Risikowahrnehmung: Gestrüpp des Grauens (Allgemein)
Irgendetwas scheint hierzulande aus dem Ruder zu laufen was die Risikowahrnehmung anbelangt. Wenn dieser Bericht hier zutreffend ist, dann hat eine einziger Giftstengel in einer Klarsichtpackung "Rucola" dem deutschen Rucola-Anbau den Teppich unter den Füßen weggezogen. Und mittendrin im Skandal taucht eine Bürgerinitiative auf, die, wie unter dem Link nachzulesen, sich dem Kampf gegen die Verbreitung des giftigen Kreuzkrauts verschrieben hat. Dass ausgerechnet der Entdecker des einzelnen Giftstengels auch noch Mitglied dieser BI ist, lässt einen ungläubig staunen. Das ist der Stoff, aus dem Spekulationen ins Kraut schießen und von dem BIs gegen Mobilfunk-Sendemsten nur träumen können. Denn eines ist sicher: Kreuzkraut ist giftig. Allerdings ist auch dem Spiegel-Artikel nicht zu entnehmen, in welcher Menge das Gestrüpp des Grauens vertilgt werden muss, damit es z.B. die Leber angreift. Also verzichten Karl Napf und Emma Sorge erst einmal auf jedes Blättchen Rucola, der Grenzwert fällt auf biologisch unbedenkliche 0,0 g/Tag - und ob des Schrecks, dem Giftkraut gerade eben noch einmal entkommen zu sein, knallen sich Karl & Emma zur Entspannung auf ihre Sonnenbank im Keller. Das Thema, es ist ein völlig anderes als beim Funk, die Probleme aber, die sind die gleichen.
Zur Erinnerung: Es wurde 1 (in Worten: ein) Giftstengel gefunden . Deutschland 2009. Deutschland 1949 hätte davon vermutlich noch nicht einmal via das mickerigste Wurstblatt Notiz genommen.
Ähnlich befremdlich empfinde ich das alberne Gezeter um die Dienstwagennutzung durch Ulla Schmidt. Wenn von denen, die sich da groß aufspielen, diejenigen den Mund halten müssten, die schon einmal bei ihrer Einkommensteuererklärung gemogelt haben, dann wäre es mMn totenstill. Mich erinnert dieses Affentheater an die Mobilfunkdebatte: Weil Themen der 1. und 2. Klasse alle abgefrühstückt sind, wird der Wind jetzt eben um drittklassige Belanglosigkeiten gemacht.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –