Anhörung der Grünen / Bündnis 90 in Bremen (Allgemein)
Absprung war hier.
Gestern (11. März 2013) fand in Bremen eine öffentliche Anhörung zum Thema "Umweltauswirkungen elektromagnetischer Felder" statt, organisiert von "Bündnis 90 / Die Grünen". Der Text der Einladung war erfrischend differenziert, die Moderation durch Dr. Maike Schaefer professionell und freundlich. Es waren ca. 50, höchstens 60 Leute da.
Zuerst sprach Prof. Kiefer. Sein Referat war auch für Laien verständlich und durchaus kritisch (Langzeit-Effekte noch nicht abschätzbar, Leukämie bei Kindern und 50 Hz Magnetfelder, etc.), insgesamt jedoch im Ergebnis so, dass es derzeit keinen Grund gibt anzunehmen, Mobilfunk sei gesundheitsschädlich.
Dann kam die im Ursprungsposting genannte Baubiologin Frau Brigitte Becker. Ihr Referat leitete sie mit einem kleinen Späßli ein (irgendwo habe ich das schon mal in einem Video gesehen). Einen Sensor hielt sie an eine Verlängerungsschnur, ein Lämpchen leuchtete ("Können Sie es alle sehen?"). Nachweis elektrischer Felder. Dann bat sie Jörn Gutbier (ja, der war auch da, als Vertretung von Frau Moosmaier), selbige Schnur zu halten, am anderen Ende (Gutbiers) leuchtete das Lämpchen. Gutbier lies das Kabel los, das Lämpchen erlosch. Das "Experiment" hatte zwar überhaupt nichts mit dem Thema des Abends zu tun (Magnetfelder bzw. EMF), aber das störte niemanden, weil es vermutlich niemand verstand. Der Effekt war jedenfalls "überzeugend": Der Mensch ist ein elektrisches Wesen! Beifall! Und dann die Aussage (sinngemäß): Die "ganz kleinen Felder im Organismus werden durch die elektromagnetischen Felder gestört". Wobei natürlich der entscheidende Unterschied zwischen Spannung an Nervenzellen (max. 100 mV) und Feldstärke (ca. 100 V/m durch externe EMF gegenüber 100 kV/m an Nervenzellen) niemandem auffiel. Die lange Liste von Krankheiten, die laut der Baubiologin auf Elektrosmog zurückzuführen sei („das ist längst nicht alles!“) müsste eigentlich dazu führen, dass es ein verbreitetes Siechtum überall in der Welt gibt. Frau Becker verdient übrigens an dem Thema durch Messungen: http://www.baubiologie-becker.de/impressum.html.
Lektion 1: Blende! Im Nachleuchten kannst Du alles unterbringen, wie falsch es auch sein mag.
Herr Dr. Müller (Bremen) referierte über Vorsorgemaßnahmen etc. Ein interessanter Exkurs in Sachen Wissenschaft und Tagespolitik.
Herr Gutbier machte seine Sache sehr gut. Er trug sehr eloquent vor, tat so, als ob höchst strittige Themen eben nicht strittig seien (hier helfen horizontale Balkengrafiken ganz entscheidend!) und überforderte das Publikum gnadenlos. Nur: Das fiel nicht weiter ins Gewicht. Alles, was er sagte, wurde irgendwie goutiert. Beispiel: Nachweis, dass genotoxische Effekte gesichert seien (dunkelste Farbe in der Folie). Der Abgang war übrigens spektakulär. Rhetorisch kann man was von dem Mann lernen!
Lektion 2: Werfe mit Informationen nur so um Dich, auch wenn sie nicht stimmen. Irgendwas bleibt immer hängen.
Der interessanteste Vortrag (für mich) kam von Tom Lecke-Lopatta (Bremen). Er ist die Anlaufstelle für BürgerInnen, wenn es um Mobilfunk geht. Er führte aus, dass er nach vielen Jahren Erfahrung sagen könne, dass es keinen Zusammenhang gebe zwischen dem Wohnort der Besorgten und dem Standort der unter Verdacht stehenden Basisstationen. Murren im Saal. Dann sagte er noch so Dinge wie die, dass Handys die Hauptquelle für Immissionen sind, die Anzahl der Basisstationen die Immission vermindere, und (da wurde geschimpft) es einen "Nocebo-Effekt" gebe. Dabei hat der Mann völlig Recht!
Lektion 3: Nicht jeder, der die Wahrheit ausspricht, hat auch die besten Karten.
Auf dem Podium war dann noch Prof. Pekrun (ltd. Oberarzt der Kinderklinik Bremen), der aber nichts Wesentliches zum Thema beitrug.
Die anschließende Diskussion war streckenweise erschütternd. Da wurde von „stehenden Skalarwellen“ gefaselt, wurden Behörden angeprangert, die es erlauben, dass im Abstand von 200 Meter von einer Schule eine Basisstation errichtet wird und so weiter. Eine Dame brach in Tränen aus wegen ihrer Elektrosensibilität. Richtig bedrohlich wurde es, als eine Juristin (!) meinte, Polizei und Staatsanwaltschaft müssten aktiviert werden, um Zwangsbestrahlungen, z.B. durch Nachbarn zu bekämpfen.