Oft ist es so, dass DECT-Anlagen in Wohnungen und Büros mehr Elektrosmog bewirken als umliegende Mobilfunksender. Ein wesentlicher Grund: Heutige DECT-Anlagen kennen keine von der Verbindungsqualität abhängige Leistungsregelung, sie senden immer mit der Maximalleistung von 250 mW (Spitzenwert). Ob die nützliche Leistungsregelung irgendwann einmal in den DECT-Standard einfließt, steht in den Sternen. Langes Warten ist jedoch gar nicht nötig. Denn die Industrie könnte sofort eine technisch simple Leistungsdrosselung umsetzen und dadurch die Strahlungsbelastung durch DECT-Geräte spielend um den Faktor 100 reduzieren. DECT-Fabrikant Siemens hat die Pläne dazu fix und fertig in der Schublade – nach entsprechenden Produkten sucht man indes vergebens. Bleibt bis auf weiteres nur ein gangbarer Weg, zumindest DECT-Basisstationen am übermäßigen Strahlen zu hindern – mit Abschirmungen.
Schnurlostelefone gemäß DECT-Standard sind Dauerstrahler, die fortwährend elektromagnetische Felder erzeugen, auch dann, wenn nicht telefoniert wird. Im Ruhezustand sendet eine DECT-Basisstation mit 2,1 mW Sendeleistung, im Betriebszustand mit 10 mW. Beides sind Mittelwerte, die aus dem impulsförmigen Sendesignal resultieren. Der Spitzenwert der Impulse erreicht stets 250 mW, egal ob sich die Anlage im Ruhezustand befindet oder ob telefoniert wird. Der im Vergleich zum Ruhezustand höhere Mittelwert während des Betriebs kommt lediglich dadurch zustande, dass die 250-mW-Impulse des Sendesignals in kürzeren Zeitabständen auftreten. Eine von der Qualität der Verbindung abhängige Leistungsregelung wie beim Mobilfunk gibt es bei DECT nicht. Hier wird auch dann mit Maximalleistung gesendet wenn dies absolut unnötig ist, z. B. weil man sich mit dem Mobilteil nur wenige Meter neben der Basisstation befindet.
Gegenüber den bedrohlich wirkenden Mobilfunk-Sendemasten sehen DECT-Geräte zierlich und harmlos aus. Doch der Schein trügt: DECT-Anlagen erzeugen in Wohnräumen und Büros punktuell oft weit stärkere Felder als dies umliegende Mobilfunk-Basisstationen vermögen. Begründung: Der Abstand zur Signalquelle ist erheblich kleiner und die Felder können sich im Innern einer Wohnung weitgehend ungestört ausbreiten – denn es entfällt die Schutzwirkung dämpfender Außenmauern und metallbeschichteter Fenster.
Auf dem Weg zum Patent: DECT-Sendeleistungsumschaltung von Siemens
Bislang bietet die Industrie den Konsumenten keine einzige DECT-Anlage an, bei der sich die Sendeleistung vom Benutzer auf individuelle Bedürfnisse einstellen lässt. Das Know-how dazu ist jedoch längst vorhanden und die Herstellungskosten einer schaltbaren Leistungsreduzierung dürften sich im Cent-Bereich bewegen. Siemens, einer der großen Lieferanten von DECT-Anlagen hat bereits Mitte 2003 die Schrift DECT-Sendeleistungsumschaltung für Low-Power-Mode offen gelegt. Offenlegungen sind ein wichtiger Schritt im Verfahren zur Patentierung einer pfiffigen Idee, in Deutschland dauern sie 18 Monate. Eine solche Idee hatten Mitarbeiter von Siemens-Wien, als für den Krankenhauseinsatz von DECT-Anlagen eine neue niedrigere Leistungsklassen von 2,5 mW in Ergänzung zur bislang üblichen Leistungsklasse (250 mW) definiert wurde. Pfiffig ist die Idee deshalb, weil sie eine Sendeleistungsumschaltung auf Basis herkömmlicher DECT-Geräte ermöglicht, also keine speziellen und damit teuren DECT-Anlagen erfordert. Zur Abschwächung der Sendeleistung auf den geforderten Wert, wird, so steht es in der Offenlegung, der bereits in den Anlagen verbaute Sende-Empfangsumschalter verwendet. Soll das Gerät mit schwacher Leistung senden, werde der Sende-Empfangsumschalter im Sendefall einfach nicht durchgeschaltet, sondern abgeschaltet. Die Dämpfung der Sendeleistung zwischen Senderendstufe und Antenne betrage in diesem Fall 30 dB. Mittels elektronischer Bauelemente (sinngemäß Widerstände) sei es möglich, die Dämpfung von 30 dB auf 20 dB zu verringern, so dass die Ausgangsleistung des Gerätes statt 24 dBm (250 mW) nur noch 4 dBm (2,5 mW) beträgt. Im Klartext heißt dies: Bei Bedarf lässt sich die Sendeleistung einer DECT-Anlage um den Faktor 100 drosseln.
BMW ließ alle betrieblichen DECT-Anlagen mit Dämpfungsgliedern versehen
Zeitlich passt die Initiative von Siemens in Sachen DECT-Leistungsreduzierung gut mit den Vorgängen zusammen, die sich beim Automobilhersteller BMW abspielten, der seine DECT-Anlagen gerne bei Siemens kauft. Da BMW für betriebseigene DECT-Telefone 2003 ein stark reduziertes Strahlungslimit weit unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte verfügte, musste Siemens alle gelieferten DECT-Anlagen nachträglich mit Dämpfungsgliedern ausstatten, um die Sendeleistung aufs erforderliche Maß zu verringern. Die Maßnahme hatte Erfolg, in den BMW-Werken wird das zulässige Strahlungslimit von 100 µW/m² jetzt eingehalten. Technisch sind strahlungsreduzierte DECT-Anlagen offenbar ohne viel Aufwand zu realisieren. Leider konnten sich bislang weder Siemens noch andere Anbieter dazu durchringen, derartige strahlungsreduzierte DECT-Anlagen auch den Konsumenten anzubieten.
Denkfehler: Der Widerstand in der Antennenzuleitung
Bastler könnten nun auf den Gedanken kommen, eine DECT-Anlage zu öffnen und in die Leitung zur Antenne einfach einen Widerstand einzuschleifen. Aber Vorsicht, diese Form der Problemlösung hat einen Haken: Denn weil die Antenne sowohl Sende- als auch Empfangsantenne ist, dämpft der Widerstand nicht nur gewollt das Sendesignal, sondern ungewollt auch das Empfangssignal. Ein so modifiziertes Gerät hätte folglich unnötig schlechte Empfangseigenschaften. Damit der Eingriff (vom Garantieverlust einmal abgesehen) keine Schattenseiten hat, müsste er noch vor dem Sende-Empfangsumschalter im Sendepfad erfolgen.
Schirmschlauch nimmt DECT-Basisstation in Isolierhaft
Wer DECT-Anlagen ganz ohne Eingriffe in deren Innereien entschärfen möchte, der kann sich einer Abschirmung bedienen. Glück hat der, der eine eigenständige Basisstation für Wandmontage hat, denn diese Bauform lässt sich schon mit einfacher Alu-Haushaltsfolie vorzüglich abschirmen. Schwieriger verhält es sich bei den Bauformen, wo Basisstation/Ladeschale und ein Mobilteil eine konstruktive Einheit bilden. Für solche Fälle gibt es seit kurzem von ESnord den zum Patent angemeldeten ”Schirmschlauch”, bestehend aus Textilgewebe mit eingearbeitetem Schirmgeflecht. Der Schlauch hat drei Öffnungen, zwei große mit Klettverschluß zum bequemen Einbringen der Basisstation samt Mobilteil und eine kleine zur Kabelzuführung. Im Ruhezustand befindet sich das Telefon im verschlossenen Schlauch, wodurch gemäß Anbieter die außen wirksame Dauerstrahlung maximal um gut 99 % reduziert wird. Trifft ein Anruf ein oder will man selber ein Gespräch führen, wird das Mobilteil aus dem Schlauch entnommen und dieser wieder verschlossen. Wegen der hohen Empfindlichkeit der Geräte funktioniert die Verbindung zwischen Mobilteil und abgeschirmter Basisstation weiterhin, jedoch mit geringerer Reichweite. Die Zeitschrift Öko-Test vergab in Heft 12/2004 für den Abschirmschlauch das Gesamturteil “gut”. ESnord bietet das Produkt in unterschiedlichen Farben und in zwei Größen an. Unser Tipp: Nehmen Sie genau Maß und wählen Sie in Zweifelsfällen lieber den größeren Schlauch. Wir hatten zum Ausprobieren das kleinere Exemplar bekommen und dieses war für unser Test-DECT-Gerät prompt um wenige Millimeter zu klein. Wenn die DECT-Basisstation Bedienelemente hat (z. B. für Anrufbeantworter), kommt der Schirmschlauch übrigens an seine Grenzen: Denn ein Ertasten der Bedienelemente im Schlauch dürfte zur Geduldsprobe ausarten, vom fehlenden Sichtkontakt zum Display nicht zu reden. Bei den meisten derzeit im Handel erhältlichen DECT-Anlagen ist dies freilich kein Thema, da sich bei diesen Modellen Display und Bedienelemente ohnehin nur im Mobilteil befinden.
Mobilteile lassen sich nicht abschirmen
Gesamtwirtschaftlich gesehen kurios: Wer sich den ESnord-Schirmschlauch leistet, legt 54,60 Euro hin, um die Sendeleistung eines Schnurlostelefons wegzubügeln, das vielleicht nur 37 Euro gekostet hat. Außerdem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Abschirmung allein die Dauerstrahlung der Basisstation drosselt, das ans Ohr gehaltene Mobilteil sendet unverändert mit voller Leistung. Abschirmungen wie der Schirmschlauch mögen deshalb als Übergangslösung einen wertvollen Beitrag zur Reduzierung der Dauerbelastung durch DECT liefern, die bessere Lösung wären DECT-Anlagen mit einer für Basisstation wie Mobilteil wirksamen Leistungsregelung z. B. nach dem Muster des Mobilfunks (12.12.04-ll).
Weiterführende Links
Sendeleistung von DECT-Schnurlostelefonen: Mittelwert kontra Spitzenwert
Alu-Abschirmung für DECT-Basisstation
DECT-Zulassung läuft Ende 2008 aus
BMW erlässt für DECT Vorsorgewert
Gepulste Strahlung und ihre biologische Relevanz
Website durchsuchen |
---|
|
Aktionen zum Mitmachen |
Downloads |
Gratis-Umrechner für Leistungsflussdichte, Feldstärke und mehr |
Miniplakate fürs Auto |
An dieser Position blockiert ein Programm zur Unterdrückung von Popup-Fenstern oder ein Werbeblocker die Darstellung von Google-Anzeigen. |
Tipps & Tricks |
DECT-Basisstationen mit Alufolie entschärfen Handy klammheimlich auf Sendung? Selber testen mit Kofferradio! |
Kinder |
Spezielle Information für Kinder und Jugendliche Britischer Strahlenschutz warnt vor Kinderhandys Testballon: 3-Tasten-Handy für Kindergartenkinder |
Messen |
Handystrahlung innerhalb eines Linienbusses |