Gigaherz: Präsidiale Fehlinterpretation der Deltour-Studie (Forschung)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 13.12.2009, 02:59 (vor 5467 Tagen) @ Gast

Hirntumore bleiben selten

Am 11.12.2009 hat die Meldung vom ausbleibenden Anstieg der Hirntumorfälle infolge Handyboom den Gigaherz-Präsidenten auf den Plan gerufen. Neben belanglosen Verdächtigungen führt Jakob lediglich folgende kursiv gesetzten Zeilen faktisch gegen die Deltour-Studie ins Feld:


Zur Sache selbst:
Offenbar haben die dänischen Krebsforscher eingesehen, dass dieses Studienkonzept hinten und vorne nicht dicht ist und jetzt zusätzlich nochmals 5 Jahre (1998 bis 2003) angehängt. Aber auch dieses Konzept ist völlig unzureichend für epidemiologische Krebsforschungen. Denn auch 1998 war weit und breit noch kein Handy-Boom in Sicht. Der dazu unabdingbare Antennenwald begann erst nach dem Jahr 2001 explosionsartig zu spriessen. Eine Zeitspanne von nur gerade 3 Jahren ist in der Krebsforschung schlicht nicht brauchbar. Jede Krebsart hat eine Latenzzeit, das ist die Zeit von der Entstehung bis zur Diagnostizierbarkeit, von mindestens 5 Jahren. Mit einer Beobachtungszeit von nur gerade 3 Jahren eine entwarnende Studie zu publizieren grenzt entweder an einen wissenschaftlichen Betrugsversuch oder an höheren technischen und medizinischen Blödsinn.


Mal davon abgesehen, dass die Herkunft der von Jakob gefundenen 3 Jahre unklar ist, stecken in der Argumentation zwei eklatante Fehler. Jakob koppelt nämlich den Beginn eines steigenden Hirntumorrisikos einfach an den Zeitpunkt des beginnenden Handybooms, den er am explosionsartig sprießenden Antennenwald festmacht. Jakobs Denkfehler: Mit der Verdichtung der Mobilfunknetze stieg zwar tatsächlich die Anzahl der Handys, gleichzeitig wurden die Funkzellen jedoch erheblich kleiner und damit auch die Belastung am Kopf. Ab dem Boom hatten viele eine (im Mittel) schwache Belastung am Kopf, vor dem Boom hatten wenige häufig eine hohe Belastung am Kopf. Die Vor-Boom-Zeit hat also für Hirntumore eine besonders hohe Relevanz.

Der zweite Fehler ist, dass Jakob übersehen hat, dass in Nordeuropa die Mobilfunkuhren anders laufen als bei ihm. Und so irrt er sich, wenn er behauptet, dass 1998 weit und breit kein Handy-Boom in Sicht gewesen sei. Für die Schweiz stimmt dies, nicht aber für die Nordlichter. So hatten 1998 nicht weniger als 55 % der Finnen bereits ein Handy, im westeuropäischem Durchschnitt waren es zum gleichen Zeitpunkt erst 24 %. Die 24-%-Marke wurde in Finnland schon im Sommer 1995 genommen, damals hatten nur rd. 7 % der Westeuropäer ein Handy. Da der Verlauf in Schweden dem finnischen ähnelt bleibt festzustellen, dass Jakob seine Kritik an einer nordischen Studie mit völlig unzutreffenden westeuropäischen Durchschnittszahlen begründet.

Wenn Jakob seine angekündigte Klage gegen den iPhone-Versuch an der Projektschule Goldau ebenfalls derart fehlerhaft begründet, dann wird er damit einmal mehr Schiffbruch erleiden - wenn ich mich nicht verzählt habe, wäre es schon der vierte in Folge innerhalb weniger Monate.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Jakob, Gigaherz, Fehlinterpretation. Latenzzeit


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