Skrunda-Studie: Bäume im Wirkbereich eines Megawatt-Radars (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 07.08.2016, 21:58 (vor 2879 Tagen)

[Admin: Strang abgetrennt am 31.08.2016 und Titel geändert, Absprung hier]

Nicht nur "Baumforscherin" Dr. med. Waldmann-Selsam beruft sich auf Herrn Bernatzky, auch Simon Maurer, Bachelor im Fach Aboristik an der Fachhochschule Göttingen, tut dies in seiner Bachelorarbeit Einwirkungen elektromagnetischer Strahlung auf Bäume – Eine Literaturrecherche aus dem Jahr 2014 (PDF, 59 Seiten).

Auf Seite 27 seiner Arbeit erwähnt Herr Maurer die Radarstation Skrunda in Lettland, die von den Russen errichtet und bis zum Zerfall der Sowjetunion betrieben wurde. Nach Maurers Darstellung sollen 4 Sender a 1.25 mW/m² bei Kiefern in 1 – 5 km Entfernung zum Sender zu Wachstumshemmung geführt haben (Balodis et al., 1996).

Nun sind aber Radarsender dafür bekannt, zum Erreichen großer Reichweiten mit sehr hohen Impulsleistungen betrieben zu werden. Die von Maurer genannten Leistungsflussdichten erscheinen unter diesen Umständen sehr gering.

Dieser Quelle (Historie) ist zu entnehmen, dass die Skrunda-Station mit 1,25 bis 3,0 MW Leistung betrieben wurde (f = 156-162 MHz; Abmessungen jedes Flügels der starren Phased-Array-Radarantenne = 250 m x 17 m, Impulsdauer = 0,8 ms, Impulspause = 41 ms). Möglicherweise hat der Bachelor die Sendeleistung 1,25 MW uminterpretiert in 1.25 mW/m² Leistungsflussdichte. Sehr konservativ mit 1,25 MW Strahlungsleistung gerechnet (kein Antennengewinn) komme ich überschlägig im genannten Abstand auf Leistungsflußdichten zwischen 4 ... 100 mW/m² (mit Antennengewinn dürften die Werte um Faktor 1000 höher liegen). Ebenfalls Strinrunzeln bereitet mir die Frage, wie Balodis ab 1990 rückwirkend bis in die 70er Jahre die EMF-Intensität bei den Kiefern wissen konnte, um die Aussage treffen zu können, dass mit höherer Feldstärke die Wachstumshemmung zunahm.

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Bild: The Skrunda Hen House radar Operations Area photographed by KH-7 Mission 4031 on 20 August 1966. Extract from entity ID DZB00403100058H006001 available from the US Geological Survey, EROS Data Center, Sioux Falls, SD, USA, Quelle

Irreführend finde ich die folgende Formulierung Maurers:
Ein weiterer langjähriger Feldversuch wurde in Lettland an Kiefern unternommen. [...]
Von 1959 bis 1988 wurden die Kiefern im Strahlungsbereich (1 – 5 km Entfernung zum
Sender) auf ihre Dickenzuwächse untersucht [...].

Gemäß Abstract untersuchte die AG Balodis jedoch erst ab 1990 in einer retroperspektivischen Studie die Kiefern in der Region Skrunda, das Ergebnis wurde 1996 publiziert.

Dem Abstract zufolge wurde das reduzierte Dickenwachsum der befeldeten Kiefernstämme ab 1970 erkannt, dies falle mit dem Betriebsbeginn der Skrunda-Radarstation zusammen. Die oben verlinkte Historie der Skrunda-Station aber sagt etwas anderes, dass nämlich die Station ab 1955 errichtet wurde, 1967 den Betrieb aufnahm und 1971 eine zweite Radarstation hinzu kam. Da die Verlässlichkeit der Historie unbekannt ist, sind diese Angaben jedoch mit Vorsicht zu genießen – so wie die von Herrn Maurer.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Radar, Hecht, Skrunda-Studie, Balodis, Bernatzky


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