EMF & Baumschäden: Studienkritikerin scheitert an sich selbst (Allgemein)
Frau Eva W. hat in einem alten FGF-Newsletter Details zu einer Baumstudie der Arbeitsgruppe Käs gefunden. Sie schreibt dazu bei Gigaherz unter anderem:
"Untersuchungen zur Wirkung elektromagnetischer Felder auf Waldbäume."
Götz, Käs und Matyssek untersuchten drei 18-jährige, zum Teil abgeschirmte Bäume (Zwei Fichten, eine Rotbuche). Diese Bäume wurden während drei Jahren jeweils von Mai bis August einer Radarortungsanlage (Frequenz 9,445 GHz. Pulsfolgefrequenz 920 Hz, Pulsdauer 0,5 µs, Pulsleistung 30 kW) ausgesetzt. Die mittleren Leistungsflussdichten betrugen zwischen 21,6 µW/cm² und 5,5 µW/cm². Es wurden einzelne morphologische und physiologische Parameter untersucht. Hierbei wurden keine Unterschiede zwischen befeldeten und unbefeldeten Baumteilen festgestellt.
Klingt nach einer ordentlichen Zusammenfassung des 3-seitigen Artikels, man ist versucht, sich die Mühe zu ersparen, den Artikel selbst zu lesen. Dies aber ist dringend geboten, denn Frau W. führt mMn Böses im Schild, sie will der Studie an den Kragen.
Zuerst fällt auf, dass die überzeugte Mobilfunkgegnerin und ehemalige Fluglotsenassistentin nur die mittleren Leistungsflussdichten nennt. Dies ist grob irreführend, denn bei Radar ist das Tastverhältnis sehr groß, das heißt, bei hohen Spitzenwerten ist die mittlere Leistungsflussdichte nur gering. Der Originalartikel nennt die Spitzenwerte, es sind 6 mW/cm² bis 47 mW/cm². Die Bäume in Käs' Experiment haben also bis zu 470 W/m² abbekommen, ein mörderisch hoher Wert, etwa 1 Million mal höher als das, was sonst so an Mobilfunkimmission bei Bäumen ankommt!
Käs' Probanden haben aber selbst diese Extrembefeldung völlig schadlos überstanden.
Jetzt sollte man eigentlich meinen, Frau W. würde angesichts dieser Umstände kleinlaut abdrehen, und sich ums Lametta für ihren Weihnachtsbaum kümmern. Tut sie aber nicht, sie dreht vielmehr in ihrem Posting richtig auf und gibt sich erstmals als Studienkritikerin der berüchtigten "wuff-Klasse". Dazu stellt sie vier rhetorische Fragen, die sie sich bei aufmerksamer Lektüre des Artikels weitgehend selbst beantworten hätte können. Da die Fragen rhetorische sind, braucht sie keine Antworten, um flugs ihr Resümee der Studie zu ziehen:
"Die Studie kann daher keine Aussage zu in der Realität vorkommenden ganzjährigen Expositionen machen ..."
Die Frau blendet die irrwitzig hohe Exposition komplett aus und klammert sich an etwas, was sie als wichtigsten Kritikpunkt glaubt ausgemacht zu haben.
Dieser Hauptkritikpunkt von Frau W. ist der Umstand, dass die Arbeitsgruppe die Bäume nur während vier Monate eines Jahres befeldete. Im Artikel heißt es dazu nur, dass die Bäume während der Vegetationsperiode befeldet und im Anschluss daran untersucht wurden. Anscheinend gibt sich Studienkritikerin W. mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Auskunft geben können hätte Prof. Käs. Zweimal die Woche fahre ich bei ihm vorbei, ich hätte ihm die Frage persönlich stellen können. Doch Frau W. wartet listigerweise bis der Professor keine Fragen mehr beantworten kann. Warum sie ersatzweise nicht versucht, ihren Wissensdurst bei den Co-Autoren B. Götz oder R. Matyssek zu stillen, das weiß nur sie und der Himmel - und jeder Rhetoriker.
Die Studie von Käs ist für Eva W. gefährlich, denn die Arbeit straft alle die Hobbyforscher Lügen, die glauben, Elektrosmog wäre an mickerigen Bäumen schuld. Die kuriose Beweiskraft dieser Hobbyforscher fußt allein schon auf der gewaltigen Anzahl von rund 70'000 Standorten für Mobilfunk-Basisstationen: Da findet sich eben leicht ein kahler Baum mit Sendemast im Hintergrund. Aber: Es finden sich abertausendmal mehr gesunde Bäume mit Sendemasten im Hintergrund.
Die alberne These vom Baumsterben infolge Mobilfunkeinwirkung hat der eigenen Angaben zufolge elektrosensible Physiker Volker Schorpp von einem Initiator übernommen und in Deutschland groß propagiert. Die Resonanz in der Szene war durchaus beachtlich, kaum war die These in Newslettern vorgestellt worden, meldeten sich auch schon die ersten Augenzeugen. Auch Frau W. gehört zu diesen Zeugen, sie beklagt das Dahinscheiden eines Jakob Fischer in ihrem Garten, das ist kein Mensch, sondern eine Sorte Apfelbaum. Außerhalb der Anti-Mobilfunk-Szene fand die schräge These dagegen keinerlei Anhänger.
Wie nun geht die frischgebackene Studienkritikerin Eva W. mit der für sie unerfreulichen Studie um? Sie versucht die Arbeit zu entwerten und schreibt daher:
"Eine oft genannte Studie, deren Design aber normalerweise verschwiegen wird, weil vollkommen realitätsfern."
Klingt etwas arg gönnerhaft. Doch was ist dran, an dieser Entwertung? Die angeblich oft genannte Studie, sie wurde im Kontext der Szene nur 1-mal genannt, nämlich <hier>. Das Design wird auch nicht "verschwiegen", sondern es war nicht bekannt, bis unsere neue Lehrmeisterin den FGF-Artikel aufstöberte. Wenn überhaupt etwas hätte verschwiegen werden sollen, dann doch am ehesten der Link zum FGF-Artikel. Denn in ihrer Wahnvorstellung merkt Frau W. nicht mehr, dass dieser Artikel für die Baumthesenanhänger eine dicke Kröte ist: Was kratzt schon ein bemeckertes 8-zu-4-Befeldungsmuster (8 Monate aus, 4 Monate an), wenn die Spitzenwerte der Leistungsflussdichte 1 Mio. Mal über den Werten liegen, die Bäume in aller Regel durch Mobilfunk abbekommen? Die Antwort liegt mMn auf der Hand. Unsere Studienkritikerin aber glaubt, es mit zwei Uni-Professoren aufnehmen zu können und die Studie erfolgreich entwertet zu haben. Ein Irrtum, der mit Selbstüberschätzung und Wahrnehmungsstörung erklärbar ist.
Kurioserweise ist W's Fazit "vollkommen realitätsfern" sogar richtig: Die AG Käs befeldete über drei Jahre hinweg in der viermonatigen Wachstumsphase Bäume mit der "vollkommen realitätsfernen" Leistungsflussdichte von bis zu 470 W/m² - und den Bäumen machte dies nicht das geringste aus. Wer einem jetzt weismachen möchte, dass die Dauerbefeldung mit ein paar hundert µW/m² Mobilfunk Bäume niederstrecken soll, der sollte sich aus meiner Sicht besser - Entschuldigung - gleich <hier> bewerben.
Viel Erfolg!
Und frohe Weihnachten!
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –