Das Vorsorge-Prinzip

Otto Eichsporn, Sonntag, 07.03.2004, 10:16 (vor 7587 Tagen)

Thomas Jung und Olaf Schulz vom Bundesamt für Strahlenschutz BfS stellen in ihrem Bürgerforum Elektrosmog 1999 richtigerweise fest: "Bei der Risikokommunikation Mobilfunk geht es um Vertrauen in die Richtigkeit von Daten und Fakten." :
- Vertrauen in die Kompetenz der Beteiligten,
- Vertrauen in die Fairness, Chancengleichheit und Offenheit der Kommunikationspartner.
- Vertrauen in die soziale Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Justiz gegenüber der Bevölkerung.

Hinsichtlich der Kompetenz der Beteiligten bewegt sich die Diskussion im Spannungsfeld zwischen zwei Extremen, die jedes für sich entscheidende logische Defekte enthalten:
Die den Mobilfunk befürwortenden Wissenschaftler argumentieren mit wissenschaftlich nachgewiesenen Zusammenhängen zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern, lehnen eine Revidierbarkeit und Irrtumsfähigleit ab und benötigen dazu das Realexperiment mit unvorhersehbaren ökonomischen und ökologischen Folgen, für die sie gleichzeitig jede Verantwortung ablehnen. Der logische Defekt dieser Argumentation besteht darin, daß die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Mobilfunks nicht im vorhinein wissenschaftlich bestätigt werden kann.
Die den Mobilfunk kritisierenden Wissenschaftler argumentieren mit wissenschaftlich begründeten Verdachten, die sich bei entsprechend unterstützter Forschung schnell zu wissenschaftlichen Nachweisen verdichten können und fordern die gleichgewichtige Umsetzung von wissenschaftlichen Nachweisen und wissenschaftlich begründeten Verdachten in vorsorgliche Grenzwerte. Der logische Defekt dieser Argumentation besteht darin, daß die Vorsorge den Beweis für ihre Richtigkeit zwangsläufig schuldig bleiben muß, wenn dadurch die befürchteten Gesundheitsschäden ausbleiben.

Hinsichtlich Fairness, Chancengleichheit und Offenheit sollten sich beide Parteien einerseits ihre Revidierbarkeit und Irrtumsfähigkeit, andererseits ihre Beweisnot zugestehen. Der Kompromiß wäre die Einigkeit im Erkenntnisstreben von wissenschaftlichem Vorsichtprinzip und noch-nicht-wissenschaftlichem Vorsorgeprinzip und die gleichgewichtige Umsetzung von wissenschaftlichen Nachweisen und wissenschaftlich begründeten Verdachten in gemeinsame gesundheitsbezogene vorsorgliche Grenzwerte.

Hinsichtlich der sozialen Verantwortung können sich dann Politik und Justiz die Macht ihres eigenen Urteils zurückerobern. Die Offenlegung wissenschaftlicher Unsicherheit ist die Befreiung der Politik, des Rechts und der Bevölkerung aus ihrer technokratischen Unmündigkeit. Und der Mobilfunkindustrie ist wieder die volle Verantwortung und alleinige Haftung für die technischen, finanziellen und gesundheitlichen Folgen ihrer Produkte zuzuweisen. Soziale Verantwortung kann man nicht verordnen, aber durch Haftung entscheidend bewußt machen.

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