Bayern: Grüne vergraulen Sendemastengegner (Allgemein)
Die Fraktion der Grünen im Bayerischen Landtag ist drauf und dran, sich die Sympathien von etablierten Sendemastengegnern zu verscherzen. Denn sie haben es auf Kapitel 1.2 im Landesentwicklungsprogramm abgesehen, das den unverdächtigen Titel "Demografischer Wandel" trägt.
Mit der Forderung, dieses Kapitel sei ersatzlos aufzuheben wenden sich die Grünen an den Bayerischen Landtag (Antrag 16/15665). Kurios: Im selben Satz wird zugleich die durch die Grünen verfasste Neufassung dieses Kapitels dem Landtag als Ersatz vorgelegt.
Widersprüchlich auch der von den Grünen neu hinzugefügte Absatz 1.2.5.3, der da lautet:
Auf eine Mehrfachnutzung von Mobilfunksendemasten und die Nutzung bestehender Standorte für neue Technologien und zukünftige Anlagen ist hinzuwirken.
Der harmlos wirkende Absatz hat Sprengkraft. Nämlich bei allen Sendemastengegnern, die bereits einen Sendemasten vor der Nase haben, und durch den Antrag der Grünen nun in den Genuss einer nicht enden wollenden Aufrüstung eben dieser Standorte kommen. Beispiel: Frau Eva W. im Norden Münchens wird sich besonders freuen, von den Grünen so bedacht zu werden.
Als 2002 bei uns der Sendemast errichtet wurde hielten wir die übliche Blitzversammlung der "Betroffenen" im Hinterzimmer einer nahe gelegenen Wirtschaft ab. Die Grünen im Bezirkstag entsandten zu uns einen der ihren, der den versammelten Sendemastengegnern i. G. genau den Standpunkt zu erklären versuchte, wie er jetzt ins Landesentwicklungsprogramm hinein soll. Der Mann erntete natürlich nur verständnislose Blicke, denn unser Mast war ja bereits seit Tagen auf dem Dach und er sagte uns mit anderen Worten: Freuet euch, die Grünen wollen darauf hinwirken, dass dort noch mehr Antennen angeschraubt werden.
Nur wer noch keinen Sendemasten in der Nachbarschaft hat, wird erleichtert aufseufzen und den Vorstoß der Grünen begrüßen, denn der friert den Status Quo ein.
Aus meiner Sicht ist der Vorstoß der Grünen in der vorliegenden Formulierung fürs Gemeinwohl schädlich. Denn er ist disozial, weil er bestehenden Standorten eine Art Bestandsschutz einräumt, und er ist technisch kontraproduktiv, weil er einer Netzverdichtung nach funktechnischen Kriterien im Wege steht. Im Klartext: Die Grünen fördern mit ihrem Antrag punktuelle Immissionsspitzen in der Netzabdeckung und erschweren die gleichmäßige Verteilung der Standorte in einem Versorgungsgebiet.
Die Stadt Basel hat in einem Gutachten (PDF, 1,6 MByte) gezeigt, dass das Ausklammern funktechnisch gut geeigneter neuer Standorte im Stadtgebiet für Immissionsspitzen verantwortlich ist. Stehen diese Standorte für Sendetechnik zur Verfügung, steigt zwar die Immission auf die Fläche betrachtet geringfügig an (das ist sozial ausgewogen), zugleich aber werden die Immissionsspitzen beseitigt (das ist sozial gerecht). Wegen diesem Ergebnis hat die Stadt - infolge eines Bürgerbegehrens 2010 eingerichtete - Sperrzonen für Sendemasten 2013 wieder aufgehoben.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –