Deutsche Depressionshilfe: Keine Zunahme der Depressionen (Allgemein)
Für Eiferer unter überzeugten Mobilfunkgegnern ist Mobilfunk die Pest des 21. Jahrhunderts, von Unkonzentriertheit bis Krebs wird versucht, Funkwellen als Verursacher für alle möglichen Zipperlein und ernsthafte Erkrankungen glaubhaft zu machen.
Die Methode dafür ist so schlicht, dass Laien sie mühelos praktizieren können: Krankheiten, die seit Anfang der 90-er Jahre zugenommen haben, egal ob nur gefühlt oder statistisch belegt, werden dem Digital-Mobilfunk angelastet, weil der hierzuland zur gleichen Zeit eingeführt wurde. Basta.
So wurde z.B. schon einmal versucht, eine Selbstmordwelle auf Funk zurückzuführen, und immer wieder mal sind es "Depressionen", auf die eifrige Alarmierer der Szene ihre Hoffnungen setzen, endlich den ersehnten Volkssturm gegen Sendemasten entfachen zu können.
In der realen Welt echter Experten werden derartige Laien-Analysen natürlich nicht wahrgenommen. Ulrich Hegerl ist Professor für Psychiatrie und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig sowie Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Er sagt im "Spiegel"-Interview über Depressionen und Selbstmordquote unter anderem:
"Ich glaube, dass sich heute mehr Menschen mit Depression als noch vor 30 Jahren Hilfe holen und dass Depressionen nicht mehr hinter Ausweichdiagnosen wie chronischem Rückenschmerz oder Tinnitus versteckt werden. Dass mehr Betroffene Hilfe erhalten, dürfte die bemerkenswerte Tatsache erklären, dass die Suizidzahlen in Deutschland von circa 18 000 Anfang der achtziger Jahre auf 9600 drastisch gesunken sind. Depressionen haben nicht zugenommen, aber sie werden heute früher erkannt und besser behandelt. Und das sollten wir nicht aufs Spiel setzen, indem wir sie wieder hinter einer neuen Ausweichdiagnose wie Burnout verstecken."
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –