Obereggersberg: Vergleich Prognose zu Messprotokoll (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.07.2014, 14:33 (vor 3800 Tagen) @ H. Lamarr

Der springend Punkt für mich ist: Inwieweit bestätigt das Messprotokoll die Prognose des Umweltinstituts München. Ein Vergleich sollte Erhellendes an den Tag bringen

Sodalla.

Die Messungen des EM-Instituts (PDF) überraschen zuerst einmal mit den Örtlichkeiten, wo gemessen wurde. Denn acht der zehn Messpunkte liegen nicht in Obereggersberg, dem Stein des Anstoßes, sondern im ungefähr drei Kilometer entferntem Riedenburg. Erklären kann ich mir dies nur durch persönliche Interessen einflussreicher Riedenburger, die, aufgeschreckt von den heftigen Diskussionen um den nagelneuen Sendemasten in Obereggersberg, plötzlich besorgt sind wegen der Sendetechnik im eigenen näheren Umfeld.

Ein Messpunkt trifft zugehörigen Prognosepunkt
Der Vergleich der Immissionsprognose (PDF) für Obereggersberg kann daher nur an den verbleibenden zwei Messpunkten stattfinden, was einem qualifizierten Vergleich an möglichst vielen unterschiedlichen Messpunkten im Wege steht.

Geschickterweise hat das EM-Institut jedoch einen der beiden Messpunkte (in etwa) an dieselbe Stelle gelegt, für die auch das Umweltinstitut München eine numerische Prognose abgegeben hat. Aus dem Gewirr der gut 20 Prognoseszenarien das zutreffende zu finden war gar nicht so einfach. Da der Südsektor des Schlossstandorts nicht aufgeschaltet und auf UMTS verzichtet wurde, ist der Prognosepunkt W01nki1 in Abbildung 21 der Immissionsprognose das richtige Vergleichsobjekt zum Messpunkt 9 des EM-Instituts (siehe folgende Grafiken):

*** Ausschnitt aus Abbildung 21 der Immissionsprognose ***
[image]
Grafik: Umweltinstitut München

*** Gleicher Ausschnitt aus dem Messprotokoll für Obereggersberg ***
[image]
Grafik: EM-Institut, Regensburg

Messpunkt 9 liegt nur wenige Meter vom Prognosepunkt W01nki1 entfernt, allerdings in einem Gebiet mit inhomogener Feldverteilung, wo sich also alle paar Meter die Immission ändert. Und da ein Unglück selten allein kommt, verdeckt die Beschriftung W01nki1 in der Prognosegrafik den Immissionspunkt, an dem das EM-Institut gemessen hat. Ein exakter Vergleich ist unter diesen Bedingungen (Immission wechselt von grün nach gelb) nicht möglich, wir müssen uns mit dem begnügen, was möglich ist.

Messpunkt 9: Prognose überschätzt Immission
Für Messpunkt 9 benennt das EM-Institut eine Grenzwertausschöpfung von 1,44 Prozent, wogegen das Umweltinstitut München für den Prognosepunkt W01nki1 eine Immission von 1,1 V/m prophezeit. Beide Angaben sind nicht vergleichbar, da sich aus der Grenzwertausschöpfung eines Sendemasten, der unterschiedliche Funknetze bedient (hier: GSM und LTE), nicht auf die elektrische Feldstärke umrechnen lässt. Das EM-Institut nennt im Tabellenteil des Messprotokolls auf Seite 19 jedoch zusätzlich auch detailliert die gemessen Feldstärken. Der minimale Messwert am Messpunkt 9 beträgt 0,26 V/m (180 µW/m²), das ist der Wert, wenn der Sender im Schloss unbeschäftigt ist, z.B. nachts. Der maximale Messwert beträgt 0,58 V/m (900 µW/m²), das ist der Wert, wenn der Sender im Schloss voll ausgelastet ist, z.B. in Silvesternächten. Beide Messwerte sind belanglos niedrig.

Zum Vergleich eignet sich nur der maximale Messwert, da die Immissionsprognose das ungünstigste Szenario beschreibt. Der Prognose von 1,1 V/m steht daher der Messwert von 0,58 V/m gegenüber und dies bedeutet: Die Prognose überschätzt die tatsächliche Immission um den Faktor Zwei. Dies ist aus meiner Sicht eine erstaunlich geringe Abweichung, zumal das EM-Institut vermutlich 1,5 Meter über Grund gemessen hat, die Prognose jedoch für vier Meter über Grund gilt. Die Differenz der Werte könnte allein schon aus dem Höhenunterschied folgen.

Messpunkt 10: Prognose unterschätzt Immission
Für Messpunkt 10 des Messprotokolls (maximal 0,21 V/m, in der Grafik oben nicht zu sehen) gibt es zum Vergleich keinen numerischen Wert, so dass sich der Vergleich allein auf die Farbskala in Abbildung 21 der Prognose stützt. Der tiefgrünen Farbe am Messpunkt 10 sind 0,05 V/m zugeordnet, wobei auch hier wieder die Beschriftung "Obereggersberg" in Abbildung 21 so ungünstig liegt, dass die Farbe direkt an Messpunkt 10 nicht zu erkennen ist. Wenn auch nur ungenau, so lässt sich anhand der angebotenen Informationen eine Unterschätzung der tatsächlichen maximalen Immission um den Faktor Vier feststellen. Dies ist mMn überraschend, denn bislang dachte ich, Immissionsprognosen lägen grundsätzlich zu hoch, um eine möglicherweise rechtsrelevante Risikounterschätzung auf jeden Fall auszuschließen. Messpunkt 10 in Obereggersberg belegt, dass dies nicht ausnahmslos zutrifft.

Fazit: Außer Spesen nichts gewesen
Hätte es mehr Messpunkte in Obereggersberg und weniger in Riedenburg gegeben, der Vergleich zwischen maximal prognostizierter Immission und maximaler tatsächlicher Immission wäre genauer. So bleibt nur festzuhalten, dass die Stadt Riedenburg durch ihr planloses Vorgehen (nur zwei Messpunkte im Brennpunkt Obereggersberg) die Chance verschenkt hat, eine teuer bezahlte Imissionsprognose durch Kontrollmessungen qualitativ zu bewerten. So bleibt es bei Stückwerk ohne Nutzung von Synergie-Effekten. Die einzigen, die einen Nutzen von beiden Investitionen haben sind mMn die Riedenburger, die in der Nähe eines Messpunkts wohnen oder arbeiten und jetzt mehr wissen als zuvor. Doch auch dieser Nutzen ist marginal. Da sämtliche Werte weit unter Grenzwert liegen, würden Riedenburg und Obereggersberg heute auch ohne Immissionsprognose und Messprotokoll da stehen, wo sie jetzt sind: auf der sicheren Seite.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EM-Institut, Steuerverschwendung, HF, Immissionsprognose, EMF-Prognose, Messungen, Fass, Messpunkte


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