Dariusz Leszczynski und James Lin erhöhen Druck auf Icnirp (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 15.04.2021, 18:21 (vor 1123 Tagen) @ Dariusz Leszczynski

Wenn organisierte Mobilfunkgegner sich an Icnirp abarbeiten, ist die Kritik in aller Regel dilettantisch, anmaßend sowie haltlos und daher inhaltlich belanglos. Icnirp darf derartige Angriffe unbesorgt ignorieren. Erheblich glaubhafter wirkt es, wenn Wissenschaftler vom Fach Icnirp auf der Sachebene Vorhaltungen machen, wie dies Dariusz Leszczynski in seiner jüngsten Icnirp-Kritik tut, in der er zusammenfassend ausführt:

► ICNIRP is an organization that functions without any control or oversight, either scientific or legal.
► There is no control over whether or not telecom industry or national radiation protection organizations are actively lobbying ICNIRP.
► ICNIRP trivializes the lack of research on 5G millimeter-waves and health, as expressed by the ICNIRP Chairman.
► The opinions expressed and decisions made by ICNIRP members are considered not sufficiently science-based by national science groups in several countries, as well as a number of prominent scientists.
► While members of ICNIRP do not have any legal responsibility for their scientific opinions, the telecom industry that uses ICNIRP safety guidelines for their products does have legal responsibility should their devices cause health harm.

In this scientifically and legally complex situation, there is an urgent need to perform an independent validation of the results of ICNIRP’s review of science and of the validity of the ICNIRP safety guidelines.

Übersetzung

► ICNIRP ist eine Organisation, die ohne jegliche Kontrolle oder Aufsicht funktioniert, weder wissenschaftlich noch rechtlich.
► Es gibt keine Kontrolle darüber, ob die Telekommunikationsindustrie oder nationale Strahlenschutzorganisationen aktiv Lobbyarbeit bei ICNIRP betreiben.
► ICNIRP verharmlost den Mangel an Forschung zu 5G-Millimeterwellen und Gesundheit, wie vom ICNIRP-Vorsitzenden geäußert.
► Die von ICNIRP-Mitgliedern geäußerten Meinungen und getroffenen Entscheidungen werden von nationalen Wissenschaftsgruppen in mehreren Ländern sowie von einer Reihe prominenter Wissenschaftler als nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert angesehen.
► Während die Mitglieder der ICNIRP keine rechtliche Verantwortung für ihre wissenschaftlichen Stellungnahmen tragen, trägt die Telekommunikationsindustrie, die die ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien für ihre Produkte verwendet, eine rechtliche Verantwortung, falls ihre Geräte Gesundheitsschäden verursachen.

In dieser wissenschaftlich und rechtlich komplexen Situation besteht die dringende Notwendigkeit, eine unabhängige Validierung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Überprüfung durch die ICNIRP und der Gültigkeit der ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien durchzuführen.

In die gleiche Kerbe wie der Finne haut der US-amerikanische Wissenschaftler James Lin. Seiner Kritik kommt besondere Bedeutung zu, weil er von 2004 bis 2016 Miglied der Kommission war. Wie Microwavenews heute berichtet, wird Lins Kritik an Icnirp schärfer. Ohne den Verein beim Namen zu nennen schreibt Lin in der Mai-Ausgabe des IEEE Microwave Magazine:

[...] Recently, a privately constituted group, with self-appointed member-ship, published a set of guidelines for limiting exposure to RF electro-magnetic fields in the 100-kHz and 300-GHz frequency range [7]. The pro-posed guidelines were primarily based on the tissue-heating potentials of RF radiation to elevate animal body tem-peratures to greater than 1° C. While recognizing that the two aforemen-tioned studies used large numbers of animals, best laboratory practice, and animals exposed for the entirety of their lives, the private group preferred to quibble with alleged “chance dif-ferences” between treatment condi-tions and the fact that the measured animal body core temperature changes reached 1° C, implying that a 1° C body core temperature rise is carcinogenic, ignoring the RF exposure. The group then pronounced that, when consid-ered either in isolation or within the context of other animal carcinogenic-ity research, these findings do not provide evidence that RF radiation is carcinogenic.Furthermore, the group noted that, even though many epidemiological studies of RF radiation associated with mobile phone use and cancer risk had been performed, studies on brain tu-mors, acoustic neuroma, meningioma, and parotid gland tumors had not provided evidence of an increased cancer risk. It suggested that, although somewhat elevated odds ratios were observed, inconsistencies and limita-tions, including recall or selection bias, precluded these results from being considered for setting exposure guide-lines. The simultaneous penchant to dismiss and criticize positive results and the fondness for and eager accep-tance of negative findings are palpable and concerning. In contrast, the IARC’s evaluation of the same epidemiological studies ended up officially classifying RF ra-diation as possibly carcinogenic to hu-mans [2], [3].An understandable question that comes to mind is this: How can there be such divergent evaluations and con-clusions of the same scientific studies? Humans are not always rational or as transparent as advertised, and scien-tists are not impervious to conflicts of interest and can be driven by egocen-tric motivations. Humans frequently make choices and decisions that defy clear logic.Science has never been devoid of politics, believe it or not. [...]

Übersetzung

[...] Kürzlich veröffentlichte eine privat organisierte Gruppe mit selbsternannten Mitgliedern eine Reihe von Richtlinien zur Begrenzung der Exposition gegenüber elektromagnetischen HF-Feldern im Frequenzbereich 100 kHz- und 300 GHz [7]. Die vorgeschlagenen Richtlinien basieren in erster Linie auf dem gewebeerwärmenden Potenzial von HF-Strahlung, die Körpertemperatur von Tieren um mehr als 1 °C zu erhöhen. Während die private Gruppe anerkannte, dass in den beiden oben erwähnten Studien eine große Anzahl von Tieren, beste Laborpraktiken und Tiere verwendet wurden, die ihr ganzes Leben lang einer HF-Exposition ausgesetzt waren, zog sie es vor, mit angeblich "zufälligen Unterschieden" zwischen den Behandlungsbedingungen und der Tatsache, dass die gemessenen Veränderungen der Körperkerntemperatur der Tiere 1 °C erreichten, zu argumentieren und zu implizieren, dass ein Anstieg der Körperkerntemperatur um 1 °C karzinogen ist. Die HF-Exposition als Krebsverursacher wurde ignoriert. Die Gruppe erklärte dann, dass diese Ergebnisse, wenn sie entweder isoliert oder im Zusammenhang mit anderen Untersuchungen zur Karzinogenität von Tieren betrachtet werden, keinen Beweis dafür liefern, dass HF-Strahlung karzinogen ist, und dass, obwohl viele epidemiologische Studien zu HF-Strahlung im Zusammenhang mit der Nutzung von Mobiltelefonen und dem Krebsrisiko durchgeführt wurden, Studien zu Hirntumoren, Akustikusneurinomen, Meningeomen und Ohrspeicheldrüsentumoren keinen Beweis für ein erhöhtes Krebsrisiko geliefert haben. Obwohl leicht erhöhte Odds-Ratio beobachtet wurden, würden Inkonsistenzen und Einschränkungen, einschließlich Recall- oder Selektionsbias ausschließen, dass diese Ergebnisse für die Festlegung von Expositionsrichtlinien berücksichtigt werden können. Die gleichzeitige Neigung, positive Ergebnisse zu verwerfen und zu kritisieren, sowie die Vorliebe für negative Befunde und deren eilige Akzeptanz sind spürbar und beunruhigend. Die Auswertung derselben epidemiologischen Studien durch die IARC endete hingegen mit der offiziellen Einstufung von HF-Strahlung als möglicherweise krebserregend für den Menschen [2], [3]. Eine verständliche Frage, die sich da aufdrängt, lautet: Wie kann es zu solch unterschiedlichen Bewertungen und Schlussfolgerungen ein und derselben wissenschaftlichen Studien kommen? Menschen sind nicht immer rational oder so transparent wie behauptet, und Wissenschaftler sind nicht unempfindlich gegen Interessenkonflikte und können von eigennützigen Motiven getrieben sein. Menschen treffen häufig Entscheidungen, die sich einer klaren Logik entziehen, und die Wissenschaft war noch nie frei von Politik. [...]

Kommentar: Behält Icnirp seine bisherige Linie bei, wird die Kommission die Kritik der beiden Wissenschaftler weder zurückweisen noch sonstwie darauf eingehen, obwohl sie wahrscheinlich plausible Gegenargumente hätte. Seit ungefär 20 Jahren reagiert Icnirp so auf Anschuldigungen, ohne dadurch Schaden genommen zu haben. Aber: Die Kritik an dem Verein wird lauter, häufiger und kommt mit Ex-Icnirp-Mitglied Lin in jüngster Zeit auch aus dem inneren Zirkel der Kommission. Mag schon sein, dass die ehrenamtlich tätigen Icnip-Kommissionsmitglieder sich lieber um die Sichtung des aktuellen Forschungsstandes kümmern wollen, statt darum zu streiten, ob ein Glas nun halb leer oder halb voll ist. Für mich wäre dies nachvollziehbar. Die Vogel-Strauß-Politik unbeirrt beizubehalten könnte sich unter den gegebenen Umständen dennoch als Fehler erweisen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, Druck, Leszczynski, James Lin


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