Risikowahrnehmung: Experten vs. Laien (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 29.12.2016, 12:20 (vor 2716 Tagen)

Auszug aus einem Vortrag auf dem Internationalen Geothermie-Kongress St. Gallen. Darin geht es zwar nicht um das Scheinrisiko Elektrosmog, sondern um Gebäudeschäden, die Ausführungen treffen aber trotzdem auch auf die Elektrosmogdebatte zu.


Laien verfügen über kein spezifisches Fachwissen. Deshalb werden Risiken auf der Basis eigener Anschauung oder vom Hörensagen oder auf der Grundlage von Medienberichten bewertet. Aus diesem Grund ist das Wissen meist unvollständig. Deshalb geht es in der Risikokommunikation um Aufklärung. Wohl gemerkt um Aufklärung und nicht darum, von der Beherrschbarkeit überzeugen zu wollen.

Die Vorstellung, welche Schäden möglich sind, resultiert oft aus der Alltagswelt. Risse an Häusern durch seismische Ereignisse erscheinen da gewissermaßen als fast zwangsläufig. Laien argumentieren aus der Perspektive persönlicher Betroffenheit. Aus dieser Perspektive ist es ebenfalls logisch, dass nach dem Worst-Case-Szenario gefragt wird. Schließlich bin ich es, der am Ende den Schaden hat.

Bereits die Annahme des Worst-Case-Szenarios basiert auf einer ganz eigenen Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es handelt sich um eine eigene Logik, die ernst genommen werden sollte und aus der Perspektive Betroffener ihre Berechtigung hat. Die Betroffenen haben schlicht Angst. Zahlen zur Eintrittswahrscheinlichkeit oder zum wahrscheinlichen Schadensausmaß helfen da wenig.

Hinzu kommt, dass sich die Betroffenen oft einem Risiko ohnmächtig ausgesetzt fühlen. Deshalb ist die Beteiligung, der Dialog, so wichtig. Aus der Psychologie weiß man, dass Menschen sehr wohl bereit sind, Risiken einzugehen, wenn das ihrer freien Entscheidung entspricht. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht resultiert jedenfalls oft die Opferhaltung und damit verbunden der Täter-Vorwurf.

Weil Betroffene Risiken moralisch beurteilen, wird oft der Vorwurf laut, dass gegen Schutz oder Fairness verstoßen wird. Deshalb ist es so wichtig, den Nutzen eines Risikos und die eigene moralische Integrität zu verdeutlichen. Projektbetreiber mit lokalem Bezug tun sich hier deutlich leichter, als Projektbetreiber mit Investoren aus dem Big Business.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Risikokommunikation, Angst, Inkompetenz, Ohnmacht, Autodidakt, Laien, Wahrscheinlichkeit, St.-Gallen, Pseudoexperten, Betroffenheit


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