Es geht um nur ein paar Quadratkilometer im Gebiet der Kriebstein-Talsperre (Sachsen). Besonderes Merkmal: In den Versorgungskarten der Netzbetreiber taucht die Gegend noch als weißer Fleck auf. Da die Region zudem strukturschwach ist, stößt die Idee des Augsburger Jungunternehmers Ulrich Weiner, dort ein Erholungsgebiet für Elektrosensible einzurichten, auf breite Zustimmung. Nur die Betreiber mauern im gemeinsamen Schulterschluss und berufen sich dabei auf ihren in den Lizenzbedingungen vereinbarten Versorgungsauftrag, der mit weißen Flecken auf der Karte nicht zu vereinbaren sei. Diesen Versorgungsauftrag gibt es tatsächlich, er formuliert sogar eine Versorgungsverpflichtung, eine Notwendigkeit, das Gebiet der Kriebstein-Talsperre mit Mobilfunk zu versorgen, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Dies ergab eine Anfrage des IZgMF beim Lizenzgeber (28.05.05-ll).
Die Sanierung der aufgelassenen Lochmühle, eine alte Wassermühle nahe der Kriebstein-Talsperre, und ihr Umbau in ein Erholungszentrum für Elektrosensible kostet voraussichtlich über 1 Mio. Euro. Eine hübsche Summe, die Ulrich Weiner, Initiator des Projekts, erst noch mit jeder Menge Lauferei zusammentragen muss. Doch dieses Geld wäre über Nacht in den Sand gesetzt, sobald die Lochmühle den Status verlöre, mobilfunkfreie Zone zu sein. Ein oder zwei in der Nähe errichtete Sendemasten – und dem Erholungszentrum für Elektrosensible wäre die Existenzgrundlage entzogen. Weiner braucht deshalb von den vier Netzbetreibern in Deutschland die verbindliche Zusage, dass sie die elektromagnetische Idylle der Lochmühle über längere Zeit hinweg unangetastet lassen, dort also keine neuen Sendemasten errichten.
Netzbetreiber wollen keine mobilfunkfreien Regionen ausweisen
Die Hoffnung, dass die Mobilfunker mitspielen, zerplatzte Anfang Januar 2005, als die vier Netzbetreiber eine gemeinsame Presseerklärung (PDF, 49 KByte) herausgaben. Darin heißt es unter anderem: « Die vier Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland werden sich nicht an der Ausweisung von ausdrücklich mobilfunkfreien Regionen beteiligen ... Zur Begründung, dass die Mobilfunknetzbetreiber bestimmte Regionen nicht aus ihren Planungen herausnehmen werden, erklärten die Mobilfunkunternehmen, dass dies im Widerspruch zum Versorgungsauftrag der Telekommunikationsunternehmen stehe. Dieser sei in der Lizenz zum Betrieb der Mobilfunknetze enthalten. »
Nach Darstellung der Betreiber ist es also so, dass sie wegen der Lizenzbedingungen gar nicht anders können, als Deutschland lückenlos mit Mobilfunk zu versorgen. Und unversehens ist der Schwarze Peter bei der Regulierungsbehörde BNetzA (früher RegTP), denn diese ist als Mobilfunk-Lizenzgeber für die Lizenzbedingungen verantwortlich.
Doch ist es tatsächlich so, dass es ein Widerspruch zum Versorgungsauftrag ist, wenn bestimmte Regionen von der Mobilfunkversorgung ausgenommen werden? Wir fragten bei der Pressestelle der Regulierungsbehörde in Bonn nach und bekamen von Harald Dörr, Leiter der Pressestelle, Antworten.
Lizenzen fordern keine lückenlose Mobilfunkversorgung
IZgMF: Inwieweit ist die Begründung der Netzbetreiber (Versorgungsauftrag wegen Lizenz) aus Sicht des Lizenzgebers BNetzA lizenzrechtlich für das Projekt Kriebstein-Talsperre zutreffend oder unzutreffend?
Dörr: Richtig ist, dass alle Mobilfunkbetreiber eine Versorgungsverpflichtung in ihren Lizenzen formuliert haben. Diese Versorgungsverpflichtung bezieht sich aber nicht auf die Fläche der BRD, sondern sie bezieht sich auf eine gewisse Prozentzahl der Bevölkerung, welche mit Mobilfunkdiensten erreicht werden soll (siehe Tabelle unten). Der Versorgungsgrad liegt dabei aber immer unter 100 %.
Regulierungsbehörde kein Schirmherr für mobilfunkfreie Zonen
Keine Hilfe hat Ulrich Weiner von der Sächsischen Staatsregierung zu erwarten. Auf die kleine Anfrage einer PDS-Abgeordneten, ob sie die Ausweisung von Mobilfunk-Verbotsflächen in Flächennutzungs- und Regionalplänen für sinnvoll hält, lautete die Antwort im Juni 2005 kurzerhand: Nein. Quelle: Sächsischer Landtag Drucksache 4/1738
IZgMF: Welche Möglichkeiten sieht die BNetzA, in Deutschland mobilfunkfreie Schutzzonen einzurichten, die nicht allein einer möglichen freiwilligen Nichtversorgung durch die Netzbetreiber ausgeliefert sind, sondern Rechtsmittel zulassen?
Verbotszonen kein Thema
Dörr: Über den Versorgungsgrad hinaus können alle Betreiber in ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung tätig werden. Auch gilt festzuhalten, dass alle Netzbetreiber ihre Versorgungsverpflichtung aus der jeweiligen Lizenz – nach den Vorgaben – erfüllen. Über die Einhaltung der Versorgungsverpflichtung hinaus hat die RegTP keine Möglichkeit auf die Netzbetreiber irgendwie einzuwirken was ihre jeweilige aktuelle Netzgestaltung anbelangt.
Festzuhalten gilt aber auch, dass alle Netzbetreiber natürlich das Recht haben 100 % der Bevölkerung und sogar 100 % der Fläche mit Mobilfunkdiensten zu versorgen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf die wichtige Unterscheidung zwischen "Bevölkerung" und "Fläche" der BRD lenken. Selbst mit einem vorgegebenem Versorgungsgrad von beispielsweise 98 % der Bevölkerung wird es in Deutschland immer noch weiße Flecken auf der Landkarte geben!
GSM-Netze |
Versorgungspflicht für ... |
Lizenz-Laufzeit |
D1 (T-Mobile) |
75 % der Bevölkerung bis zum 31.12.1994 |
bis 31.12.2009 |
D2 (Vodafone) |
94 % der Bevölkerung in den alten Bundesländern (neue 90 %) bis 31.12.1994 |
bis 31.12.2009 |
E1 (E-Plus) |
98 % der Bevölkerung des gesamten Bundesgebietes bis zum 31.12.1997 |
bis 31.12.2012 |
E2 (o2) |
75 % der Bevölkerung bis zum 31.12.2001 |
bis 31.12.2016 |
UMTS-Netze |
Versorgungspflicht für ... |
Lizenz-Laufzeit |
alle Betreiber |
25 % der Bevölkerung bis 31.12.2003 und 50 % bis 31.12.2005 |
bis 31.12.2020 |
Tabelle: In den Lizenzbedingungen vereinbarte Versorgungspflichten für die Netzbetreiber (Quelle: BNetzA). |
Damit Sie mal ein Gefühl bekommen für die Größenverhältnisse zwischen "Bevölkerung" und "Fläche", hier folgender Vergleich: Den Versorgungsgrad von 50 % bis Ende 2005 aus einer UMTS-Lizenz kann ein Netzbetreiber bereits erreichen, wenn er unter 10 % der Fläche der BRD in seine Netzplanung einbezieht.
Der Umstand, dass die Netzbetreiber unterschiedliche Versorgungsverpflichtungen haben was die Mobilfunknetze der zweiten Generation (D1, D2, E1 und E2) anbelangt, liegt übrigens in der Tatsache begründet, das die Lizenzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vergeben wurden. Bei den UMTS-Lizenzen ist dies nicht der Fall. Hier wurden die Lizenzen zu einem einzigen Zeitpunkt vergeben. Der Versorgungsgrad liegt hier mit 50 % unter dem Versorgungsgrad der D- und E-Netze (75 % bis 98 %).
Weiterführende Informationen
Elektrosensibler plant in Sachsen Erholungsheim für Elektrosensible
Wackliger Grundversorgungsauftrag stärkt Kommunen in Standortfragen
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