" Funky School " - oder: Wie die Angst in die Schule kommt (Allgemein)

Dorfreporter, Montag, 20.05.2013, 17:43 (vor 4211 Tagen)
bearbeitet von Dorfreporter, Montag, 20.05.2013, 18:12

Erfahrungsbericht vom 12. Rheinland-Pfälzisch-Hessischen Umwelt- und Mobilfunksymposium des BUND in Mainz.

Oft schon wurde das Vorhaben aus den Reihen der Mobilfunkgegnerschaft herbeigewünscht, nun soll es verwirklicht werden: Das Thema "Mobile Kommunikation" soll als Projekt in die Schulen gebracht werden. Dies jedoch nicht mit Bezug auf dessen Möglichkeiten und Chancen. Vielmehr soll es dabei um Risiken und Gefahren gehen, also um die spezielle Sicht der organisierten Mobilfunkgegner.

Über ein neuestes derartiges Projekt berichtete Marco Danscheid von der Consulting-Firma "LernEffekt" am 11. Mai 2013 im Rahmen des "12. Rheinland-Pfälzisch-Hessischen Umwelt- und Mobilfunksymposium" in Mainz. "Lerneffekt" will demnächst das Projekt "Funky School" starten. Man hat sich für dieses Vorhaben offenbar sogar eine Förderung durch die 'Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein Westfalen' sichern können.

Danscheid erläuterte sein Vorhaben in einem flotten Powerpoint-Vortrag. Man habe sieben Schulen in NRW für das Projekt ausgedeutet. Das Vorhaben kommt, oberflächlich betrachtet, sympathisch daher. Denn angeblich tue an den Schulen die Aufklärung über den Mobilfunk not: "Wie funktionieren eigentlich Smartphones und Tablets?" etwa sei eine zentrale Frage - ob sich diese allerdings heutigen Schülern wirklich stellt, die mit derartigen Geräten wie selbstverständlich umgehen, wäre eine gesonderte Betrachtung wert. Die Frage wird von den "Funky school"-Machern wohl deswegen hervorgehoben, um bei irgendwie besorgten Eltern Interesse und Zustimmung zu erzeugen.

Worum es im Detail aber tatsächlich gehen soll, wird bei genauerem Blick auf die Themen deutlich, die Danscheid mit "Funky School" an die Schulen bringen will. Die Schülerschaft soll nämlich bezüglich angeblicher "Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk" sensibilisiert werden. Dies ganz offensichtlich unter Verwendung bedenklich einseitig selektierten, wissenschaftlich nicht haltbaren Materials, wie es vornehmlich von den Homepages der "Mobilfunk-ist-gefährlich!" - Alarmszene bekannt ist.

So präsentierte Danscheid dem Publikum allen Ernstes, als eine Art Leitfaden für die Arbeit an den Schulen, eine Broschüre der extremen Mobilfunk-Alarmorganisation "Kompetenzinitiative e.V." ("Warum wir zum Schutz der Kinder tätig werden müssen"). Und der direkte Draht zu den Kindern soll mit einem Fragebogen hergestellt werden, welcher bereits in den verwendeten Fragestellungen Verunsicherung zu erzeugen vermag.

Schülerexperimente an Käfern und Mehlwürmern, weder wissenschaftlich fundiert noch überhaupt ernsthaft wissenschaftlich überprüft, sollen die Kinder spielerisch in das Thema der angeblichen Strahlengefahren hineinziehen. Und entlang der Projekt-Fragestellung "Wie hoch ist die Strahlung an unserer Schule?" dürfte sogar mitten im Lern- und Lebensraum der Kinder Verunsicherung und Angst erzeugt werden.


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Marco Danscheid von "LernEffekt" spricht beim 12. Umwelt- und Mobilfunksymposium des BUND. Im Hintergrund Veranstaltungsleiter Friedbert Lohner (BUND).

Die Liste der Unterstützer des Projekts "Funky School" lässt Zweifel an den Intentionen der "Funky School"-Macher aufkommen. Mit "Diagnose-Funk" ist eine Organisation dabei, die sich schon seit einiger Zeit viele Fragen gefallen lassen muss bezüglich der Transparenz ihrer Arbeit, ihres behaupteten Status' als angebliche "Verbraucherorganisation", und der nicht offen eingestandenen Interessen, die sich ihrem Auftreten unterstellen lassen. Denn auch aus mobilfunkkritischen Reihen sieht sich "Diagnose-Funk" inzwischen mit dem Vorwurf konfrontiert, einseitig interessegeleitete Verbandsarbeit zugunsten von Profiteuren einer irrationalen Angst vor Mobilfunk zu betreiben - im Sinne von Baubiologen, Messgerätefirmen, Herstellern von Abschirmmaterialien und -kleidung, Anbietern esoterisch anmutender "Dienstleistungen". "Diagnose-Funk" arbeitet wiederum mit der bereits erwähnten "Kompetenzinitiative" zusammen, ebenso mit der sogenannten "Landesinitiative Mobilfunk und Elektrosmog NRW", die beide ebenfalls das Projekt "Funky School" unterstützen. Auch zwei Firmen für Strahlenabschirmung und ein Hersteller von Strahlenmessgeräten lassen sich auf der Unterstützerliste finden.

"Funky School" schleust somit ein Netzwerk aus weltanschaulich motivierten Organisationen sowie marketinginteressierten Firmen in die Schulen hinein - der Verdacht dahinterstehender Profit- wie auch ideologischer Interessen ist nicht von der Hand zu weisen.

Auffällig auch: Kompetente, unabhängige Fachorganisationen werden im Gegensatz dazu völlig ausgeblendet. Für den beabsichtigten Gang an öffentliche Schulen naheliegend, wenn nicht sogar zwingend, wäre zum Beispiel die Einschaltung des Bundesamtes für Strahlenschutz oder wenigstens der Bezug auf von dort kommende Empfehlungen. Das Amt ist schließlich bundesweit bezüglich der Einhaltung von Grenzwerten fachlich zuständig und gibt überdies schon lange Empfehlungen zur Nutzung des Mobilfunks heraus.

Referent Danscheid vermittelte in seinem 20-minütigen Vortrag vor mutmaßlich zu 100% mobilfunkkritisch eingestellten Zuhörern den Eindruck, dass man mit "Funky School" einen niedrigschwelligen Zugang in die Schulen sucht. So werden Themen in den Unterricht lanciert, die Verunsicherung und Ängste auslösen müssen und es wohl auch sollen. Im Kontext der vorgeblichen "Aufklärung" werden Wohnungen und Umwelt der Schüler, wird die Schule selbst zum Ort der Gefährdung durch Strahlung, entsteht folglich im Kopf der Schüler die Vorstellung von einem zusammenhängenden Gefahrenraum, in dem sie sich angeblich bewegen. Derartige Darstellungen sind aber durch wissenschaftliche Erkenntnisse mitnichten gedeckt.

Danscheid präsentierte sein Projekt als ursprüngliche Initiative der erwähnten Organisation "Diagnose-Funk". Seine Firma "LernEffekt" wirkt dabei offenbar als Dienstleister in vorgeblich guter Sache. Verschwiegen wurde allerdings, dass Danscheid selbst bereits als Referent bei Diagnose-Funk firmierte. Die Geschäftsmodelle von "LernEffekt" und "Diagnose-Funk" ergänzen sich im Blick auf die angepeilte Zusammenarbeit an den Schulen sehr gut.

Manipulative Techniken an den Schulen - mit behördlicher Duldung?

Auch zum veranstaltenden Unternehmen "LernEffekt" selbst ergeben sich Fragen. Auf der Homepage des Unternehmens werden dessen Referenten u.a. als "NLP-Trainer", als "NLP-Practitioner", "Team-Management-System-Trainer" vorgestellt, weitergebildet u.a. im "provokativen Stil nach Frank Farelly".

"Wikipedia" beschreibt "NLP" (Neurolinguistische Programmierung) als eine Sammlung von Kommunikationstechniken und Methoden "zur Veränderung psychologischer Abläufe im Menschen". Die Methode sei in ihrer Wirksamkeit umstritten oder werde als unwissenschaftlich abgelehnt. Es handele sich dabei um eine Pseudowissenschaft mit esoterischen Bezügen.

Zu befürchten ist also, dass mit "Funky School" in öffentlichen Schulen, mit Kindern und Jugendlichen als Adressaten, ein Experimentierfeld eröffnet wird, innerhalb dessen suggestive und manipulative Methoden direkt an Kindern und Jugendlichen ausprobiert werden sollen. Es ist fraglich, ob Derartiges an öffentlichen Schulen überhaupt statthaft sein kann.

Denn wozu bildet der Staat seine eigenen Pädagogen und Lehrkräfte aus, wenn er im Gegenzug die ihm anvertrauten Schüler wie auch seine eigenen Pädagogen den Praktiken von Unternehmensberatern, Coachern und sogenannten "NLP"-"Teamern" aussetzt?

Für Kinder besteht generelle Schulpflicht. Im Gegenzug ist der Schulträger dazu verpflichtet, Schülerinnen und Schüler vor derartig einseitigen, absichtsvollen Einflussnahmen zu bewahren, wie sie mit "Funky School" in überraschend unverhohlener Weise geplant sind.

Weitere Informationen (Links gemäß Stand 20.5.2013):

http://www.bund-rlp.de/fileadmin/bundgruppen/bundrlp/Mobilfunksymposium/12._Mobilfunksymposium/Danscheid_Vortrag_BUND_2013.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Neurolinguistisches_Programmieren

http://www.unternehmen-lerneffekt.de/index.php/ueber-uns.html#team

Verwander Strang
Funky School: Zweifelhaftes Unterrichtsmaterial für Schüler (hinzugefügt Admin, 29.05.13).

Tags:
BUND, Kinder, Kompetenzinitiative, Einflussnahme, Netzwerk, VDB, Hintergründe, Knotenpunkt, Verband-Baubiologie, Verbandsarbeit, Sendungsbewusstsein, Schulprojekt, Leitfaden, FunkySchool, Strahlenschutz, Sumpf, Pädagoge, Danscheid, Kollektiv, LernEffekt

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