Für rund sechs Wochen öffnete das Extraordinariat für Angewandte Psychologie der Universität Augsburg Mitte August 2005 ein Online-Portal, um eine sozialwissenschaftliche Bevölkerungsumfrage zur Wahrnehmung von Mobilfunksendeanlagen durchzuführen. Die erhobenen Daten sind mittlerweile ausgewertet und erste Ergebnisse liegen in Form einer Kurzdokumentation vor (siehe unten). Dort ist beispielsweise nachzulesen, dass das Internet für die Teilnehmer der Befragung die wichtigste Informationsquelle ist, die unwichtigsten sind Industrie, Kirche und Politik. Für Letztgenannte noch schmerzlicher: auch bei der Glaubwürdigkeit sind sie Schlusslicht (15.01.06-ll).
Autorin der folgenden Kurzdokumentation ist Dr. Kerstin Wüstner, verantwortliche Projektleiterin für die Online-Umfrage. Sie weist darauf hin, dass eine umfangreichere und theoriebezogene Publikation in Vorbereitung ist. Die Kurzdokumentation zeige im Wesentlichen lediglich deskriptive (beschreibende) Ergebnisse, deren Weiterverwendung eine Genehmigung der Autorin bedürfe. Das Original der Kurzdokumentation steht auch als PDF (24 KByte) zum Download bereit.
Wer hat sich an der Befragung beteiligt?
Insgesamt haben 526 Personen an der Umfrage teilgenommen. Die Stichprobe setzt sich wie folgt zusammen: Männer haben mit 62% einen erheblich höheren Anteil als Frauen mit 38%. 87% der Befragten sind Deutsche, 6% kommen aus einem anderen Land der EU, und weitere 7% sind Bürger eines Landes, das nicht in der EU ist. Interessant sind auch die Altersverteilung und der formale Bildungsabschluss, denn es zeigt sich, dass die am stärksten vertretene Altersgruppe jene von 41 bis 50 Jahren ist. Vor allem Menschen mit hoher formaler Bildung (Studienabschluss, auch mit Promotion) haben sich an der Befragung beteiligt.
Die überwältigende Mehrzahl der Befragten ist verheiratet oder lebt in einer festen Partnerschaft. Nur 14% sind Singles. 60% haben Kinder, Allein erziehend sind nur 4%. Die meisten Personen wohnen mit (einem) anderen Menschen zusammen (84%). Die Frage nach der Wohnform ergibt außerdem, dass 59% in einer Eigentumswohnung oder einem Eigentumshaus leben, 41% wohnen in Miete.
Ergebnisse: Wahrnehmung des Mobilfunks
Eine Analyse der ersten Frage „Wie sehr bewegt Sie die Frage, ob Mobilfunksendeanlagen schädliche Auswirkungen haben?“ bestätigt die hohe emotionale Qualität, die das Thema für die Befragten hat: Auf der sechsstufigen Skala haben 62% das Extrem „sehr stark“ angegeben, während nur 13% Werte von 1-3 angekreuzt haben, die eine tendenzielle Ablehnung der Frage bedeuten.
Informationsquellen und ihre Glaubwürdigkeit
Als Nächstes wird dargestellt, welche Quellen die Befragten nutzen, um sich über Mobilfunk Informationen zu beschaffen. Unter den Befragten ist die Informationsquelle Nummer eins das Internet. Danach folgen Informationen von Wissenschaftlern, Bürgerinitiativen sowie Fachliteratur und Tageszeitungen. An letzter Stelle stehen Informationen von Wirtschaftsunternehmen, der Politik und Kirchen. Wie verhält es sich nun mit der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der einzelnen Institutionen bzw. Personengruppen? Die größte Glaubwürdigkeit wird Informationen von Umweltorganisationen, gefolgt von Bürgerinitiativen zugesprochen. Schlusslichter sind Kirchen, Wirtschaftsunternehmen und Politiker.
Partizipation verschiedener Gruppen/Institutionen bei der Regelung von Mobilfunk
Die Befragten wünschen sich, dass Regelungen zu Mobilfunk am meisten von Wissenschaftlern mitbestimmt werden sollen. Danach kommt die Einbindung Betroffener und auch von Ärzten. Nur sehr wenige Personen sind der Ansicht, auch Wirtschaftsunternehmen oder Kirchenverbände sollten partizipieren können.
Mobilfunksendeanlagen in Wohnnähe und am Arbeitsplatz
Alle 526 Personen haben die Frage, ob es in der Nähe des Wohnsitzes eine Mobilfunksendeanlage gibt, beantwortet. 430 Personen bejahen diese Frage, dies sind 82%. In 48% der Fälle ist die Anlage von der Wohnung aus sichtbar. 72% geben an, auch in der Nähe des Arbeitsplatzes gebe es Mobilfunksendeanlagen. 52% sehen die Anlage vom Arbeitsplatz aus. 19% wissen nicht, ob eine Anlage in der Nähe des Arbeitsplatzes vorhanden ist. 328 Personen berichten von Mobilfunksendeanlagen sowohl in Wohn- als auch in Arbeitsnähe (62%).
Aus den Daten resultiert, dass die Mehrzahl die Strahlenbelastung zu Hause als mittelmäßig einstufen (Werte 3 und 4), 11% erachten sie als sehr hoch (Wert 6). 17% geben einen Wert von 1 an. Bezogen auf den Arbeitsplatz liegt eine linkslastige Verteilung vor, d.h. die meisten Antwortkreuze wurden bei Werten von 1, 2 und 3 gesetzt. Die Strahlenbelastung wird insgesamt deutlich niedriger eingestuft.
Beurteilung der Gesundheitsschädlichkeit technischer Geräte oder Anlagen
Die genannten technischen Geräte bzw. Anlagen werden mit drei Ausnahmen weitgehend ähnlich eingeschätzt. So werden Mobilfunksendeanlagen, Handys, schnurlose Festnetztelefone, Hochspannungsleitungen, Umspannwerke, Mikrowellengeräte und W-LANVerbindungen von der großen Mehrzahl der Befragten als gesundheitsgefährlich eingestuft.
Mittelmäßig wird das gesundheitsschädigende Potential von Funkmaus und -tastatur sowie Radio- und Fernsehanlagen angenommen. Funkuhren und -wecker halten 65% für (eher) nicht gesundheitsschädlich.
Aussagen zu Mobilfunksendeanlagen
In einem anderen Block wurde nach möglichen Auswirkungen von Mobilfunksendeanlagen auf die Gesundheit gefragt. Der nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse zu entnehmen:
Tabelle 1: Beurteilung von potentiellen Auswirkungen von Mobilfunksendeanlagen
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Angst vor Mobilfunksendeanlagen
Eine weitere Frage fokussiert verschiedene Gründe, die dafür verantwortlich sein könnten, dass Menschen vor Mobilfunksendeanlagen Angst haben. Am meisten macht den Befragten Angst, dass man die Strahlung nicht sieht (53% stimmen dem zu). Knapp 40% sind besorgt, weil sie nicht wissen, was sie gegen die Strahlung machen können.
Bedrohlichkeit verschiedener Faktoren
Die Befragten waren gebeten, die Bedrohlichkeit von 24 Faktoren einzuschätzen. Mobilfunksendeanlagen und Telefonieren rangieren hierbei im (oberen) Mittelfeld. An den ersten drei Stellen stehen Rauchen (aktiv), Atommüll und Schadstoffe in Lebensmitteln. Wohnen in der Nähe von Mobilfunksendeanlagen folgt auf Rang 7, Arbeiten in der Nähe von Mobilfunksendeanlagen auf Rang 10 und Telefonieren mit dem Handy auf Rang 13.
Gesundheitsverhalten
Auf die Frage, was die Befragten für ihre Gesundheit tun, steht an erster Stelle das Bemühen, auf eine gesunde Ernährung zu achten, gefolgt von dem Kauf von Bioprodukten und regelmäßigem Sport. Nur vergleichsweise wenige kaufen Hilfsmittel zum Strahlenschutz.
Gesundheitliche Beschwerden
Überdurchschnittlich viele Personen geben an, gesundheitliche Probleme zu haben (52%). Die ersten fünf Positionen nehmen vor allem psychische Beeinträchtigungen ein: Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit und allgemeines Unwohlsein. Wenige Befragte berichten von Rheuma, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Hörsturz oder Krebserkrankungen.
Interessant ist auch die Frage, bei welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Befragten überzeugt sind, diese kämen von Mobilfunk. Am meisten überzeugt sind die Befragten im Falle von Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Auf der anderen Seite werden Migräne, Rheuma, Hautprobleme, Hormonstörungen, Allergien, Rückenschmerzen und Heißhunger kaum mit Mobilfunkexposition in Verbindung gebracht. 61 Befragte berichten von Fehlgeburten in der Familie. Davon sehen 14 Personen diese (mit)ausgelöst durch Mobilfunksendeanlagen.
Risikowahrnehmung in Abhängigkeit verschiedener Einflussgrößen
Werthaltungen
Die Daten zeigen, dass Risikowahrnehmung abhängig davon ist, welche Werte Menschen in ihrem Leben wichtig sind: Ist Menschen z. B. Karriere und Konsum wichtig, tendieren sie auch dazu, Mobilfunk zu befürworten. Sehr bedeutsam ist auch soziales Engagement, welches in der Tendenz eine aktive Auseinandersetzung mit den – tendenziell eher als schädlich angesehenen – Folgen von Mobilfunksendeanlagen mit sich bringt.
Abwehrhaltung ist hier ein Sammelbegriff, in den folgende Antworten der Online-Umfrage (Punkt Risikowahrnehmung) eingeflossen sind:
Geschlecht
Abwehrhaltung?
Frauen befürworten Mobilfunk weniger, haben deutlich mehr Angst davor und neigen eher zu Abwehrmechanismen als Männer.
Alter
Die Befürwortung der Mobilfunktechnik nimmt tendenziell mit dem Alter ab. Zugleich findet sich eine Abwehrhaltung am meisten in der jüngsten Gruppe. Mit dem Alter wächst die Überzeugung von der Schädlichkeit von Mobilfunksendeanlagen.
Familienstand
Eltern befürworten Mobilfunk deutlich weniger als kinderlose Befragte. Außerdem sind sie überzeugter von schädlichen Wirkungen, die von Mobilfunksendeanlagen ausgehen und neigen weniger zu Abwehrverhalten.
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