Bürger verschmähen 10,5 mW/m² Feldreduzierung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 14.11.2010, 17:18 (vor 5131 Tagen)

In einer bayerischen Gemeinde soll die Mobilfunkversorgung künftig mit einigen wenigen Großmasten anstelle der vorhandenen kürzeren aber dafür zahlreicheren Kleinmasten realisiert werden - so sieht es ein Mobilfunkkonzept vor, an dem die Gemeinde seit acht Jahren bastelt.

Anwohner im Nahfeld der geplanten neuen Großmasten sind erwartungsgemäß wenig amused und legen scharenweise mit einer vorbereiteten Erklärung Einspruch bei der Gemeinde ein.

In dieser Erklärung ist eine Passage, die ich so nicht erwartet hätte, sie lautet im Wortlaut:

"Das Mobilfunkkonzept geht davon aus, dass die durchschnittliche Belastung auf 2,1 mW/qm bzw. auf 0,021 % der in Deutschland in Wohngebieten zulässigen Feldstärke gesenkt werden kann. Selbst wenn dies so möglich wäre, was ich bezweifle, diese unwesentliche Reduzierung um 10,5 mW/qm, das sind nur 0,105 %-Punkte der in Deutschland in Wohngebieten zulässigen Feldstärke, rechtfertigt nicht den Bau von 40 Meter hohen Mobilfunkmasten faktisch im Wohngebiet."

Der Einspruch macht deutlich: Den Leuten ist es eine Feldreduzierung von 12,6 mW/m² um 10,5 mW/m² auf 2,1 mW/m² nicht wert, sich für ein paar Großmasten erwärmen zu können. Das finde ich überraschend. Steht doch die Bevölkerung seit vielen Jahren unter dem interessengelenkten medialen Dauerbeschuss, erst ab 100 µW/m², besser noch ab 1 µW/m² seinen Funkfelder angeblich verträglich. Diese Desinformation scheint außerhalb der "Seifenblase" der Hardcore-Sendemastengegner-Szene weitaus weniger Wirkung zu haben. Überhaupt geht es in dem vorgefertigten Einspruch ausschließlich um Wertverlust und die Störung des Ortsbildes im Schatten der Großmasten, nicht um gesundheitliche Aspekte. Auch dies ist etwas, was innerhalb der "Seifenblase" völlig anders wahrgenommen wird, dort geht es ausschließlich um Befindlichkeitsstörungen und Schlimmeres. Diese Überbetonung dürfte damit zusammen hängen, dass EHS innerhalb der "Seifenblase" vernetzt sind und Sprachrohre haben, außerhalb jedoch nicht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Mobilfunkkonzept

Bürger verschmähen 10,5 mW/m² Feldreduzierung

cassandra, Dienstag, 14.12.2010, 11:12 (vor 5101 Tagen) @ H. Lamarr

Aus Gründen der Netzkapazität halte ich von solchen Ideen nicht viel...

Lieber wenige Großmasten, statt vieler Kleinmasten?

H. Lamarr @, München, Dienstag, 14.12.2010, 23:55 (vor 5100 Tagen) @ cassandra

Aus Gründen der Netzkapazität halte ich von solchen Ideen nicht viel...

Sie wollen also lieber ein kleinzelliges Netz mit etlichen Dachstandorten in sagen wir mal 15 bis 20 Meter Höhe anstelle weniger 40 Meter hohen Großmasten, ja?

Das kapiere ich jetzt nicht so ganz. Nach dem Prinzip UHS (Ultra High Sites) müssten sich doch auf einen Großmasten nicht die die üblichen drei Sektoren zur 360-Grad-Raumabdeckung realisieren lassen, sondern z.B. sechs oder mehr Sektoren. Dann wären alle zufrieden, die Anwohner, weil die Immissionsquelle "weit" weg ist und die Betreiber, weil die Netzkapazität stimmt. Oder etwa nicht?

Hintergrund UHS
http://www.izgmf.de/Aktionen/Meldungen/Archiv_04/Ultra_High_Sites/ultra_high_sites.html
http://www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=4231

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Lieber wenige Großmasten, statt vieler Kleinmasten?

cassandra, Donnerstag, 16.12.2010, 10:26 (vor 5099 Tagen) @ H. Lamarr

Aus Gründen der Netzkapazität halte ich von solchen Ideen nicht viel...

Sie wollen also lieber ein kleinzelliges Netz mit etlichen Dachstandorten in sagen wir mal 15 bis 20 Meter Höhe anstelle weniger 40 Meter hohen Großmasten, ja?

Das kapiere ich jetzt nicht so ganz. Nach dem Prinzip UHS (Ultra High Sites) müssten sich doch auf einen Großmasten nicht die die üblichen drei Sektoren zur 360-Grad-Raumabdeckung realisieren lassen, sondern z.B. sechs oder mehr Sektoren. Dann wären alle zufrieden, die Anwohner, weil die Immissionsquelle "weit" weg ist und die Betreiber, weil die Netzkapazität stimmt. Oder etwa nicht?

Dazu muss man sich überlegen, was die erzielbare Datenrate negativ beeinflusst:

* Einerseits die Entfernung, weil sich mit zunehmender Entfernung die Funkstrecke verschlechtert. Optimal sind "kurze Wege" zur BTS.
* Andererseits die Anzahl an Nutzern, weil sich bekanntermassen die Gesamtkapazität auf die Nutzerzahl anteilig verteilt. Insbesondere steigt die Nutzerzahl mit der Reichweite einer BTS erheblich an.
* Und schliesslich gilt es zu berücksichtigen, dass sich benachbarte BTS immer auch gegenseitig beeinflussen und stören (Interferenzen). Besonders exponierte Standorte sind da eher kontraproduktiv, weil sie entsprechend grosse Reichweiten nach sich ziehen. Das dürfte erst bei LTE weniger kritisch sein, weil es beamforming beherrscht.

Die BTS als Immissionsquelle spielt im Prinzip nur eine winzige Nebenrolle, da seitens der Forschung heute niemand mehr ernsthaft an gesundheitliche Beeinträchtigungen durch derart niedrige Immissionen glaubt, wie sie durch BTS verursacht werden.

Gewöhnlich sind ja auch niedrige Standorte so installiert, dass die Hauptstrahlrichtung über die benachbarte Bebauung hinweg geht, denn auch der Betreiber hat wenig davon, wenn er hauptsächlich das Wohnzimmer des Nachbarn "bestrahlt" (Ausnahmen gibt es natürlich). Für die Ausleuchtung des Nahbereichs reichen Nebenstrahlrichtungen aus. Aber letztlich braucht HSPA+ nun einmal gewisse Feldstärken, und die müssen so oder so geliefert werden, egal wie und wo der Sender steht, sodass man auch bei UHS die Abstrahlung nicht beliebig in die Ferne richten kann.

Die in der zitierten Meldung aus 2004 angesprochenen 100 Sektoren klingen mir eher nach E-Plus-Wunschdenken als nach Realität (ich mag mich irren, dann möge man mir aber bitte ein Beispiel für einen solchen Standort nennen). Aber selbst wenn: Wenn wir für jeden Sektor mal 20 MBit/s Kapazität annehmen, dann müsste eine solche UHS mit insgesamt 20 GBit/s angebunden werden. Das ist dann schon eine gewisse technische Herausforderung.

Tags:
Feldstärke, BTS, Immissionsquelle, Beamforming

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