NTP bestätigt: Keine Effekte unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte! (Allgemein)

Alexander Lerchl @, Samstag, 02.12.2017, 14:31 (vor 2556 Tagen) @ H. Lamarr

Um nichts unversucht zu lassen, von 99,9 auf 100 Prozent Gewissheit zu kommen, habe ich zusätzlich noch bei dem Toxikologen Michael Wyde angefragt, er leitet beim NTP die Mobilfunkstudie, deren Ergebnis Hardell auf den Kopf stellt. Ich fragte ihn, ob ich mit meiner Interpretation der bisherigen NTP-Studienergebnisse richtig liege oder ob es irgendeine Interpretation gibt, die Hardells Darstellung stützt. Da ich mich Wyde gegenüber als Journalist vorstellte ist meine Anfrage in den USA allerdings auf die Freigabe-Achterbahn geschickt worden, derzeit ist sie in der Pressestelle des NTP und es kann durchaus noch etwas dauern, bis Antwort eintrifft.

NTP-Studienleiter Michael Wyde hat am 1. Dezember 2017 bestätigt, unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte habe die NTP-Studie keine Effekte beobachtet.

So banal diese Aussage jetzt auch klingen mag, für Lennart Hardell und seinen 5G-Appel ist sie ein dicker Kratzer im Lack, ein herber Imageverlust. Hardell hat in seinem Appell behauptet, die NTP-Studie habe unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte im Tierversuch Krebs gefunden. Schlimmer noch: 180 Wissenschaftler und Pseudowissenschaftler haben diesen fehlerhaft begründeten Appell unterschrieben! Zweimal direkt mit seinem Irrtum konfrontiert (einmal öffentlich in seinem Blog, einmal per Mail) zog es Lennart Hardell vor, beharrlich zu schweigen.

Mindestens ebenso spannend wie die Bestätigung von Hardells Ausrutscher durch den Studienleiter ist die Geschichte wie schwierig es war, diese simple Bestätigung dessen, was eigentlich offenkundig war, überhaupt zu bekommen. Deshalb nachfolgend ein paar Details dazu. Den tieferen Sinn dieser Schilderung erkennt nur, wer bis zum Schluss des Postings durchhält. Ich meine jedoch, es lohnt sich!

Chronik einer kleinen Recherche

Am 23. September 2017 bat ich Michael Wyde via Mail um Auskunft, ob Hardells Behauptung zutreffend sei, ohne Hardell beim Namen zu nennen. Da sich daraufhin nichts tat, fasste ich am 03. Oktober nach. Am selben Tag meldete sich die Pressesprecherin ("Ginger") des NTP bei mir und kündigte an, sie werde sich schlau machen und mir Bescheid geben. Wyde hatte meine Mail an die Pressestelle weitergleitet, da ich mich ihm als Fachjournalist vorstellte. Gegenüber seiner Pressesprecherin tat er kund, er würde ihr bei Bedarf beim Formulieren einer 1 oder 2 Sätze langen Antwort zur Seite stehen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch "Dear Stephan" und alles fühlte sich vielversprechend an. Und schon am 4. Oktober fragte die Pressesprecherin bei mir nach, aus welcher Quelle ich denn die Behauptung hätte, NTP habe unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte Krebs gefunden. Unverzüglich bekam Ginger von mir den Original-Link zu Hardells 5G-Appell. Jetzt war die Katze aus dem Sack. Nur wusste ich das am 4. Oktober noch nicht.

Tick, tick, tick ...
Am 16. Oktober klopfte ich bei Ginger an, bekam jedoch nur eine Out-of-Office-Nachricht.

Tick, tick, tick ...
Neuer Anlauf am 27. Oktober. Da diesmal nicht einmal mehr der Autoresponder reagierte wurde mir langsam klar, NTP beabsichtigte nicht, mir meine simple Frage mit ein oder zwei kurzen Sätzen klipp und klar zu beantworten. Für eine Pressestelle ein ziemlich ungewöhnliches Verhalten, denn es ist der Job der Leute dort, Fragen zu beantworten, notfalls mit nichtssagenden Floskeln. Tot stellen gehört sicher nicht zum Tätigkeitsprofil von Pressesprechern.

Was tun? Ich wandte mich Anfang November an Prof. Lerchl, ob nicht er als gestandener Wissenschaftler beim NTP weiter käme als ich. Seine Antwort war für mich wie eine Erlösung, denn er schrieb, NTP habe ihn zum 1. Dezember für ein Meeting nach Washington eingeladen. Was für ein Glücksfall! Da auch Lerchl an Wydes Antwort im Fall "5G-Appell von Hardell" interessiert war, fragte er rund eine Woche vor dem Meeting via Mail bei seinem Gastgeber an, was denn nun Sache sei. Doch Wyde reagierte nicht. Erst anlässlich des Treffens, an dem knapp zwei Dutzend Personen teilnahmen, kam es zum Showdown. Lerchl wiederholte die Frage und drängte auf eine konkrete Antwort. Jetzt endlich räumte Michael Wyde vor versammelter Mannschaft ein, NTP habe unterhalb der ICNIRP- Empfehlungswerte keine Effekte gefunden.

Warum das NTP sich mit der harmlosen Frage so schwer tat

Warum hat sich NTP nur so schwer getan, diese simple Feststellung klar und deutlich zu formulieren? Inzwischen meine ich, die Antwort zu kennen: Die NTP-Stdie dauerte eine halbe Ewigkeit und verschlang angeblich 20 Mio. Dollar. Angesichts dieser Umstände muss es schwer fallen, zuzugeben, dass unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte nichts passierte. Denn diese Eingeständnis bedeutet, in USA wurden 20 Mio. Dollar verforscht, ohne dass substanziell neue Erkenntnisse dabei heraussprangen. Das NTP versuchte alles, diesen Sachverhalt nicht explizit in die Presse kommen zu lassen, womit auch das Vogel-Strauß-Manöver von Ginger plausibel erklärt ist. Bei Licht besehen ist der Vorgang freilich ein handfester Skandal, denn nur um das Gesicht zu wahren nimmt das NTP billigend inkauf, dass Pappnasen wie die Leute von Diagnose-Funk mit ebenso dramatischen wie unqualifizierten Interpretationen der NTP-Studie unbegründete Ängste in die Bevölkerung tragen.

2 kleine Korrekturen: ich war nicht von NTP eingeladen, sondern war Mitglied eines Panels von Wissenschaftlern, die sich nach dem sog. GLORE-Meeting in Washington trafen. Und die Studie hat nach meinen Informationen 25 Mio US$ verschlungen. Aber das sind Kinkerlitzchen angesichts der bislang bekannten negativen Ergebnisse, und insofern hat sich der Aufwand doch gelohnt. Diejenigen, die im heftigen Interessenkonflikt andere Resultate lieber gesehen hätten, ärgert das natürlich.

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"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann." Vince Ebert

Tags:
Interessenkonflikt, Kosten, NTP, Resultat


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