Vernichtung wissenschaftlicher Mobilfunkdaten gescheitert (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 30.01.2011, 02:15 (vor 5052 Tagen) @ KlaKla

Dieser jüngste Vorstoß des Professoren-Duos Adlkofer/Richter war kürzlich auch im Spatenpaula-Strang kurz Thema.

Die Pressemeldung der Stiftung Pandora zu der angeblichen Vernichtung datiert vom 18. Januar 2011. Erfolg beschieden war ihr bis heute jedoch nicht. Google-News meldet unter dem Suchbegriff "Vernichtung wissenschaftlicher Mobilfunkdaten" Null Treffer.

Meines Wissens ist die Neue Rheinische Zeitung die einzige, die jetzt - mit ordentlicher Verspätung - die Meldung bringt. Keine Überraschung. NRhZ-Online kann als Sprachrohr der sogenannten Kompetenzinitiative gesehen werden, Karl Richter bringt seine alarmierenden Werke dort regelmäßig unter. Die Zeitung rühmt sich, vor allem Nachrichten zu bringen, "die keinen Eingang in die großen Medien finden, weil sie nicht in den konzernabhängigen Mainstream passen." Das kann man auch anders sehen: Den vorgetragenen Sermon identifizieren alle anderen als allzu durchsichtigen Versuch einer gezielten Meinungsmache und entsorgen ihn deshalb journalistisch korrekt und formlos in Ablage P. Dort haben ihn dann mMn eher peinliche Trittbrettfahrer wie Memon aufgelesen - was für ein Trauerspiel, was für ein Niedergang einstiger wissenschaftlicher Autorität.

Am Ende ihres Werks schreiben die Profs:

Die epidemiologische Forschung liefert darüber hinaus zunehmend Belege dafür, dass die in Wien und anderswo beobachtete Schädigung des Genoms menschlicher Zellen sehr wohl zur Entstehung bösartiger Tumoren beitragen kann. Noch im Januar 2011 werden die Ergebnisse einer epidemiologischen Studie aus Israel publiziert, die zeigen, dass die Häufigkeit von Krebs der Ohrspeicheldrüse, die der Mobilfunkstrahlung nachweislich mit am stärksten ausgesetzt ist, sich seit 1970 vervierfacht hat, wobei der stärkste Anstieg in die Zeit nach 2001 fällt. Bleibt abzuwarten, wie die Mobilfunkindustrie und ihre Freunde aus der Wissenschaft darauf reagieren werden.

Ich bin zwar nicht gefragt, wundere mich aber dennoch über diese kecke Aufforderung der beiden Akademiker. Denn was ist an Israel so besonders, dass nur dort die Ohrspeicheldrüsentumore Konjunktur haben sollen? Telefonieren nur Israelis mit Handys und alle andern noch mit Dampftelefonen? Wenn die These der Profs stimmt, müsste sich nahezu weltweit seit Einführung des Digitalfunks ab 1992 eine ähnliche Entwicklung abzeichnen. Mit meinen bescheidenen laienhaften Mitteln habe ich mal versucht, dafür eine Bestätigung im Tumorregister München zu bekommen, dort aber zeigten sich andere Daten, die mit denen aus Israel nicht korrelieren. Womit ich noch einmal meiner Verwunderung Ausdruck geben möchte, dass zwei gestandene Professoren sich dazu hinreißen lassen, ein im Dauerstress befindliches Land mit etwa 7,6 Mio. Einwohnern zum Maßstab für ein angebliches biologisches Risiko zu machen. Gegenwärtig nutzen 4700 Mio. Menschen weltweit Handys - da müsste auch andernorts etwas aufgefallen sein. Bevor dies nicht abgeklärt ist, würde ich an Stelle der Alarm-Profs lieber schnell wieder den Fuß vom Gaspedal nehmen, denn was bei kleinen Fallzahlen alles an statistischen Purzelbäumen möglich ist, das zeigte sich erst kürzlich einmal mehr in einer Doktorarbeit.

Und weil es so nett ist, möchte ich mal wieder auf den alten Trick mit dem Begriff "Mobilfunkstrahlung" hinweisen, der im zitierten Text abermals praktiziert wird. Kunstvoll wird dort vermieden, von "Handy" oder "Handystrahlung" zu reden, obwohl dies angebracht wäre, denn um nichts anderes geht es bei der Arbeit aus Israel. Stattdessen sprechen die Autoren von "Mobilfunkstrahlung" und nehmen damit inkauf, dass Leser die Tumore irrtümlich und völlig falsch mit Mobilfunk-Sendemasten in Verbindung bringen. Die große Vernebelung, die wir hier und andere schon seit längerem als deplatziert kritisieren, geht offenbar unverdrossen weiter.

[Nachtrag vom 18.03.2011: Um Teil II der Verlautbarung der Stiftung Pandora geht es hier]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Trittbrettfahrer, Vernebelung, Ohrspeicheldrüsentumor


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