Suzy Raynard erlebte die Niederlage nicht mehr, sie starb bereits im Mai 1992.
Kane publizierte 2001 sein Taschenbuch "Cellular Telephone - Russian Roulette, A Historical and Scientific Perspective", 2002 wurde seine Klage auch in der Berufungsinstanz abgewiesen und 2004 publizierte er eine Hypothese zu Autismus und Funkimmission. Im März 2005 verstarb er in Wisconsin im Alter von 56 Jahren.
Im www finden sich viele kolportierte Meldungen über den Motorola-Entwickler, denen nicht zu trauen ist. Eine weitaus bessere Quelle ist die Entscheidung des Berufungsgericht von Illinois, das im November 2002 Kanes Revisionsklage abwies. Dort lässt sich auch etwas über die Immission erfahren, der Kane bei seiner Antennenerprobung ausgesetzt war:
Kane estimated the prototype antenna operated at a power output of about 0.6 to 1 watt. He acknowledged, however, Motorola documents indicated the antenna operated at 0.1 watt.
Ein paar Jahre später hat diese bescheidene Ausgangsleistung in "Charles'" het bitje (Oktober 2006, englisch) eine wundersame Vervielfachung erfahren: Ein gewisser Bill Curry behauptet dort ganz ungeniert:
The Mobile phone body that was used in the experiments in which Kane participated had 3 watts output [...]
So ist das halt, wenn in der Anti-Mobilfunk-Szene vermeintliche Insider zu Wort kommen und aus dem Nähkästchen plaudern. Glauben sollte man dann zunächst kein Wort, es sei denn, eine Prüfung bestätigt die Behauptungen. Doch wer macht das schon ...
Kanes Büchlein wird seit seinem Ableben übrigens zu leicht überhöhten Preisen angeboten, wovon man sich hier überzeugen kann. Die Ausgabe kann man sich sparen, denn als PDF gibt es das Werk gratis.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –