des Kanzlers neue Umgangsformen mit den Journalisten
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2004, Nr. 57 / Seite
F.A.Z.
Journalistenboykott
Die Medienfixierung der Macht
Von Michael Hanfeld
07. März 2004 Es ist in den letzten Tagen zwar viel Schlechtes über das grassierende Beraterunwesen zu berichten gewesen, doch scheint es an einer Stelle im Staate an fachkundiger Beratung doch ganz erheblich zu mangeln: Der jetzt von Béla Anda, dem Sprecher der Bundesregierung, nochmals öffentlich unterstrichene Boykott bestimmter Journalisten ist das letzte, wozu man Gerhard Schröder raten möchte.
Wer in der Branche sich noch nicht mit den von ihm zu Sündenböcken erkorenen Reportern der "Bild"-Zeitung solidarisieren wollte, weiß jetzt, daß alle in einem Boot sitzen beziehungsweise in eines gesetzt werden. Der selbst betroffene Berlin-Chef des "Stern" hat es gestern im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hervorgehoben und offenbart, daß es hier nicht allein um eine Boulevardzeitung geht: Dahinter, sagt Hans-Ulrich Jörges, steckt ein System: Journalisten werden in "gut" und "böse" sortiert. Die Guten bekommen Interviews und dürfen ins Flugzeug steigen und mit dem Bundeskanzler in die Türkei oder in die Vereinigten Staaten reisen, die Bösen müssen zu Hause bleiben.
Dauerinszenierung
Daß dies nicht aus Platzgründen geschieht, hat der Regierungssprecher letzte Woche - auch das ein schwerer handwerklicher Fehler - mehr oder minder offen zugegeben. Im Grunde genommen aber ist dieses Verhalten nur konsequent: Wer glaubt, allein mit und durch die Medien, vor allem das Fernsehen, oder "Bild, BamS und die Glotze" Politik machen zu können, der muß diejenigen außen vor halten, die bei diesem Konzept nicht (mehr) mitziehen. Das Problem ist, daß man es sich mit denen, die an dieser Dauerinszenierung von Politik nie so recht teilnehmen wollten, längst in den vermeintlich guten Zeiten verscherzt hat. Deswegen darf die Regierung bei ihrer ununterbrochenen Klage über die Presse auf Anteilnahme längst nicht mehr hoffen. Sie hat ihre Karten ausgereizt.
Bei den Bundestagswahlen 1998 und 2002 hat der schöne Medien-Schein die Probleme noch überstrahlt. Beim ersten Mal war der Wahlsieg getragen von der beherrschenden Stimmung, daß die Regierungszeit von Helmut Kohl nicht mehr länger währen sollte. Das ließ sich im Fernsehen und in der bunten oder sogenannten "People"-Presse wunderbar transportieren. Vier Jahre später waren die Matadoren selber verblüfft, daß ihre PR doch noch in letzter Sekunde den entscheidenden Vorteil gebracht hatte. Was bildete sich die SPD nicht alles ein auf ihre teure "Kampa", auf ihre coolen Slogans und die telegenen Auftritte Schröders bei den "Kanzlerduellen" vor der Kamera? Doch war das ja nur der Wahlkampf.
Zuckerbrot-und-Peitsche-Spiel
Eine Regierung aber muß mehr können, sie muß Politik nicht verkaufen, sondern produzieren, sie muß regieren, auch wenn sich das nun einmal lange nicht so gut in Bilder fassen läßt, zumal wenn die Regierungspolitik in unpopulären Reformen und schmerzhaften Einschnitten besteht. Zeit, sich darin zu üben, hatte diese Bundesregierung reichlich. Doch übt sie eben auch nur, seit ihrer Amtseinführung 1998 bis heute. Die Frustration darüber, daß das eigene Ansehen vor allem bei den Wählern schwindet, wird nun an denen ausgelassen, auf deren Handwerk und Vermittlung man sich bis dato verlassen hatte. Auch das hat der Berliner Chefkorrespondent des "Stern" benannt: Die Wut über den Unmut der Bürger an der Regierung läßt diese an den Journalisten aus. Als nächstes müßte man nur noch die Wähler beschimpfen. Der Kreis, er schließt sich.
Es ist aber nicht nur das ewige Selbstmitleid und öde Lamento aus Berlin, das nicht nur die Journalisten nicht mehr ertragen können. Es ist die fortwährende Doppelzüngigkeit, das Zuckerbrot-und-Peitsche-Spiel mit den Medien, das mal zu den tollsten, vermeintlichen Insidergeschichten führt, dann aber zu Anzeigen und strafrechtlicher Verfolgung, die ans Absurde grenzt. Rufen wir uns nur den Prozeß über Gerhard Schröders angeblich gefärbte Haare in Erinnerung oder Franz Münteferings schnell wieder zurückgezogene Anzeige wegen der "Bild"-Berichterstattung über die Bonusmeilen-Affäre.
Frontstellung
Dabei ist das hier bemühte Feind- "Bild" nur ein mühsames Konstrukt. Es sind nämlich die traditionell eher "linken" Zeitungen und Zeitschriften, die dieser Regierung am härtesten zusetzen, wie empirische Erhebungen ein um das andere Mal herausstellen. Und es sind die Chefredakteure des "Stern", der "taz", des "Tagesspiegels" und der "Financial Times Deutschland", die - neben dem Chef der "Bild" - in einem gemeinsamen Brief monieren, daß die Regierung Journalisten wegen politischer Mißliebigkeit ausgrenzt und die freie Bericherstattung behindert (F.A.Z. vom 6. März).
Die Frontstellung gegen Springer läßt sich, wie der "Stern"-Journalist Jörges sagt, zwar nach außen hin und den eigenen Leuten gegenüber gut verkaufen, verstellt aber den Blick auf die wirklichen, die größeren Verwerfungen. Wie ist zum Beispiel zu erklären, daß die "Bild am Sonntag" bei der Regierung als "gut" gilt, wo sie doch dieselbe Geschichte wie die "Bild" gebracht hat zu der Frage, wie Doris Schröder-Köpf mit der politischen Krise ihres Mannes umgeht? Mit dem Unterschied, daß die Kanzlergattin die Geschichte in der BamS "bis auf den Wortlaut per Fax zuvor genehmigt hat".
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