Elektrosensibilität: Diese ungeheure Angst (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Freitag, 02.09.2011, 10:33 (vor 4777 Tagen)

Nehmen wir einmal an, Elektrosensible seien Phobiker, die eine ungeheure Angst haben, nicht vor großen Plätzen, Menschenmassen oder Spinnen, sondern vor Funkwellen. Dann bewegen sie sich in bester Gesellschaft. Im "Spiegel"-Interview spricht der Psychiater Frank Schneider über die stationäre Behandlung depressiver oder zwangserkrankter Spitzensportler, von denen etliche nur unter falschem Namen zur Therapie bereit sind. Hier ein Auszug ...

Schneider: ... Die meisten Sportler, die zu uns kommen, sind nicht depressiv, sondern haben häufig ungeheure Angst, eine Angstkrankheit. Es gibt einen Bundesligaprofi, der heute noch zu mir zur Psychotherapie kommt. Sein Problem: Wenn er ins Stadion einlaufen soll, bekommt er Herzrasen, sein Blutdruck geht hoch, obwohl alle jubeln, wenn der Stadionsprecher seinen Namen nennt.

SPIEGEL: Was ist Ihr Befund?

Schneider: Er hatte bereits als Jugendlicher eine klare Agoraphobie, er konnte keine Plätze, auch keine Menschen aushalten. Aber er wollte unbedingt Fußball spielen. Sein Gedankengang vorm Anpfiff war: Wenn die Leute mich gleich ausbuhen, dann kann ich meine Leistung nicht bringen, dann ist etwas falsch an mir. Der Spieler hat sich einem Physiotherapeuten geöffnet, dann kam er über den Trainer zum Präsidenten, zu mir.

SPIEGEL: Ist das der übliche Weg?

Schneider: Manche Patienten kommen auch von allein. Oft läuft es kurios ab, viele haben Angst, erkannt zu werden.

SPIEGEL: Wie kommen diese Sportler auf Sie zu?

Schneider: Athleten, aber auch andere Prominente treffen häufig erst in den Abendstunden in unserer Klinik ein, wenn es draußen dunkel ist. Oft sprechen die auch nicht von "Behandlung", sie nennen es eher "Coaching", das klingt schöner. Und Sportler legen dann des Öfteren einen Hundert-Euro-Schein auf den Tisch, sie wollen selbst bezahlen, damit die Familie nichts erfährt. So geht das natürlich nicht.

SPIEGEL: Wie beginnt eine Therapie?

Schneider: Ich frage den Patienten zunächst, was er von mir erwartet. Wo ist er aufgewachsen? Wie? Welche Vorerkrankungen hat er? Wie fühlt er sich gerade? Wie steht es um seine Sexualität? Der Athlet macht sich ab und zu Sorgen, er sagt: "Sie schreiben das ja alles auf." Ich: "Ja." Er: "Wenn ich zu Ihnen stationär komme, weiß der Oberarzt das dann auch?" Ich: "Ja." Er: "Und die Krankenschwester?" Ich: "Die auch. Das ist ganz wichtig, weil wir alle wollen, dass Sie bald wieder gesund sind."

SPIEGEL: Die Sportler sind nicht anonym bei Ihnen?

Schneider: Oft kommt die Frage: "Kann ich unter einem anderen Namen einchecken?" Das ist für uns kein Problem, dann läuft die Therapie unter Pseudonym. Wenn sie dann aber doch erkannt werden, macht ihnen das in der Regel auch nichts aus. Wir haben ja auch Spitzenpolitiker, Talkmaster und Topmanager hier.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Elektrosensibilität, Phobie, Wahrnehmungsverzerrung


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