Erster Elektrosensibler schon vor 100 Jahren? (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 07.04.2009, 21:40 (vor 5539 Tagen)

Die Angst vor Elektrosmog ist nicht so neu wie es scheint.

Etwa um 1910 herum sitzt ein gewisser Jakob Mohr (Foto) in der Psychiatrischen Klinik Heidelberg ein. Der Landarbeiter glaubt, Unbekannte hätten es mit einem "tragbaren Beeinflussungsapparat" auf ihn abgesehen.

[image]

Mohr hält seine Visionen in Zeichnungen fest. Er glaubt sich durch unsichtbare elektrisch erzeugte Wellen beeinflusst (Bild) und durch ein Mordkomplott bedroht. Mohr leidet an einer akuten Paranoia, er besteht darauf, zum Schutz gegen elektrischen Strom und Nervengift ein Hemd aus Metallfolie zu tragen. Er sieht sich als unschuldiges Opfer seiner Feinde, die mit dem Beeinflussungsapparat Macht über ihn ausüben.

[image]

Nach Jahren in der Anstalt zeigt sich bei Mohr ein ausgeprägter Größenwahn, in seinen Selbstportraits stellt er sich als Detektiv, Märtyrer und Weltherrscher dar.

Dass Jakob Mohr nicht in Vergessenheit geriet hat er allein seinen Zeichnungen zu verdanken. 1922 erscheint Hans Prinzhorns Buch "Bildnerei der Geisteskranken", das den Beinamen "Bibel der Surrealisten" erhalten sollte. Prinzhorn arbeitete als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik Heidelberg. Dort baut er eine Sammlung mit über 5000 Werken auf, die in Nervenheilanstalten entstanden sind. Die Nationalsozialisten bedienten sich aus dieser Sammlung, um Exponate für die ihrer Einschätzung nach entartete Kunst vorführen zu können.

Quelle: TV-Film Wahnsinnige Kunst - das unerhörte Genie (läuft immer mal wieder als Wiederholung auf ZDF doku)
Online-Artikel The Art of Mind Control

Kommentar: Als ich am vergangenen Wochenende mit halbem Ohr der TV-Sendung zuhörte, machte mich der Hinweis auf das "Metallhemd" aufmerksam. Möglicherweise war Mohr der erste Elektrosensible in Deutschland. Dass er allem Anschein nach geisteskrank war, kann freilich nicht bedeuten, dass Elektrosensible durchweg einen "Sprung in der Schüssel" haben. Dass bereits vor 100 Jahren unglaubwürdig klingende Behauptungen über die Wirkung unsichtbarer Wellen aufgestellt wurden, die dazu geführt haben, jemanden nicht nur in die "Psychoecke" zu stellen, sondern ihn gleich in eine Psychiatrische Klinik einzuweisen, halte ich indes für bemerkenswert.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EHS, Opfer, ZDF, Geschichte, Märtyrer, Elektrochonder, Jakob Mohr, Größenwahn


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum