Unveröffentlicht: Beobachtungsstudie an 200 Elektrosensiblen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 08.08.2012, 23:29 (vor 4520 Tagen)

Kein Elektrosensensibler (EHS) war so häufig im Fernsehen zu sehen, wie der Extrem-EHS Uli Weiner.

Im Januar 2008 bringt das Boulevardmagazin "Brisant" ein Portrait von Weiner. Bei Minute 2:02 ist das berühmt/berüchtigte Gutachten zu sehen, das Uli Weiner 2006 von Dr. med. J. Mutter erhalten hat - und ihm gemäß Brisant "hochgradige Elektrosensibilität" bescheinigt.

Klingt glaubhaft. Isses aber nicht.

Christof Gerlitz, Autor des Beitrags, zeigt zwar bei Minute 2:02 das Gutachten im Bild, gelesen aber kann er es nicht haben. Denn sonst wäre ihm aufgefallen, dass die Diagnose "hochgradige Elektrosensibilität" vom Text des Gutachtens in keiner Weise gestützt wird. Im Gegenteil, denn im Abschnitt "Schlussfolgerungen" vermittelt das Gutachten alles andere als ein machtvolles Bekenntnis zu Weiners Elektrosensibilität, sondern: "Es ist nicht auszuschließen, dass hochfrequente gepulste elektromagnetische Felder an den Beschwerden von Uli W. beteiligt sind". Von der Begutachtung hochgradiger Elektrosensibilität ist diese Schlussfolgerung weiter weg als der Mond von der Erde.

Bei Licht besehen durfte freilich TV-Autor Gerlitz diese Schlussfolgerung nicht bringen, sie hätte seinen rührseligen Beitrag um den geplagten Elektrosensiblen mit einem einzigen Satz völlig konterkariert.

Nachlesen lässt sich der Text des Gutachtens <hier>.

In dem Gutachten erwähnen die Gutachter Dr. med. J. Naumann und Dr. med. J. Mutter eine "bislang unveröffentlichte Beobachtungsstudie", die bei etwa 200 Patienten "eine Sensibilisierung auf hochfrequente elektromagnetische Strahlungen" beobachtet haben will. Das war im November 2006.

Die bislang unveröffentlichte Beobachtungsstudie ist nach inzwischen sechs Jahren allerdings noch immer unveröffentlicht! Vielleicht deshalb, weil an dieser Studie etwas faul ist? So hat z.B. der altbekannte "Verein für Elektrosensible e.V." weniger Mitglieder, als die beiden Mediziner mal eben durch ihre bislang unveröffentlichte Beobachtungsstudie gefunden haben wollten. Und wie konnte Dr. Mutter, der 2006 noch als Amalgam-Mutter bekannt und in der E-Smog-Szene ein unbeschriebenes Blatt war, überhaupt die Sensibilisierung bei gleich 200 EHS feststellen? Seriöse Wissenschaftler weltweit mühen sich seit vielen Jahren vergeblich, auch nur einen einzigen EHS zu finden, der seine Fähigkeit nicht bloß behaupten, sondern auch nachweisen kann.

Was die beiden Mediziner unter veröffentlichen verstehen, zeigen sie bei einer anderen "Beobachtungsstudie", die sie nicht unveröffentlicht ließen. Statt einer wissenschaftlichen Veröffentlichung in einem Fachblatt haben Naumann und Mutter lediglich ein PDF ihrer "Beobachtungsstudie" öffentlich zugänglich gemacht. Damit entgehen die beiden dem Risiko, dass sich ausgewiesene Fachleute mit ihrer Arbeit beschäftigen. Die von Naumann/Mutter gewählte Form der Veröffentlichung hat keine wissenschaftliche Bedeutung, sie beeindruckt bestenfalls Laien und Gleichgesinnte.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
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