Schweinfurt: UMTS-Sender soll kassiert werden
Schweinfurt:
Stadtrat setzt Zeichen gegen Mobilfunkanlage am Bergl
Erstmals hat der Schweinfurter Stadtrat heute mehrheitlich eine nachträgliche Befreiung vom Bebauungsplan für eine Mobilfunkanlage abgelehnt. Und damit auch rechtliche Folgen in Kauf genommen. Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser will den Beschluss, der die UMTS-Sendeanlagen auf dem 55 Meter hohen Stadtwerketurm an der Wohnscheibe betrifft, "kassieren": "Nach der Gemeindeordnung bin ich hierzu verpflichtet, da unsere Juristen abweichender Meinung sind". Es wird dann eine rechtliche Überprüfung geben. Der Stadt droht eventuell eine Schadensersatzklage durch den Anlagenbetreiber "DFMG Deutsche Funkturm GmbH", auf die es die Mehrheit der Stadträte jedoch ankommen lassen will. SPD-Stadtrat Rainer Wichtermann: "Genehmigen wir die Anlage, klagt vermutlich ein Bürger. Genehmigen wir sie nicht, klagt der Betreiber. Da ist doch klar, auf wessen Seite wir stehen..."
Wichtermann hatte wie die übrigen SPD-Stadträte, die Vertreter von Schweinfurter Liste und Pro Schweinfurt, die Republikaner und die FBU unter dem Einreicher des Überprüfungsantrags, Dr. Kurt Vogel, gegen die nachträgliche Sanktionierung des "Funkanlagenschwarzbaus" (Vogel über die UMTS-Sender am Mast) gestimmt. Die CSU war wie der Grüne Dr. Erich Ruppert und FDP-Mann Wiederer für eine Befreiung vom Bebauungsplan; dies hatte im Übrigen auch die Verwaltung um den zuständigen Referenten Jürgen Montag und OB Grieser empfohlen. Der Abstimmung (Ergebnis 19:23) vorausgegangen war eine rund 80-minütige Debatte über den Sinn des städtischen Mobilfunkkonzeptes, das bei dieser und einer weiteren Anlage an der Eselshöhe für den Bürger schwer nachvollziehbare Ausnahmen macht. Denn zwischen den Sendeanlagen und den am nächsten gelegenen Wohnungen liegen weniger als 30 Meter - diese Entfernung hatte man im Mobilfunkkonzept aber festgeschrieben. Und dieses Konzept war seinerzeit zwischen dem städtischen Umweltreferat und den Mobilfunkbetreibern verbindlich vereinbart worden.
Allerdings will Referent Jürgen Montag schon damals auf die beiden existierenden Problemfälle hingewiesen haben. Der Stadtrat habe sie bei der Abstimmung "wissentlich in Kauf genommen". Dr. Erich Ruppert (Grüne) befürchtete denn auch, dass man mit der Ablehnung der Sendeanlagen am Bergl den Bürgern womöglich einen Bärendienst erwiesen hat: Es stehe zu befürchten, "dass sich jetzt niemand mehr an unser Konzept hält und die Betreiber ihre nicht genehmigungspflichtigen Anlagen errichten, wo immer sie wollen". Rupperts Vorwurf an die SPD: "Es geht Ihnen in dieser Frage nicht um die Bürger, sondern um die Zuneigung der Bürger". Dies wies Dr. Herbert Wiener seitens der SPD zurück und strich die Verantwortung der Stadt heraus, sich in ungeklärten Rechtsfragen schützend vor ihre Bürger zu stellen. FBU-Mann Vogel warf baurechtliche Argumente gegen die Anlage in die Waagschale, die allerdings laut Referent Jürgen Mainka einer Überprüfung nicht standhielten.
Nach der heutigen Entscheidung wird in einer künftigen Sitzung wohl auch der nachträgliche Bauantrag für die Anlage in der Walter-von-der-Vogelweide-Straße (Eselshöhe) nicht durchgehen. Im Stadtrat hat sich eine Grundsatzstimmung für die gegen Mobilfunkmasten in Wohnbereichen kämpfenden Bürger breit gemacht, die SWL-Sprecher Karlheinz Müller am besten zusammenfasste: "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Interessen der Mobilfunkkonzerne gegenüber unseren Bürgern zu vertreten". Ein Häuflein Betroffener Bürger vom Bergl hatte die Debatte auf der Besuchertribüne aufmerksam verfolgt und feierte die Entscheidung anschließend im Rathausinnenhof. Heute wurde ein Stein ins rollen gebracht...
Mittwoch, 28.7.2004