Realos brauchen keine Fundis (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 13.05.2007, 00:51 (vor 6164 Tagen) @ AnKa

In diesem Beitrag wird beklagt, daß die "Realo"-Seite unter den Mobilfunkgegnern nicht genügend Berücksichtigung in der öffentlichen Berichterstattung erfährt - und stattdessen immer wieder die Panikgeschichten der Mobilfunkgegner-Fundamentalisten die Schlagzeilen in den zeitungen bestimmen.

Beklagt? Ich sehe das eher als Feststellung, dass der Dworschak auf einem Auge blind ist.

Die Krokodilstränen über das Leiden der kritisch-vernünftigen "Realos" unter den eifernden Paniküberfällen der "Fundis" erscheinen mir ein bißchen scheinheilig.

Schon wieder eine Unterstellung: Leiden der Realos. Was mich angeht: Ich leide nicht unter schrägen Aktionen der Fundis und habe auch nicht den Eindruck, dass andere Realos darunter leiden. Leiden hat so was von passivem Erdulden an sich. Wir gehen eher offensiv auf die Fundis los, wenn die (unserer Meinung nach) mal wieder Mist gebaut haben.

Ich behaupte, daß die "Realos" mit ihrer moderaten Form der Mobilfunkskepsis nirgendwo irgendeine wahrnehmbare gesellschaftliche Resonanz erzeugen würden, wären da nicht die eifernden Panikfraktions-Marktschreier, die mit ihren Geschichten von den "Elektrosensiblen", den angeblich infolge des Mobilfunk Erkrankten, mit ihren Behauptungen von Krebs- und anderen Clustern das Thema erst so richtig unters Volk bringen.

Muss denn jeder im Zeitalter der Casting-Shows mediengeil sein? Was ist denn für Realos so dankenswert an der wahrnehmbaren gesellschaftlichen Resonanz auf die Fundi-Aufklärung? Aus meiner Sicht sehe ich nach 15 Jahren Mobilfunkkritik im wesentlichen folgende Resonanz: Praktisch jeder, inkl. Kritiker hat ein Handy. Die Kritiker haben es also nicht einmal ansatzweise geschafft, Handys den Hut des Negativimage aufzusetzen. Das ist nur bei den Masten gelungen. Dennoch sind die Netze engmaschig, wenn mal ein Mast verhindert wird, steht er in aller Regel ein paar hundert Meter weiter später dann doch. Bleiben die ES, deren öffentliche Wahrnehmung freilich eine einzige Katastrophe ist. Was bitte, Anka, soll an dieser von den Fundis erreichten gesellschaftlichen Resonanz nun für uns Realos vorteilhaft sein? Ist das etwa ein Sprungbrett zu Höherem? Wie Sie wissen kommt die "träge" Masse (Bevölkerung) in Schwingung, wenn ein Schwingerreger auf sie einwirkt. Schwingt der auf der richtigen Resonanzfrequenz, genügt schon wenig Energie (Aufwand), um beachtliche Ausschläge zu erzielen. Aus meiner Sicht liegen die Fundis viel zu weit neben der gesellschaftlichen Resonanz(frequenz), um tatsächlich etwas ins Schwingen zu bringen. Der Grund: Je unwahrscheinlicher die Behauptungen der Fundis sind und je mehr sie sich von der Lebenserfahrung der Bevölkerung entfernen, desto besser und plausibler müssten die Fundis ihre Behauptungen begründen. Genau da aber versagen die Fundis. Anders gesagt: Wo die Fundis aufhören, fangen die Realos erst an. Allein mit der bürgernahen "Übersetzung" von Forschungsarbeiten ließe sich eine Menge "ehrlicher" Argumente an den Mann (und die Frau) bringen, ganz ohne künstlich aufgeblasene Dramatik, ohne Lügen und wilde haltlose Vermutungen.

Das Geschäft mit der Angst, das die Fundamentalisten betreiben, erzeugt nämlich erst die Aufmerksamkeit, auf die schliesslich auch die "Realos" bauen können. Denn, Hand aufs Herz: ohne die Erkrankungsgeschichten der "Fundis" wäre das Thema doch schlichtweg tot.

Nein, das Thema wäre nicht tot, es würde lediglich auf etwas kleinerer Flamme gekocht - nur wäre im Gegensatz zu jetzt wenigstens Wasser im Topf und nicht bloß heiße Luft. Für altgediente Realos gilt diese Metapher selbstredend nicht, Neitzke und einige andere haben schon immer Wasser im Topf gehabt.

Sehen wir es also einfach mal realistisch: Die "Realos" sind den "Fundis" zu Dank verpflichtet. Irgendwer muss schliesslich die Kärrnerarbeit verrichten, damit hernach der Platz für den Feingeist geschaffen ist.

Für Realos gibt es keinen Platz, Realos sind in aller Regel selbstzerstörend. Denn wer aufwacht verlässt im allgemeinen die Bildfläche, nur ganz wenige bleiben aktiv - aus welchen Motiven auch immer heraus. Ich kann mir allerdings kein Motiv denken, bei dem Realos den Fundis zu Dank verpflichtet wären - ich z.B. sehe mich gegenwärtig ohne Wenn & Aber zum Undank verpflichtet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Panik, Angstschürer, Realität, Dramatik, Fundamentalisten


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