Berührt das die Verbotsbehauptung (Forschung)

Sektor3, Montag, 22.02.2010, 17:08 (vor 5416 Tagen)

[Hinweis: Nach Prüfung bzgl. Verbotsbehauptung wieder frei gegeben am 16.12.2011]

Berührt das die Verbotsbehauptung Nr. 4

Betreff: Prof. A. ./. IZgMF

Prof. A. behauptet also, die Tabakvorwürfe gegen ihn seien frei erfunden und unwahr?

Am 19. Juni 1996 hielt Prof. A. seine Abschiedsrede beim VdC und übergab die wissenschaftliche Leitung an Prof. Werner Richter. Sein größter Triumph als Tabakforscher / -Lobbyist stand ihm da aber erst noch bevor.

1997 war dicke Luft bei der Tabakindustrie. Am 13. November 1996 wurde ein interfraktioneller Entwurf für ein „Nichtraucherschutzgesetz“ in den Bundestag eingebracht. Am 22. Januar 1997 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Rauchen auch die Gesundheit der nichtrauchenden Mitmenschen gefährdet und die MAK-Kommission befasste sich erneut mit dem Passivrauchen um zu entscheiden, ob dieses als krebserregend eingestuft werden sollte. Es drohten massive Rauch- und Werbeverbote.

Dennoch lehnte der Deutsche Bundestag am 5. Februar 1998 das „Nichtraucherschutzgesetz“ mehrheitlich ab – nach den veröffentlichten Dokumenten war das auch und vor allem ein Verdienst von Prof. A. und seinem kongenialen Partner Axel Heim, damals für den VdC in Sachen Politik und Wirtschaft aktiv.

Die Leistung von Prof. A. & Heim wird durch die akribische Vorbereitung des geplanten Nichtraucherschutzgesetzes durch Tabakkritiker noch unterstrichen.

Über die Fraktionen hinweg schlossen sich Politiker zusammen, um das Gesetz gemeinsam auf den Weg zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht leistete Schützenhilfe, das Robert-Koch-Institut sprach bei der Anhörung des Gesundheitsausschusses von jährlich 3.000 bis 5.000 Herz-Kreislauf-Toten durch Passivrauchen und der Deutsche Ärztetag unterstützte die Gesetzesinitiativen. Vor der Abstimmung des Bundestages war am 29.01.1998 eine Abstimmung der MAK-Kommission vorgesehen, um die Klassifizierung von Passivrauchen in ein bekanntes menschliches Karzinogen zu ändern.

Prof. A. musste also zunächst Gehör bei den Abgeordneten finden und dafür sorgen, dass die wissenschaftliche Beweislage als „kontrovers“ statt als „gesichert“ empfunden wurde. Dazu gehörten die Diskreditierung von „Schädlichkeitsbeweisen“ und das Einbringen von neuen Argumenten für eine wahrscheinliche „Unschädlichkeit“. Von besonderer Bedeutung war die Empfehlung der MAK-Kommission. Undenkbar, dass die Abgeordneten gegen Einschränkungen eines Stoffes gestimmt hätten, der unmittelbar zuvor als krebserregend eingestuft worden wäre.

Nichtraucherinfo 33 I/99 beschreibt Prof. A.s Diskreditierung der wissenschaftlichen Beweislage:
"Bei der Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Nichtraucherschutz-Gesetz hatte er [Prof. A.] als wissenschaftlichen Beleg dafür, daß die Ergebnisse von Studien über die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens umstritten und fragwürdig sind, angeführt, daß die Zeitschrift Circulation, das Organ der amerikanischen Herz-Gesellschaft, seine Zuschrift veröffentlichen wolle (was kurz darauf auch geschehen ist). Darin sei er kritisch auf die Ergebnisse einer Studie von Kawachi und Mitarbeitern eingegangen, die von einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten durch Passivrauchen berichteten.

Wie kam es zur Veröffentlichung von Prof. A.s Zuschrift? Ganz einfach: Von der Circulation-Redaktion befragt, versicherte Prof. A. am Ende seiner Zuschrift: "Ich erkläre kategorisch, daß ich in keiner Weise, weder finanziell, wirtschaftlich, noch in anderer Art eine Verbindung zur Zigarettenindustrie habe." Diese Behauptung ist eine glatte Lüge. Mit ihr hat er sich den Abdruck seiner Zuschrift erschlichen."

Noch wichtiger war möglicherweise die von der Tabakindustrie dokumentierte Manipulation der MAK-Kommission durch Prof. A., die zu einer Verschiebung der Klassifizierung sorgte.
(Übersetzung)
„Für den 29. Januar [1998] war eine Abstimmung der MAK-Kommission vorgesehen, um die Klassifizierung des Passivrauchens in ein „bekanntes menschliches Karzinogen“ zu ändern. Allerdings wurde die Abstimmung durch neue Daten des VdC und den Einfluss von Prof. A. auf Juni verschoben.“

„Neuen Daten“ lieferte der VdC mit den Veröffentlichungen:
J Clin Epidemiol. 1998 Mar;51(3):211-8.
Misclassification of smoking in a follow-up population study in southern Germany.

Heller WD, Scherer G, Sennewald E, Prof. A. F.
Analytisch-Biologisches Forschungslabor Prof. A., Munich, Germany.

Heller W-D, Sennewald E, Gostomzyk J-G, Scherer G, Prof. A. F (1998) Validation of ETS exposure in a representative population in Southern Germany.

Prof. A. konnte so die Argumente für das Nichtraucherschutzgesetz neutralisieren. Axel Heim lieferte parallel dazu die Argumente gegen das Gesetz. Die Berliner Zeitung dokumentierte Heims Wirken im Artikel „Sprich nur im kleinen Kreis“
Laut BZ sprach Heim mit über der Hälfte aller Abgeordneten und bezifferte die Kosten des Gesetzes für die Wirtschaft auf jährlich 33 Milliarden DM. Tabakkonzerne würden außerdem als Sponsoren bei Parteitagen auftreten und ganzseitige Anzeigen in Parteizeitungen schalten. Laut BZ sagte Heim auch: "Wer behauptet, die CDU lasse sich für 20 000 Mark kaufen, hat keine Ahnung von Politik".

Nichtraucherinfo 30 II/98 liefert eine Analyse des Abstimmungsergebnisses:
Darin heißt es, dass fast alle Kabinettsmitglieder der Regierung Kohl gegen das Gesetz gestimmt hätten, einschließlich des Gesundheitsministers.

Nichtraucherinfo 37 I/00 konnte dann auch nicht glauben, dass das Nein zum Nichtraucherschutzgesetz des spendenaffärengeplagten Kanzlers Kohl ohne finanzielle Unterstützung der Tabakindustrie gelaufen sei.

Da möchte ich ausnahmsweise mal einem Tabakmann glauben schenken. Für 20.000 DM hätte Kohl das wohl kaum gemacht. Naheliegender wären dann schon Kohls Millionen von unbekannten Spendern.

Tags:
Strategie, Politik, Spenden, Tabak, Manipulation, Einflussnahme, Lüge, Tabakindustrie, Passivrauchen, VdC, Klassifizierung, Trick, Ex-Tabaklobbyist, Verbotsbehauptung, MAK-Kommission


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