Spitzenwert ! (oder Wert für Anlagenvollauslastung) (Allgemein)

Kuddel, Sonntag, 15.12.2013, 15:33 (vor 4003 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Sonntag, 15.12.2013, 17:55

Abschätzung:
Eine DECT Basis darf maximal 250mW Leistung während des Sendepulses in die Antenne einspeisen = "burst power" (typisch bleiben Hersteller meist etwas darunter).
Die Antennen einer DECT Station bestehen oft aus einfachen Viertelwellenstrahlern, deren Gewinn kaum 3dBi übersteigen dürfte.
Mithin beträgt die fiktive, Äquivalent-Isotrope Strahlungsleistung während des Sende-Pulses maximal 500mW EIRP
(Die Angaben verstehen sich "worst case", bedeutet niemals mehr, typisch eher weniger)

Die Leistungsflußdichte in W/m² erhält man, indem man die Äquivalent Isotrope Strahlungsleistung durch die Kugeloberfläche (4*Pi*r²) teilt.
Eine Kugel mit 1,5Meter Radius hat eine Oberfläche von 28m². Ergibt => 0,5W/28m²=18mW/m²
Die Strahlungsleistungdichte in 1,5Meter Abstand beträgt also "worst case" 18mW/m² während des Sendepulses, aber auch nur in den Raumwinkel, in welchem die Antenne ihren maximalen Gewinn hat. Umgerechnet in Feldstärke ergibt das 2,6V/m während des Sendepulses ("worst case", typisch eher weniger).
Da bei DECT zwischen den Sendepulsen aber sehr lange Sendepausen eingefügt sind, ist der offizielle RMS Wert gemäß Blmschv deutlich geringer.

Eine DECT Basis arbeitet mit 24 Zeitschlitzen und kann damit theoretisch bis zu 12 Gesprächen gleichzeitig abwickeln (Je ein Zeitschlitz-Paar für Sendung und Empfang, genannt "time domain duplex = TDD).

Aber Konsumer-DECT-Basisstationen verfügen üblicherweise nur über eine Telefonleitung, was bedeutet, dass ein Konsumergerät in Senderichtung "praktisch" gesehen nur einen Zeitschlitz belegen kann.

Dies ist ein Unterschied zu einer GSM Basis, bei welcher alle Zeitschlitze belegt werden können, denn GSM Stationen haben in der Regel genug "Telefonleitungen" und arbeiten mit getrennten Frequenzen für Senden und Empfangen (FDD).

Der "Worst Case RMS" Wert der Strahlungsleistungsdichte einer DECT Basis in 1,5Meter Abstand beträgt also (18mW/m²)/24 = 0,00075 W/m² = 0,75mW/m² = 750 uW/m², entsprechend einer Feldstärke von E=0,53V/m (rms)

Wenn Herr Raithel 1,6V/m "gemessen" haben will, dann kann es sich also nicht um den RMS Wert handeln, sondern entweder um den Spitzenwert, oder den Wert für eine fiktive "Vollauslastung" einer DECT Basis (welche Konsumer-DECT-Geräte aber nicht unterstützen).

Das offizielle Messverfahren gemäß der 26. Blmschv verlangt bei Feldstärke-Messungen eine Bestimmung derRMS Werte.

Wie man den im Internet kursierenden Gutachten entnehmen kann, verwendet das Umweltinstitut Spektrumanalysatoren (Typ R&S FSH) zusammen mit der "Schwenkmethode" um räumliche Spitzen zu erfassen (worst case Betrachtung).

Der Spektrumanalysator ist dabei auf "peak Hold" eingestellt, der Demodulator auf "RMS", wobei aber die "RMS"-Integrationszeit nur wenige Mikrosekunden beträgt, abhängig von der eingestellten "Sweep" Zeit. Je länger die "Sweep" Zeit, desto länger die RMS Integrationszeit.
Die Schwenkmethode erlaubt für die korrekte Erfassung ortsabhängiger Feldstärke-Maxima aber nur kurze Sweep-Zeiten und der Spektrum-Analysator berücksichtigt daher bei der RMS Berechnung nicht das Puls-Pauseverhältnis, sondern erfasst prinzipiell das Ortsabhängige Maximum der so genannten "burst power" während des Schwenkvorgangs, während die kurze RMS-Mittelung nur innerhalb des Sendepulses stattfindet, um kurze EDGE-Amplitudenschwankungen korrekt erfassen zu können.


Da im Schwenk-Vorgang die "burst power" erfasst wird, entspricht das Meßergebnis bei GSM-Messungen ohne Anwendung rechnerischer Korrekturen der möglichen "Anlagen-Vollauslastung" auf der Messfrequenz bei Belegung aller Zeitschlitze, nicht aber dem realen RMS Wert.

Wie weiter oben schon ausgeführt, gibt es bei Konsumer-DECT Geräten aber keine "Anlagen-Vollauslastung", weshalb die "GSM" Messmethode zu falschen, bzw um Faktor 24 zu hohen Meßergebnissen führt.

Herr Raihtel hätte m.M.n. für eine normgerechte Messung der DECT Station die Einstellungen seines Spektrumanalysators entsprechend abändern müssen, oder das Ergebnis rechnerisch den tatsächlichen "Auslastungs"-Verhältnissen der DECT Basisstation anpassen müssen.

Zu dieser Problematik hier ein fachlicher Artikel von Prof. Wuschek von der Hochschule Deggendorf.

Zitat: Die Grenzwerte vonICNIRP, EU- Ratsempfehlung und 26. BImSchV sind angegeben als Effektivwerte
(RMS-Werte)der elektrischen und magnetischen Feldstärke. Im gleichen Sinn definieren die Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften die Expositionserfassung für den Arbeitsschutz [5].
Sowohl bei frequenzselektiven als auch bei Breitbandmessungen ist also sicherzustellen, dass der ermittelte Feldstärkewert in geeigneter Weise proportional zur Wurzel der vom Körper absorbierten Leistung ist
(RMS-Erfassung).
Besonders problematisch gestaltet sich hierbei die Messung von Immissionen, verursacht durch Signale mit großem Crestfaktor (d.h. Signale, bei denen kurzzeitig Augenblickswerte mit Leistungen auftreten, die deutlich über der mittleren Signalleistung liegen).

Letzteres trifft auf DECT zu. Der Crest Faktor ist hoch und die Messgeräte-Einstellungen für GSM nicht 1:1 auf DECT Übertragbar.

Es stellt sich die Frage, ob Herr Raithel "Spitzenwerte" angibt, weil er "Baubiologe" ist, oder weil es einfach keine offizielle Messvorschrift mit Vorschlägen für konkrete Messgeräte-Konfigurationen gibt, die das vergleichseweise hohe Puls-Pauseverhältnis einer DECT Emission korrekt als RMS Wert erfasst.

Möglicherweise trifft beides zu: Herr Raithel könnte sich darauf berufen, daß es keine konkrete Meßvorschrift gibt, die ihn zwingt, die DECT-Messwerte durch 24 zu teilen.

Aber auch in anderen Meßprotokollen ( LFU, IMST) habe ich schon gesehen, dass dem DECT eine theoretisch denkbare "Vollauslastung" unterstellt wird.

Ich habe da gelegentlich den Eindruck, dass bewusst ein Äuglein zugedrückt wird, weil die schön "hohen" (weil nicht normgerecht erfassten) DECT Mess-Werte sowohl Mobilfunkbetreibern als auch Behörden, als auch Baubiologen sehr gelegen kommen.
Auch den Behörden, weil sie viel Arbeit mit den Einsprüchen gegen Masten haben und sich das "DECT Argument" (stärkste Quelle ist im Haus) gut eignet, um Wutbürger durch das Mittel der Relativierung zu beruhigen.

K

Tags:
Spitzenwert, Spektrumanalysa, Volllast, Peak-Hold, Kompetenzgefälle, Ulrich, Standortplanung, Mittelung


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