Eineiige Zwillinge erforschen Hodenzellen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 27.04.2010, 23:57 (vor 5112 Tagen)

Gut, dass der 1. April vorüber ist, sonst hätte ich ernste Zweifel: Eineiige Zwillinge in Gestalt zweier hübscher Schwestern haben beim Landeswettbewerb "Jugend forscht" die Wirkung von Handys auf Hoden erforscht. Das ist der Stoff, aus dem die Träume sind. Alpträume, denn dpa hat die Story unter dem Titel "Handystrahlen töten Hodenzellen" in Umlauf gebracht. Das ist feinste Paniker-Rhetorik, wie sie die Bürgerwelle oder Omega-News nicht besser hätten ausbrüten können. Und es ist doch nur schlicht Desinformation, denn in der Meldung werden die Mädels zitiert: “Wir haben eine leichte Tendenz festgestellt, dass die Zellen bei Handy-Strahlung vermehrt absterben, aber das ist noch nicht signifikant.“ Aha. Und warum dann das Trara?! Naja, das habe ich versucht, eingangs anzudeuten. Niedrige Beweggründe eben ;-).

Wenn von der Meldung schon nicht viel zu halten ist, wirft folgendes Zitat die Frage auf, inwieweit sich die jungen Damen mit der Funktechnik auskennen: “Wir haben festgestellt, dass immer mehr Leute in unserer Umgebung ihr Handy in der Hosentasche tragen. Und da sind die Hoden nun mal in der Nähe“. Stimmt, aber ohne Headset telefoniert es sich mit einem Handy in der Hosentasche ausgesprochen umständlich, so dass anzunehmen ist, dass den jugendlichen Forscherinnen die Bedeutung eines Periodical-Location-Update nicht klar ist und sie irrtümlich glauben, ein Handy strahle auch im Standby "irgendwie immerzu" vor sich hin.

Wer als Kritiker die dpa-Meldung zum Anlass nimmt, die "Entdeckung" der beiden Mädels zum beginnenden Untergang des Mobilfunks hoch zu schaukeln, der hat mMn noch ein ganz anderes Problem, das sich in einem verzerrten Bewertungsmaßstab äußert. Dies wäre nicht das erste mal, dass so etwas in der Mobilfunkdebatte passiert, zuletzt waren es Schüler, die den "Geldrolleneffekt" mit bemerkenswerter Akribie erforschten. Aber: Wunderkinder sind sehr selten, und jugendliche Forscher dürfen selbstverständlich Respekt und Anerkennung für ihre Arbeiten erwarten, wer sie aber mit etablierten Wissenschaftlern auf eine Stufe stellt, der hat mMn nichts ehrenwertes im Sinn, sondern missbraucht die Jungforscher nur zur Stützung eigener Interessen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Jugend forscht, Fertilität, Hodenkrebs, Hosentasche


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