Faktenchecker: "Spiegel" vs. Scheidsteger (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 21.12.2018, 12:03 (vor 2182 Tagen) @ H. Lamarr

Die Geschichten von Barrie Trower sind so hanebüchen, selbst Laien können sie auf Anhieb als Schnapsideen identifizieren. Bei Claas Relotius ist das anders ...

Es passt wirklich zu schön!

Einem einschlägig vorbelasteten Filmemacher den "Faktencheck" in der Mobilfunkdebatte zu überlassen ist offenkundig Blödsinn. Geschichten, die von der Anti-Mobilfunk-Szene für die reale Welt fabriziert werden, unterliegen seit jeher keinerlei Qualitätskontrolle. Jeder darf schreiben, behaupten und filmen wie es ihm gefällt.

Der "Spiegel"-Redaktion den Faktencheck von Stories zuzutrauen, die von eigenen Reportern eingereicht werden, ist offenkundig kein Blödsinn. Doch bedarf dies seit diesem Mittwoch der weiteren Erörterung, denn der vermeintlich strenge Faktencheck der Redaktion war keiner.

Schonungslos arbeitet der "Spiegel" sein eigenes Versagen zeitnah öffentlich auf, etwas, was in der Anti-Mobilfunk-Szene als Hygienemaßnahme dringend erforderlich wäre, dort jedoch zugunsten betretenen Schweigens noch nie stattgefunden hat.

Im März 2017 veröffentlichte der "Spiegel" die Relotius-Reportage "In einer kleinen Stadt". Sie spielt in Fergus Falls, einer US-Kleinstadt im Bundestaat Minnesota. Zwei Einwohner lasen seinerzeit die Reportage, wunderten sich und fingen an, die Story auf Faktentreue zu prüfen. Das Urteil der beiden ist vernichtend:

"Auf 7300 Wörtern hat er (gemeint ist Reporter Relotius, Anm. d. Redaktion) nur die Einwohnerzahl unserer Stadt und die jährliche Durchschnittstemperatur richtig wiedergegeben, und ein paar grundsätzliche Dinge wie die Namen von Geschäften und Personen des öffentlichen Lebens - Dinge, die ein Kind mit einer Google-Suche hätte herausfinden können. Der Rest ist ungehemmte Fiktion (sogar so schlampig, wie die falsche Zahl zu zitieren, dass bei der Präsidentschaftswahl Trump eine Unterstützung von 70,4 Prozent in der Stadt hatte, tatsächlich waren es 62,6 Prozent), was die Frage aufwirft, wieso der SPIEGEL überhaupt in Relotius' dreiwöchige Reise in die USA investierte, ob sie ihr Geld von ihm zurück verlangen sollten, und was für ein institutioneller Zusammenbruch dazu führte, dass das SPIEGEL-Faktenchecker-Team - vorgeblich Weltklasse - hierbei totalen Mist baute."

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Schweigen, Transparenz, Faktencheck, Qualitätskontrolle


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