Umstrittene Strategie (Allgemein)

Doris @, Montag, 25.02.2008, 17:12 (vor 5932 Tagen)

Umstrittene Strategie
Bürgerinitiative "Risiko Mobilfunk" sorgt für Furore im Gemeinderat

Das Thema Mobilfunk erhitzt die Gaildorfer Gemüter immer mehr. Neuerdings sind es jedoch nicht nur Sachfragen, die für Aufregung sorgen. Auch das Auftreten der Bürgerinitiative ist umstritten.

Die Angst in der Bevölkerung vor einer Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk wächst. Deshalb warnt die Bürgerinitiative vor weiteren Sendeanlagen - zurecht sagen die einen, andere wiederum stört die Art und Weise, wie sie das tut.
Gaildorf Die Bürgerfragestunde des Gaildorfer Gemeinderats ist am Mittwochabend erneut zum Forum der Bürgerinitiative (BI) "Risiko Mobilfunk" geworden. BI-Vorsitzender Bernhard Geißler ließ Stadtverwaltung und Ratsmitglieder wissen, man wolle fortan den Sitzungsbeginn dazu nutzen, um über Aktuelles zum Thema Mobilfunk zu informieren und für die Risiken, die diese Technologie in sich berge, ein Bewusstsein zu schaffen.

Geißler, ehemaliger SPD-Stadtrat, beruft sich dabei auf die Geschäftsordnung des Gremiums. Was CDU-Fraktionschef Rainer Baumann auf den Plan rief: Der wünscht sich seitens der Stadtverwaltung eine Klärung der Frage, ob durch die Strategie der BI nicht das Fragerecht missbraucht werde.

Baumann hatte zuvor berichtet, dass ihn kürzlich zwei Mal BI-Mitglieder zu Hause aufgesucht hätten - freitag- und sonntagabends, um ihn in eine Diskussion zum Thema zu verwickeln. Im Wiederholungsfall überlege er sich juristische Schritte dagegen, um seine Privatsphäre zu schützen. Wenn er Angst haben müsse, seine eigene Meinung zu sagen, dann sei das eine "Gesinnungsdiktatur".

Reaktionen aus den Reihen der BI ließen Bürgermeister Ralf Eggert mit dem Kopf schütteln: "Sie hören ihm nicht zu. Nur ein hämisches Lachen. Das ist bitter." Er frage sich ernsthaft: "Wie sollen wir zusammenarbeiten, wenn sie Fakten ignorieren!" Etwa solche: Ob weitere Mobilfunkmasten nötig seien, entscheide nicht die Stadt, sondern der Betreiber, der Gewerbefreiheit genieße, beantwortete er eine BI-Anfrage. Es sei unsinnig zu glauben, dass Funkmasten abgebaut würden, die eine Kommune ablehne. Was die BI wiederum bezweifelt.

Eggert bekräftigte erneut die Haltung des Gemeinderats: Weigere man sich, in freier Landschaft ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, dann kämen die Betreiber und bauten ihre Masten in die Siedlungen. "Wir können Masten nicht grundsätzlich verhindern", so Eggert mit dem Hinweis auf die rechtliche Situation. Und er erinnerte: "Was haben wir gerungen, um den Masten aus der ARWA-Siedlung herauszubekommen!" Er ziehe jede sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit einer fanatischen Haltung vor. Eggert: "Wir haben Sie ja verstanden, aber Sie schießen übers Ziel hinaus". Es sei nicht gut, wenn ständig versucht werde, den Gemeinderat mürbe zu machen.

CDU-Stadtrat Tilmann Leidig war diese Aussage zu wenig: "Ich bin mir meiner Verantwortung als Stadtrat bewusst", betonte er und plädierte dafür, die Diskussion an- und die Hinweise der BI auf Gemeinden, die den Mobilfunk strikt ablehnen, ernst zu zunehmen: "Andere sind uns um Nasenlängen voraus - mit Erfolg." Und, so Leidig, "wäre damals niemand aufgestanden, hätten wir die DDR heute noch".

Hans Keit (SPD) sah dies völlig anders: Der Gemeinderat habe sich immer klar geäußert. Jeder habe es inzwischen auch verstanden, was die BI wolle "und was wir tun können". Im übrigen gebe es noch viele andere brennende Probleme, um die man sich kümmern sollte, etwa das Krankenhaus oder die Feinstaubbelastung. Beim Thema Mobilfunk jedenfalls "lassen wir uns als Gemeinderat nicht drängen, gegen Gesetze zu verstoßen".

FWV-Stadtrat Hans-Joachim Ulmer mahnte in seinem Fazit an die Rückkehr zur Diplomatie und plädierte generell für einen "sinnvolleren" Umgang mit der Mobilfunktechnologie - beispielsweise das Handy nur dann zu nutzen, wenn es wirklich nötig sei. Insofern seien die entscheidenden Ansprechpartner der BI alle Bürger.

Ebenfalls sehr interessant, der Kommentar zu dem Zeitungsartikel
KOMMENTAR: Ungeheure Verantwortung
Viele Menschen in Gaildorf sind in berechtigter Sorge wegen möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch den Mobilfunk. Eben dieser Sorgen nimmt sich lobenswerter Weise eine Bürgerinitiative an.

Diese BI will den Bau weiterer Sendemasten verhindern. Auch das ist eine legitime Zielsetzung. Wie die BI das anstellt, stößt in jüngster Zeit aber zunehmend auf Kritik. Stadträte - auch solche, die ebenfalls keine weiteren Masten haben möchten - fühlen sich von einzelnen BI-Mitgliedern unter Druck gesetzt, weil sie sich mit deren Strategie nicht anfreunden können.

Das Klima der öffentlichen Debatte ist gereizt, die dringend notwendige Zusammenarbeit im kommunalpolitischen und gesetzlichen Rahmen gefährdet. Auch die von der BI zum Forum umfunktionierte Bürgerfragestunden zu Beginn der jüngsten Gemeinderatssitzungen waren nicht dazu angetan, das hochbrisante Thema zu versachlichen.

Spätestens seit den Protesten gegen Atomkraft oder Pershing-Raketen vor mehr als 20 Jahren muss eine BI wissen: Wer die Ängste weiter Teile der Bevölkerung moderiert, auf dem lastet eine ungeheuer große Verantwortung, der operiert mit dem Vertrauensvorschuss von Menschen, die sich um ihre Gesundheit sorgen. Diesen wäre mit zwischen Gemeinderat und BI aufgerissenen Gräben nicht geholfen - weil sich darüber lachende Dritte die Hände reiben könnten: Mobilfunkkonzerne!

Quelle: Südwest-Presse (Kommentar)
Südwest-Presse (Umstrittene Strategie)

Tags:
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Umstrittene Strategie

Karl, Mittwoch, 27.02.2008, 08:40 (vor 5930 Tagen) @ Doris

Baumann hatte zuvor berichtet, dass ihn kürzlich zwei Mal BI-Mitglieder zu Hause aufgesucht hätten - freitag- und sonntagabends, um ihn in eine Diskussion zum Thema zu verwickeln. Im Wiederholungsfall überlege er sich juristische Schritte dagegen, um seine Privatsphäre zu schützen. Wenn er Angst haben müsse, seine eigene Meinung zu sagen, dann sei das eine "Gesinnungsdiktatur".

Sie machen Angst, sodass man ihnen juristische Schritte androhen muss um sie auf Abstand zu halten. :no:

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