Risikowahrnehmung: Gestrüpp des Grauens (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 19.08.2009, 19:19 (vor 5770 Tagen)

Irgendetwas scheint hierzulande aus dem Ruder zu laufen was die Risikowahrnehmung anbelangt. Wenn dieser Bericht hier zutreffend ist, dann hat eine einziger Giftstengel in einer Klarsichtpackung "Rucola" dem deutschen Rucola-Anbau den Teppich unter den Füßen weggezogen. Und mittendrin im Skandal taucht eine Bürgerinitiative auf, die, wie unter dem Link nachzulesen, sich dem Kampf gegen die Verbreitung des giftigen Kreuzkrauts verschrieben hat. Dass ausgerechnet der Entdecker des einzelnen Giftstengels auch noch Mitglied dieser BI ist, lässt einen ungläubig staunen. Das ist der Stoff, aus dem Spekulationen ins Kraut schießen und von dem BIs gegen Mobilfunk-Sendemsten nur träumen können. Denn eines ist sicher: Kreuzkraut ist giftig. Allerdings ist auch dem Spiegel-Artikel nicht zu entnehmen, in welcher Menge das Gestrüpp des Grauens vertilgt werden muss, damit es z.B. die Leber angreift. Also verzichten Karl Napf und Emma Sorge erst einmal auf jedes Blättchen Rucola, der Grenzwert fällt auf biologisch unbedenkliche 0,0 g/Tag - und ob des Schrecks, dem Giftkraut gerade eben noch einmal entkommen zu sein, knallen sich Karl & Emma zur Entspannung auf ihre Sonnenbank im Keller. Das Thema, es ist ein völlig anderes als beim Funk, die Probleme aber, die sind die gleichen.

Zur Erinnerung: Es wurde 1 (in Worten: ein) Giftstengel gefunden :no:. Deutschland 2009. Deutschland 1949 hätte davon vermutlich noch nicht einmal via das mickerigste Wurstblatt Notiz genommen.

Ähnlich befremdlich empfinde ich das alberne Gezeter um die Dienstwagennutzung durch Ulla Schmidt. Wenn von denen, die sich da groß aufspielen, diejenigen den Mund halten müssten, die schon einmal bei ihrer Einkommensteuererklärung gemogelt haben, dann wäre es mMn totenstill. Mich erinnert dieses Affentheater an die Mobilfunkdebatte: Weil Themen der 1. und 2. Klasse alle abgefrühstückt sind, wird der Wind jetzt eben um drittklassige Belanglosigkeiten gemacht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Risikowahrnehmung: Gestrüpp des Grauens

Doris @, Mittwoch, 19.08.2009, 20:08 (vor 5770 Tagen) @ H. Lamarr

Denn eines ist sicher: Kreuzkraut ist giftig. Allerdings ist auch dem Spiegel-Artikel nicht zu entnehmen, in welcher Menge das Gestrüpp des Grauens vertilgt werden muss, damit es z.B. die Leber angreift.

Schafe und Ziegen sind resistenter als Pferde und Rinder. :wink:

Über die Menge, die für den Menschen gefährlich wird, findet sich nichts Näheres. Gut ist es für den Menschen sicherlich nicht, aber solche Gefahren gibt es jedes Jahr in der Pilzzeit und auch in der Bärlauch-Saison. Und es muss wohl schon regelmäßig verzehrt werden, um zu gravierenden Schäden zu führen.

Diese Blog-Schreiberin sieht das Gezeter in Deutschland wohl ähnlich wie Sie

Laien in amtlichen Positionen?

Schmetterling @, Freitag, 21.08.2009, 22:40 (vor 5768 Tagen) @ H. Lamarr

Irgendetwas scheint hierzulande aus dem Ruder zu laufen was die Risikowahrnehmung anbelangt. Wenn dieser Bericht hier zutreffend ist, dann hat eine einziger Giftstengel in einer Klarsichtpackung "Rucola" dem deutschen Rucola-Anbau den Teppich unter den Füßen weggezogen.

Wenn das Bild tatsächlich das Originalbild ist, dann sind die Bauern durch den "Entdecker" der Pflanze "gelinkt" worden.
Jakobskreuzkraut ist 2- jährig. Im ersten Jahr bildet es noch keine Blüten. Und, Rucola braucht von der Aussaat bis zur Ernte nur wenige Wochen. Wie soll da eine blühende Pflanze zwischen die kl. Rucolapflänzchen kommen?

Ganz abgesehen davon, Jakobs-Kreuzkraut wird mit einer Giftigkeit von "giftig" eingestuft (lt. Liste giftiger Pflanzenarten der Bundesministeriums für Jugend, Fam. und Gesundheit vom 10. 03. 1975). Die Giftigkeit wird in der Reihenfolge gewertet als: giftig, stark giftig, sehr stark giftig.
Im Übrigen: Maiglöckchen sind "sehr stark giftig" und grüne Kartoffeln, die überall in den Supermärkten herumliegen, sind noch "stark giftig". Wenn man dazu bedenkt, dass so ein Kreuzkrautblättchen vielleicht 2 Gramm wiegt, eine Kartoffel vielleicht 100... Da frag` ich mich, wo da die Relationen sind. (Und was für Deppen da Entscheidungen treffen und damit Existenzen ruinieren.)


der Schmetterling

Laien in amtlichen Positionen?

AnKa, Freitag, 21.08.2009, 22:48 (vor 5768 Tagen) @ Schmetterling

Jakobs-Kreuzkraut wird mit einer Giftigkeit von "giftig" eingestuft

(Warum, bloß, assoziiere ich bei dieser Wortfolge "gigaherz.ch"...?)

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"Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere." (Groucho Marx)

TV-Tipp, Sonntag, Risikowahrnehmung ▼

H. Lamarr @, München, Samstag, 22.08.2009, 18:07 (vor 5767 Tagen) @ H. Lamarr

Irgendetwas scheint hierzulande aus dem Ruder zu laufen was die Risikowahrnehmung anbelangt.

Sendung "betrifft" So, 23. Aug · 03:00-03:45 · EinsPlus

Warum bewerten wir Risiken völlig irrational? Welche Rolle spielen Wissenschaftler, die Medien und die Politik bei der Bewertung von Risiken? Warum haben wir Angst vor BSE, aber rauchen gleichzeitig? Vogelgrippe, SARS, BSE, Feinstaub - das sind die Risiken, vor denen wir uns fürchten. Riesenschlagzeilen, aufgeregte Politiker, verunsicherte Menschen. Panik, Hysterie, Aktionismus. Wir wollen Nullrisiko von unserem Staat, den Schutz vor allen Gefahren des Lebens. Vollkasko. Aber Risikoabwehr kostet immer mehr Geld. Und bringt oft wenig. Für die BSE-Bekämpfung zum Beispiel geben wir Hunderte von Millionen Euro aus und schützen uns vor einem Risiko, das statistisch nicht existiert. Das Geld hätte besser eingesetzt werden können, um Krankenhausinfektionen zu verhindern, an denen jährlich Tausende Patienten sterben. Warum bewerten wir Risiken völlig irrational? Welche Rolle spielen Wissenschaftler, die Medien und die Politik bei der Bewertung von Risiken? Warum haben wir Angst vor BSE, aber rauchen gleichzeitig, klettern beim Fensterputzen auf den wackligen Küchenstuhl und setzen uns täglich im Straßenverkehr tausendmal höheren Gefahren aus? Ist der tägliche 'Katastrophismus' gar eine deutsche Eigenschaft? Panik bei Nitrat im Kopfsalat, Thrombosen im Flugzeug und Elektrosmog. "Die Deutschen trinken sich zu Tode, rauchen sich zu Tode, fahren sich zu Tode. Kann jeder selbst entscheiden. Aber wenn eine Gefahr von außen droht, werden sie hysterisch", überspitzt es ein Ausländer, der schon lange hier lebt. Die Dokumentation rechnet ab mit manchen Irrungen in der Risikobewertung.

Troll-Wiese: http://www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=33493

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Risikobewertung

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