Werner Thiede: Erster Auftritt mit erstem Irrtum (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 01.01.2013, 22:45 (vor 4364 Tagen) @ H. Lamarr

Im Herbst 2010 publiziert Pfarrer Werner Thiede einen mobilfunkkritischen Artikel in der Zeitschrift UMG. Dabei passiert ihm das Missgeschick, eine substanzielle Zitatverfälschung zu begehen.

Das Problem von Pfarrer Thiede scheint zu sein, dass er - sobald es um das "technische Thema" Mobilfunk geht - an seinen Quellen keine Zweifel hat. Das macht ihn anfällig dafür, völlig unkritisch den Stuss zu verbreiten, den andere in die Welt gesetzt haben.

Bislang dachte ich, dass auch Herr Thiede, weil Theologe und damit Wissenschaftler, sich den Gepflogenheiten der Wissenschaft unterwerfen muss: Wissenschaftliche Forschung ist der nach Inhalt und Form ernsthafte und planmäßige Versuch zur Ermittlung der Wahrheit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Allem Anschein nach ist die Theologie jedoch keine unumstrittene Wissenschaft, wenn es nach dem Artikel geht Warum die Theologie keine Wissenschaft ist:

Die Position der Theologie ist, dass der religiöse Glaube einen anderen Zugang zur Wahrheit eröffnet, der den Naturwissenschaften für immer verschlossen ist. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sind angeblich in eine größere Wahrheit eingebettet, zu der nur der Glaube Zugang hat. Außerdem sieht sich die Theologie im Besitz absoluter Wahrheiten in Form der Dogmen.

Unter einem derart veränderten Blickwinkel werden die Handlungen von Prof. Thiede plötzlich verständlich, für ihn ist das Wahrheit, was seine Einschätzung der Situation beim "Risiko Mobilfunk" stützt, und ihm ist jeder suspekt, der dagegen hält. Mit Naturwissenschaft hat dies tatsächlich nichts zu tun, mit Dogmen dagegen schon. Und auf einmal wird klar, warum der Theologe unbesehen das als Wahrheit abkauft, was ihm das Ecolog-Institut auf silbernem Tablett serviert, und das verwirft, was ein richtiger Experte sagt. Mit "richtigen Experten" meine ich Leute von SSK und BfS, die sich, weil im Dienste amtlicher Stellen, jedes Wort 2-mal überlegen müssen. Ich meine das ist etwas anderes, Anspruchsvolleres, als wenn ich als Beschäftigter in der Privatwirtschaft zu einem Streitthema meinen Standpunkt vorbringe.

Prof. Thiede wurde hier im Forum erstmals im April 2008 aktenkundig. Damals behauptete er in einem Artikel (Sonntagsblatt):

In der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft warnte kürzlich der Physiker Stefan Spaarmann unter der Überschrift »Gefahr im Verzuge« vor Funk-Systemen, für die - wie derzeit bei DSL-Funk - damit geworben wird, dass ihre geringeren Sendeleistungen ungefährlicher seien.

Auf Nachfrage bestätigte dann Stefan Spaarmann, dass er nicht in "Spektrum der Wissenschaft" publiziert hätte, eher ginge ein Kamel durchs Nadelöhr, bevor dieses Magazin einen Artikel von ihm abdrucken würde. Klar, "Spektrum der Wissenschaft" ist eine seriöse Zeitschrift, die sich nicht für Hokuspokus einspannen lässt. Damals war es die Bürgerwelle, die Prof. Thiede an der Nase herumführte. Die Wiedergutmachung der Bürgerwelle ist eine positive und quälend lang geratene Besprechung des jüngsten Buches von Werner Thiede. Rezensent ist Peter Schlegel, ein Baubiologe, also ein Vertreter der Branche, die am meisten von Gruselgeschichten für Erwachsene über das angebliche Risiko Mobilfunk profitiert. Und auch bei Amazon sind die Rezensenten voll des Lobes. Zu voll, um glaubhaft zu sein (mindestens vier der gegenwärtig sieben Rezensenten sind bekennende Mobilfunkgegner). Das Muster solcher Besprechungen ist bekannt: Mobilfunkgegner, von vielen als Sonderlinge belächelt, sind ohnehin von jede Form von unterstützender Gegnerschaft begeistert, andere aber interessieren sich für das Randthema nicht, so dass die Wertungen von Otto Normalverbraucher oder gar Skeptikern dort fehlen. Ich z.B. werde mir das Buch mit Sicherheit nicht zulegen, es wäre für mich aller Voraussicht nach gesundheitsgefährdend ;-).

Heute, vier Jahre später, hat der Professor nichts von seiner Gutgläubigkeit gegenüber organisierten Mobilfunkgegnern verloren, er liefert sich ihnen sicherlich fleißig aber eben auch blind ergeben als akademischer Repräsentant aus. Denn das, worauf die Mobilfunkgegnerei bei dem mobilfunkfeindlichen Pfarrer scharf ist, sind mMn erstrangig seine Titel, mit denen sich gegenüber Laien, ganz im Stil der sogenannten Kompetenzinitiative, Kompetenz vorgaukeln lässt, wo keine Fachkompetenz ist. Genauer: Wo keine in technischer oder biologischer Hinsicht ist. Die Kompetenz von Pfarrer Thiede in ethischer Hinsicht stelle ich nicht infrage - weil ich sie nicht beurteilen kann.

Was Pfarrer Thiede mMn komplett übersieht ist der Schaden, den er mit seinen unqualifizierten Äußerungen zum Thema Mobilfunk bei sensiblen Menschen anrichten kann. Denn er kann nicht ausschließen, dass sich potenzielle EHS im blinden Vertrauen auf seine vermeintliche Kompetenz in EMF-Sachfragen dazu entschließen, sich EHS als Phobie der Wahl zuzulegen, so wie ich das im Fall "Semmelweis" authentisch erlebt und dokumentiert habe.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Verfälschung, Pfarrer, Thiede, Theologe


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