Nichtlineare Systeme (Forschung)

Sparco, Samstag, 22.11.2008, 22:55 (vor 5843 Tagen)

Als interessanter Denkansatz hier einige Passagen aus der „Biophysik des Gehörs“ (sehr informativ, die beiden Dokumente), denn auch hier hat man es (analog zur Biophysik bzgl. EMF) mit nichtlinearen Systemen zu tun.

Aus Teil 1: http://pluslucis.univie.ac.at/material/Euler/Teil1.pdf

„Das Ohr ist kein passiver Empfänger, der nur zum Mitschwingen angeregt wird, sondern es erzeugt selbst aktive Schwingungen.
Mit der Aktivität gehen Nichtlinearitäten einher, die zu neuen, überraschenden, jedoch überaus sinnvollen Systemeigenschaften führen....
Zwischen dem berühmten eben hörbaren Fall einer Stecknadel und dem ohrenbetäubenden Start eines Düsenflugzeugs liegen rund zwölf Größenordnungen der Energie...
Nichtlineare Systeme funktionieren oft anders als es die an weitgehend linearen Systemen orientierte Schulphysik lehrt. Sie haben ein breites Repertoire von Entwicklungsmöglichkeiten, das periodisches, quasi-periodisches und scheinbar irreguläres, chaotisches Verhalten umfasst...

Teil 2: http://pluslucis.univie.ac.at/material/Euler/Teil2.pdf
„...In nichtlinearen Systemen kann eine Überlagerung von einem schwachen Signal mit Rauschen etwas Neues und Sinnvolles bewirken:
Das Signal wird verstärkt....
In den nichtlinearen dynamischen Abläufen, welche die äußeren Schallsignale intern verarbeiten, entsteht sozusagen eine Mathematik, in der natürliche Zahlen eine besondere Rolle spielen. Die nichtlineare Wechselwirkung erzeugt je nach Frequenzverhältnis der Signale Muster unterschiedlicher Komplexität. Wirken zwei Töne gleichzeitig auf das Gehör ein, so passen die zugehörigen mechanischen Erregungsmuster um so besser aufeinander, wenn ihre Frequenzen f1 und f2 im Verhältnis möglichst kleiner ganzer Zahlen m und n stehen: f1/f2 = m/n

...“


Gruß
Sparco

Nichtlineare Systeme

Kuddel, Sonntag, 23.11.2008, 00:57 (vor 5843 Tagen) @ Sparco

Als interessanter Denkansatz hier einige Passagen aus der „Biophysik des Gehörs“ (sehr informativ, die beiden Dokumente)...

Danke, das ist wirklich ein sehr interessanter Artikel.
Mir war bisher nicht bekannt, daß das Ohr seine Empfindlichkeit und Dynamik einem Prinzip ähnlich einem Superregenerativ-Empfänger verdankt.

...denn auch hier hat man es (analog zur Biophysik bzgl. EMF) mit nichtlinearen Systemen zu tun.

Sie sehen es offenbar Tatsache an, daß EMF in der Biophysik auf nichtlineare Effekte trifft ?!?
Könnten Sie begründen, worauf Sie diese Aussage stützen ?

In der Analogie zu der im Artikel beschriebenen Funktionsweise des Gehörs würde es m.M.n. erfordern, daß es irgendwo in der "Biophysik" ebenfalls mit Nervenzellen gekoppelte Oszillatoren/Resonatoren für sämtliche funktechnisch verwendete (Mobilfunk)Frequenzen gibt...

K

Nichtlineare Systeme

Sparco, Sonntag, 23.11.2008, 22:28 (vor 5842 Tagen) @ Kuddel

Hallo,
unsere Sinne arbeiten im allgem. logarithmisch (Log. Kennlinie)

Z.B. http://www.bionline.info/kursstufe/ner/arbeitsbl%E4tter/Reizaufnahme%20durch%20Rezeptorzelle.doc

„…Die meisten Rezeptoren übersetzen die Reizintensität logarithmisch in die Amplitude des Rezeptorpotenzials, d.h. bei 100facher Reizstärke wird die Amplitude nur verdoppelt! Da die Übersetzung der Amplitude des Rezeptorpotenzials in eine bestimmte Impulsfrequenz linear erfolgt, gilt: Die Impulsfrequenz ist ungefähr proportional zum Logarithmus der Reizintensität….“

Hören: Das Hör-System ist ein nichtlineares, es „agiert“ logarithmisch.

Sehen: Siehe „Gammakorrektur“ http://de.wikipedia.org/wiki/Gammakorrektur
„…Eine Gammakorrektur wird in abbildenden Systemen benötigt, um das nichtlineare Helligkeitsempfinden des menschlichen Auges zu kompensieren. Das Auge reagiert beim Anstieg auf eine doppelte Helligkeit im physikalischen Sinne nicht zwangsläufig mit einer Verdopplung der Helligkeitsempfindung. Die empfundene Helligkeit H steigt in dunklen Bereichen steiler und in hellen weniger steil an. ...Die Intensitätswahrnehmung des menschlichen Sehens ist nicht linear.

Raumzeitliche Strukturen bei Ionenkanälen in Biomembranen
„…Ionenkanäle sind verantwortlich für den Fluss von Ionen durch Zellmembranen und somit u.a. unentbehrlich für die Weiterleitung von Signalen entlang von Nervenzellen. Die Dynamik von zwei unterschiedlichen, miteinander wechselwirkenden Ionenkanalpopulationen bildet ein erstes Beispiel für eine neue Klasse von nichtlinearen Strukturbildungsprozessen. Die Ionenkanalproteine sind eingebettet in eine flache Biomembran, z. B. in der Nähe eines synaptischen Spaltes, und zusätzlich einem Gradienten in der Ionendichte ausgesetzt.
http://www.kfa-juelich.de/nic/Publikationen/Broschuere/sonstiges-d.html

Außerdem: http://books.google.de/books?id=wDAcgMPuSQ0C&printsec=frontcover&dq=Biomedizinische+Zeitreihen+und+nichtlineare+Dynamik (z.B. auf Seite 4)
„… Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass das menschliche Gehirn ein nichtlineares System darstellt, denn nur als solches kann es konstruktiv und bedeutungsbildend aktiv werden. Auf welchen Ebenen und in welchen Funktionsbereichen die Nichtlinearitäten aber ins Spiel kommen, ist nicht vollständig geklärt…“

Thema EEG:
Nonlinear Changes in Brain Electrical Activity Due to Cell Phone Radiation http://www.hese-project.org/de/emf/WissenschaftForschung/Marino_Ph.D.%20J.D._Andrew%20A./Nonlinear%20Changes%20in%20Brain%20Electrical%20Activity%20Due%20to%20Cell%20Phone%20Radiation.pdf
"…We previously pointed out that the pattern of positive and negative reports is pervasive throughout all of EMF biology, as evidenced by the fact that no specific putative EMF induced bioeffect has been conclusively proved or disproved [Marino et al., 2001].We addressed the problem and concluded that, at least in the context of effects on the immune system, the pattern exhibited by the EMF reports could be understood as resulting from the use of linear methods to analyze activity governed by nonlinear laws. It occurred to us that a similar mismatch between the dynamical activity of the system and the method used to analyze it might account for the lack of consensus regarding the effects of cell phone fields on the electroencephalogram (EEG).
The previous reports were mostly based on use of the Fourier transform to ascertain and compare the frequency components of the EEG. A major difficulty with the method of spectral analysis is that it averages away dynamical changes that might have occurred during part of the period for which the transform was calculated and replaces them with fictional frequencies, amplitudes, and phases that are assumed constant throughout the period. Field induced changes may or may not survive the averaging process. Consequently, when frequencies or bands of frequencies are compared, true differences may go unrecognized. For example, low dimensional chaotic systems can differ even though their spectra are identical [Theiler et al., 1992].
It has been shown recently that the EEG is generated, at least in part, by low dimensional chaotic sources [Babloyantz and Destexhe, 1986; Krystal et al., 1996; Theiler and Rapp, 1996; Micheloyannis et al., 1998; Fell et al., 2000]. It is possible, therefore, that the choice of a linear method to analyze the effect of cell phone fields on brain electrical activity caused some positive studies to appear negative.
Because theEEGis partly nonlinear (generated by a system governed by nonlinear differential equations), it is reasonable to consider the possibility that the effects of fields on theEEG might also be partly nonlinear.
If so, methods more sensitive than spectral analysis could be useful for detecting changes due to the cell phone radiation…"
Siehe auch http://www.fgf.de/forschungsprojekte/berichte/studienmensch/ID_151_Aldenhoff_I_Biol_2000_de.pdf
Oder http://www.emf-portal.de/viewer.php?aid=14945&sid=c352f14fe893d3d28041c5de6db008fa&sform=1&pag_idx=10&l=g

Last but not least:
Im Gegensatz zur HF-Diode mit anschl. Verstärkung beschreibt - technisch betrachtet und m.E. - ein sog. logarithmischer Verstärker sehr gut das Verhalten.
„…However, introducing a log amp involves another compromise, since any small difference in the log amp's input voltage is transferred to its output, amplified by a factor which depends on the input voltage. This is due to the fact that the gain of a log amp varies as a non-linear, logarithmic function of the input voltage. This problem is particularly noticeable for small input voltages, since the slope of the logarithmic gain curve is particularly steep at the low end of the input voltage range…"

[image]
http://www.analog.com/library/analogDialogue/archives/33-03/ask28/index.html


So, das war’s erst mal, bevor ich mich noch seitenlang hier auslasse….

Guten Wochenstart wünscht
Sparco

Tags:
, nichtlinear, Nichtlinearität

Nichtlineare Systeme

Thomas, Montag, 24.11.2008, 02:49 (vor 5842 Tagen) @ Sparco

Sparco, Sparco,
respoeoeckt respoeoeckt für Ihren Text,

ich frag mich nur da Sie ja auf bekanntes "hinlinken", wieso dann weiterhin ungehindert und gebremst, immer noch mehr Funkbelastung auf die Menschheit losgelassen wird?

So, das war’s erst mal, bevor ich mich noch seitenlang hier auslasse….

Also, ich hätte nix dagegen wenn Sie von Zeit zu zeit weitere, seitenlange Ausslassungen hier einstellen ... :yes:

Guten Wochenstart wünscht
Sparco

Ebenso und gleichfalls,
Thomas

Nichtlineare Systeme

Kuddel, Dienstag, 25.11.2008, 23:28 (vor 5840 Tagen) @ Sparco

Hallo,

Danke für die sehr interessanten Artikel. Irgendwie ist mir aber immer noch nicht klar, worauf Sie hinauswollen.

Zweifelsohne gibt es zahlreiche (langsame) nichtlineare Zusammenhänge (nicht nur) im Körper, welche z.B. mechanischen (Iris, Gehörknöchelchen) auf chemischen und vergleichsweise langsamen elektrochemischen Prozessen beruhen. Elektrische Reizleitung spielt sich im Millisekunden-Bereich ab.

In ihren Beispielen zeigt sich, daß speziell der Logarithmus es Ihnen angetan hat. Warum ?
Der Logarithmus hat immerhin einen Vorteil: Es ist eine monotone Funktion, d.h. mehr Input ergibt mehr Output...

Um nocheinmal den Bogen zu (hochfrequenten) elektromagnetischen Feldern zu ziehen, bzw Ihrer Aussage:
...denn auch hier hat man es (analog zur Biophysik bzgl. EMF) mit nichtlinearen Systemen zu tun.

Hier hätte ich nun Beispiele von nichtlinearen Funktionen im Zusammenhang mit elektrischen oder magnetischen Feldern, Spannungen oder Strömen erwartet. Geht es um Demodulation oder warum referieren Sie hier so ausführlich über "nichtlineare Systeme" ?

Sinnesorgane sind hoch spezialisiert und entsprechend komplex, mit vielen Nervenzellen ausgestattet.
Mit keinem anderen Körperteil als dem Auge kann man Licht wahrnehmen.
Mit keinem anderen Körperteil als dem Ohr kann man Schall wahrnehmen.

Mit welchem Organ nehmen wir Ihrer Meinung nach EMF Felder (im Gigaherz Bereich) wahr, und wozu hat sollte die Evolution dieses entwickelt haben, wo in diesem Bereich eigentlich keine irgendwie verwertbare "natürliche Strahlung" für eine Sinneswahrnehmung existiert ?

Unter Last but not least schreiben Sie:
Im Gegensatz zur HF-Diode mit anschl. Verstärkung beschreibt - technisch betrachtet und m.E. - ein sog. logarithmischer Verstärker sehr gut das Verhalten.

Was meinen Sie mit "Das Verhalten" ?

EEG Effekte

Kuddel, Dienstag, 25.11.2008, 23:41 (vor 5840 Tagen) @ Sparco
bearbeitet von Kuddel, Mittwoch, 26.11.2008, 00:08

Hier noch ein paar Bemerkungen zu der von Ihnen zitierten EEG-Studie, in welcher die armen Kaninchen im Namen der Wissenschaft geopfert wurden:

Bezüglich solcher EEG Ergebnisse bin ich immer noch sehr skeptisch.
Die Empfindlichkeit der Meßanordung beträgt laut Artikeltext 100nV. Daneben werden die Elektroden mit EMF von einigen Volt beaufschlagt. Die extrem schwachen EEG Signale werden durch Halbleiterverstärker "aufgepeppt", vermutlich mit Verstärkungen in der Größenordnung von 100dB (>100000 fach).
Eine Demodulation von Mobilfunkstrahlung im EEG-Verstärker dürfte kaum komplett zu vermeiden sein und die Größe von 100nV um ein Vielfaches überschreiten, insbesondere weil solche Elektroden und EEG Verstärker vermutlich überhaupt nicht für solche EMF- Beaufschlagung ausgelegt sind.

Hier stellt sich z.B. die Frage, ob nicht sogar Mischvorgänge im EEG Verstärker stattfinden, d.h. EEG Frequenzen aus nicht betrachteten Frequenzbereichen mischen sich mit der Pulsfrequenz des Mobiltelefons in den untersuchten Frequenzbereich (z.B. Gamma Wellen werden durch Mischung mit 217 Hz zu Theta Wellen).

Hinzu kommen evtl. Effekte, wie Aliasing in den AD-Wandlern, welche zu weiteren Mischprodukten führen können (z.B. Harmonische von 217Hz mit Abtastrate)
Zeitliche Verzögerungen der Ergebnisse in der Größenordnung 100..300mS sind z.B. durch die Gruppenlaufzeit der Tiefpaßfilter (Grenzfrequenz 10..30 Hz ) erklärbar, oder durch Umladevörgänge könnte sich der Arbeitspunkt des EEG-Verstärkers im Pulstakt der EMF verschieben so daß weitere (Umlade-) Zeikonstanten ins Spiel kommen.

Wenn das Mobiltelefon mit DTX arbeitet, könnten auch direkt Pulsfrequenzen im untersuchten Alpha/Theata Band durch HF-Demodulation entstehen.

Die Fehlerquellen sind vielfältigst.

Ferner ist mir keine halbwegs seriös erscheinende EEG Studie bekannt, welche Effekte bei schwachen HF-Feldern (z.b. <100mW/kg) gezeigt hat, bzw Feldern, welche nicht doch (schwache) thermische Effekte hervorrufen könnten.

Wenn die EMF "logarithmisch" vom Körper detektiert würde, müßten die EEG Effekte ebenso noch bei viel schwächeren Signalen feststellbar sein ?!?

In dem Artikel steht aber, daß eine Verschiebung der Antenne um einige cm Richtung Körpermitte des Kaninchens die EEG Effekte verschwinden ließ.
Ist das so, weil die Mobilfunkwellen das Gehirn beeinflussen, oder weil weniger EMF in die am Kopf angebrachten Elektroden bzw in den EEG Verstärker eingekoppelt wird ?

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