Klage in Stuttgart (Allgemein)
Stuttgarter Zeitung 04.03.2009 , Seite 19
Stadt muss Mobilfunkantenne erlauben
Zweite Niederlage vor Gericht: Telefongesellschaft hat Baugenehmigung eingeklagt
Erneut hat die Stadt vor dem Verwaltungsgericht den Kürzeren gezogen: Die Stadt muss für eine 20 Meter hohe Antenne in Plieningen eine Baugenehmigung erteilen. Auch die Bürger haben in Prozessen kaum eine Chance gegen die Telefongesellschaften.
Von Susanne Janssen
Regelmäßig sind Anwohner, die gegen einen Sendemast in ihrer Nachbarschaft geklagt hatten, vor dem Verwaltungsgericht gescheitert - wenn die Grenzwerte eingehalten werden und die Stadt Stuttgart eine Baugenehmigung erteilt hat, finden die Richter nichts an den Antennen auszusetzen. Aber auch in den raren Fällen, in denen die Stadt den Bau eines Antennenmasts verhindern will, haben die Telefongesellschaften gute Karten: Gestern hat die 5. Kammer die Stadt verpflichtet, eine Baugenehmigung für einen 20-Meter-Mast auf einem Plieninger Feld zu erteilen. Das Recht der Bürger auf telefonischen Empfang habe Vorrang vor einem möglichen Landschaftsschutz, so die Begründung.
Die Telefongesellschaft O 2 hatte angeführt, dass es Versorgungslücken im südöstlichen Bereich von Plieningen gebe. O 2 erklärte, zwölf Alternativstandorte geprüft zu haben, meistens auf Häuserdächern, aber alle Eigentümer hätten einen Mietvertrag mit der Telefongesellschaft abgelehnt. Die Plieninger sind gebrannte Kinder: Ein Bäcker im alten Ortskern, der seit einigen Jahren eine Antenne auf seinem Haus stehen hat, wurde durch Boykottaufrufe gemobbt.
Nur der Eigentümer des Feldes unterschrieb den Vertrag. Dort will O 2 nun einen 20 Meter hohen Betonmast mit 90 Zentimeter Durchmesser errichten. Die Stadt und das Regierungspräsidium hatten den im August 2006 gestellten Bauantrag mit der Begründung abgelehnt, dass die typische Ackerlandschaft dadurch verschandelt würde. Außerdem sei der Feldweg, der zu dem Standort führt, nur für landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben - darunter falle aber nicht der Bau und die Wartung einer Mobilfunkantenne. Die Verwaltung schlug als Alternative das Tanklager beim Flughafen vor, das lehnte die Telefongesellschaft ab: Von dort könne Plieningen nicht optimal versorgt werden.
Der Vorsitzende Richter Eckhard Proske verpflichtete nun die Stadt, die Baugenehmigung zu erteilen; eine Berufung gegen das Urteil ließ er nicht zu. Die Versorgung der Bevölkerung mit Mobilfunkempfang sei ein ausreichendes Interesse. Schädliche Umwelteinflüsse sah Proske nicht, "die Grenzwerte werden eingehalten". Und dann gebe es laut Bundesverfassungsgericht keine Bedenken gegen einen Antennenmast. Der Flächennutzungsplan sehe landwirtschaftliche Nutzung mit Ergänzungen vor. Die Kammer befand, dass neben Erholung und Freizeitaktivitäten auch eine Mobilfunkantenne darunter falle.
Die Stadt verteidigte ihre Ansicht, dass die Landschaft verunstaltet werde - zum Beispiel leide der Blick auf Plieningen mit dem idyllischen Kirchturm. Das war aber für die Richter kein Argument: Das "ästhetische Empfinden des Durchschnittsbetrachters" müsste massiv beeinträchtigt werden. Das sah die Kammer nicht, zumal sich auch Flughafen und Messe in der Nähe befinden.
Die Nachbarn, die zahlreich zur Verhandlung erschienen sind, führten noch an, dass der Feldweg ausdrücklich ein Erdweg bleiben müsse, da er als Ausgleichsfläche beim Bau der Messe angeführt wurde. Und in diesem Zustand sei er in Nässeperioden kaum befahrbar. Auch das ließ die Richter kalt: Die Stadt müsse eigentlich dafür sorgen, dass sich der Weg in einem guten Zustand befindet und ihn gegebenenfalls mit Schotter auffüllen. Der schlechte Zustand des Weges stehe keineswegs dem Bauvorhaben entgegen. "Ich wurde fast enteignet, damit ich mein Grundstück als Ausgleichsfläche verkaufe, und hier ist alles möglich", klagte ein Nachbar. Es werde mit zweierlei Maß gemessen.
Stuttgarter Zeitung 04.03.2009 , Seite 19
Erfolglos
Stadt unterliegt Mobilfunkfirma
In Sachen Mobilfunk hat die Stadt Stuttgart ein Problem: Die Antennengegner, die sich in zahlreichen Bürgerinitiativen zusammenschließen, werfen ihr vor, alle Sendemasten anstandslos zu genehmigen, ohne sich um die Gesundheit der Bürger zu kümmern. Wenn aber die Verwaltung einmal eine Antenne ablehnen will, klagt der Anbieter und erstreitet sich vor dem Verwaltungsgericht seine Genehmigung - im Übrigen gegen städtische Vertreter, die vor Gericht erschreckend wenig und ganz ohne Überzeugung für ihre Sache kämpfen.
Die Stadt befindet sich in einem Dilemma: Das Gesetz lässt keinen Spielraum, wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Auch der Schutz der Landschaftsschutz, wie im aktuellen Fall, zählt vor den Richtern offenbar nicht als Argument. Ende des vergangenen Jahres zog die Stadt ebenfalls den Kürzeren, als sie eine Antenne auf Gründerzeithäusern im Westen verhindern wollte: Dass hier eine Anlage die Stadtarchitektur störe, rief bei den Richtern ein müdes Lächeln hervor. Schließlich seien die Dächer mit Satellitenschüsseln gespickt.
Das Argument der Mobilfunkfirmen ist, dass sie die Bevölkerung nicht mehr mit Netzempfang versorgen können. Dabei spüren die Firmen die ambivalente Stimmung in der Bevölkerung sehr wohl: Alle wollen zwar mit dem Handy telefonieren, aber immer weniger Menschen sind bereit, ihr Dach oder ihren Acker für eine Antenne zur Verfügung zu stellen; denn sie haben Bedenken wegen der Strahlung oder fürchten Mobbing der Nachbarn. Auch der Eigentümer des Plieninger Grundstücks will aus dem Vertrag aussteigen, was ihm aber kaum gelingen dürfte. Die Mobilfunkfirmen sichern sich gut ab.
Die Folge dieser überaus verhärteten Fronten ist in diesem Falle, dass Plieningen künftig mit einem hässlichen 20- Meter-Mast auf dem Feld leben muss. Der lachende Gewinner der allermeisten Auseinandersetzungen sind die Mobilfunkfirmen
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caro,
04.03.2009, 10:35
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KlaKla,
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