Schwimmen den Mobilfunkgegnern die Felle davon? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 17.02.2015, 14:02 (vor 3397 Tagen)

Kürzlich habe ich mit einem Mitglied des EWSA telefoniert. Der erfahrene Mann machte keinerlei Hehl daraus, dass der EWSA der organisierte Lobbyismus schlechthin sei. Nur im ersten Moment war ich darüber erschrocken. Denn wenn das ohnehin bekannt ist und der Ausschuss sich so schön transparent verhält, wie bei seiner Stellungnahme zu "Elektrosensibilität", dann kann ich damit leben, zumal im EWSA auch Bürgerbewegungen ihre Lobbygelüste ausleben können.

Zu Bürgerbewegungen und sogenannten NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen :tock:) meinte mein Gesprächspartner überraschenderweise: "Die fangen nach einer gewissen Zeit alle an zu spinnen".

Er erklärte das so: Am Anfang hätten große Bürgerbewegungen meist vertretbare Anliegen und Ziele. Doch dieses vernünftige Segment würde ihnen von der Politik schnell abgejagt, politische Parteien griffen diese Themen auf und hefteten sie sich an die eigenen Fahnen. Zurück blieben Bürgerbewegungen, die um ihren guten Kern beraubt wurden. Wer jetzt nicht aufpasst und Spinner, Esoteriker oder Extreme ans Ruder lässt, gleitet in einer Spirale abwärts.

Der BUND ist so eine NGO. Vor gut zehn Jahren glaubte er, auf den Zug der Mobilfunkgegner aufspringen und sich erfolgreich in Szene setzen zu können. Mangels eigener Kompetenz in EMF-Angelegenheiten geriet das EMF-Expeditionskorps des BUND an unqualifizierte Mobilfunkgegner mit pseudowissenschaftlichem Habitus und damit schnell auf die Spirale abwärts. Schon vor ein paar Jahren wurde den Verantwortlichen beim BUND der drohende Absturz klar. Die absterbende Traditionsveranstaltung "Mobilfunksymposium" wurde auf Kurs "Umweltsymposium" gebracht. Noch dürfen Anti-Mobilfunk-Themen dort zum Vortrage gebracht werden, doch lange wird es diesen Gnadenhof für verbohrte Mobilfunkgegner nicht mehr geben.

Auch der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk zeigt ähnliche Zerfallserscheinungen. Weil die dramatischen und dilettantischen Aufführungen dieses Vereins zunehmend weniger Menschen interessieren, versucht die selbsternannte "Verbraucher- und Umweltorganisation" mit Genörgel an den "digitalen Medien" eine breitere Zielgruppe zu erreichen. Mit "Strahlung" und "Elektrosensiblen" hat dies freilich nicht mehr das geringste zu tun. Neuer Held bei Diagnose-Funk ist daher jetzt der Hirnforscher Manfred Spitzer. Liefen die Diagnose-Funker früher Ex-Helden aus der guten alten Elektrosmog-Epoche nach, etwa Lebrecht von Klitzing oder Franz Adlkofer, so ist jetzt Prof Spitzer ihr neuer Führer. Zumindest so lange, bis wieder neu umgesattelt werden muss, weil dem Verein sein Anti-Mobilfunk-Geschäftsmodell wie ein Klotz am Bein hängt und seine Glaubwürdigkeit weiterhin pulverisiert. Das liest sich jetzt wahrscheinlich etwas wirr, deshalb ein konkretes Beispiel: Manfred Spitzer ist mit seinen Thesen zu "digitalen Medien" umstritten. Diagnose-Funk ist daher emsig bemüht, der neuen Lichtfigur zu Diensten zu sein, zuletzt mit dem Artikel "Manfred Spitzer antwortet Kritikern". Wie gesagt, Wörter wie Feldstärke, Strahlung, Immission oder Emission liest man dort nicht, dennoch steht der Artikel bei Diagnose-Funk unter der mMn grotesk verräterischen Rubrik "Bestrahlte Generation". Dazu fällt mir spontan die Metapher ein: Ein blauer Mantel macht aus einer Kirsche noch lange keine Pflaume.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
BUND, Mobilfunksymposium, Spitzer, Lobbyverein

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