Bericht von der BfS-Veranstaltung in München (Allgemein)

Gast, Dienstag, 30.06.2009, 19:14 (vor 5643 Tagen) @ H. Lamarr

Teufelszeug und Heilsbringer

Was Mobilfunkgegner von der Wissenschaft erwarten

Im Gespräch der älteren Dame mit dem Wissenschaftler prallten zwei Kulturen aufeinander: Die Frau breitete ihre Leidensgeschichte aus. Wie sie in ihrem Mietshaus ihre Nachbarn zum Verzicht auf Schnurlostelefone überredet hat, damit ihre Schmerzen nachlassen. Wie sie im Urlaub nach kleinen Pensionen weit weg von Sendemasten sucht. Wie die Funklöcher immer kleiner werden. "Wo ist denn noch Platz für mich, vielleicht auf einem anderen Planeten?", fragte sie klagend. Und warum der Forscher ihr Leiden und das anderer Menschen, denen Strahlung schade, nicht untersuche?

Ihr Gesprächspartner, beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) befasst mit Wirkung und Risiken von Strahlung, stand eher hilflos da. Er bemühte sich am Rande einer Informationsveranstaltung in München sichtlich um Geduld. Er hatte die Fragen schon beantwortet, wie er wohl fand. Dutzende Studien hätten keinen Beleg für die besondere Empfindsamkeit gefunden, über die die Frau und andere sogenannte Elektrosensible klagen. Der ganze Austausch zeigte so vor allem die Schizophrenie, mit der Wissenschaft in der Debatte um Mobilfunk und Gesundheit gesehen wird. Mehr hier ...

Um den Konflikt zu entschärfen, müssten sich beide Seiten bewegen. Die Forscher sollten ihre Methoden bei Studien in der Lebenswelt der Betroffenen ausreizen. Diese wiederum müssen verstehen, dass chronische Beschwerden oft unabhängig von angeblichen Ursachen bestehen. So ist es bei vielen Rückenpatienten sinnlos, an der Wirbelsäule herumzudoktern; die Wissenschaft findet hier keinen Auslöser mehr. Stattdessen helfen ein anderer Blick auf das Leben, Entspannung und Sport. Auch die sogenannten Elektrosensiblen müssen ihre Fixierung lösen: Beharren sie darauf, den Mobilfunk abzuschalten, vergrößern sie nur ihr Leiden.


Quelle: Süddeutsche Zeitung von Christopher Schrader
veröffentlicht am 30.06.2009

Tags:
Veranstaltung, Schizophrenie, SZ, Verhalten, Schrader


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