Schweiz: Mobilfunkgegner geben Wahlempfehlung (Allgemein)
Am 18. Oktober wählen die Eidgenossen ihren National- und Ständerat (vergleichbar dem deutschen Bundestag und Bundesrat).
Die 68 organisierten schweizerischen Mobilfunkgegner haben aus diesem triftigen Grund eine Wahlempfehlung (PDF) zusammengestellt, mit der drei oder vier Unentschlossene der 68 auf Linie gebracht werden sollen. Etwas anderes kann ich mir kaum vorstellen, denn wer, außer mir, interessiert sich schon für die selbstüberschätzende Wahlempfehlung einer Handvoll Elektrosmog-Phobiker?
Ohne Mandat ausgedacht hat sich die Wahlempfehlung der sogenannte "Dachverband Elektrosmog Schweiz und Liechtenstein", Gigaherz hat sie lediglich abgeschrieben, Diagnose-Funk geht auf Distanz und ignoriert das Papierchen.
Wie zu erwarten, sind die Kriterien der Empfehlung ausgesprochen schlicht ausgefallen, als ob die Zielgruppe ausnahmslos Leser der größten deutschen Tageszeitung wären:
- Wer irgendwann einmal irgendetwas gegen Funkwellen zum Vortrage gebracht hat gehört zu den Guten und wird empfohlen. Dies sind einige Vertreter der Parteien GLP, GPS, SP und SVP.
- Wer dagegen nichts gegen Funk gemurmelt hat oder aus Sicht der Gegner irgendwann einmal gar etwas zugunsten von Funk vorgetragen hat gehört zu den Bösen und von dem wird abgeraten. Dies sind die gesamte Partei CVP und einige Vertreter von FDP und BDP.
Ich finde es immer wieder bezaubernd, wie Mobilfunkgegner schlichten Gemüts ihre verkorksten Botschaften mit Überzeugungskraft auf schwarz-weiß reduzieren können. Das hat schon was ...
Genau hinsehen darf man bei den Empfohlenen freilich nicht. Ahnungslos tappte ich in die Falle und googlete zuerst einmal erwartungsfroh nach "Mobilfunk - bloss ein Risiko für Kühe?" Mit dieser eminenten Frage entzückten zwei Nationalräte der SVP die Initiatoren der Wahlempfehlung. Doch Google spuckte nur einen einzigen wertlosen Treffer aus. Was soll man nur davon halten?
Mein zweiter Versuch galt zufällig dem Vorstoß von Carlo Sommaruga in Sachen DECT. Diesmal gab es einen qualifizierten Treffer in der Geschäftsdatenbank des Schweizerischen Parlaments. Die 2009 gestellte Anfrage des Herrn Sommaruga zeugt jedoch, mit Verlaub, von einer tiefen Ahnungslosigkeit des Nationalrates und von erheblichen Kenntnisdefiziten über Funksysteme wie DECT und W-LAN. Müsste ich Herrn Sommaruga allein wegen seiner DECT-Anfrage bewerten, er wäre der letzte, der von mir eine Wahlempfehlung bekäme, denn das Geschwätz von Anti-Mobilfunk-Vereinen unreflektiert zu übernehmen und ins Parlament zu tragen, das halte ich für unqualifiziert und dem Nationalrat gegenüber für respektlos. Zur treffenden Bewertung eines Politikers gehört üblicherweise jedoch mehr als nur der Tunnelblick auf einen seiner Ausrutscher.
Nach diesen beiden Pleiten mit der "Wahlempfehlung" der 68 organisierten schweizerischen Mobilfunkgegner ist mir die Lust auf weitere Forschung vergangen. Das letzte Wahlbarometer vor der Wahl wollte ich mir jedoch nicht nehmen lassen – ausgerechnet der FDP prophezeit es den größten Zuwachs, für die Grünen dagegen die saftigsten Verluste. Eine Wiederwahl von Nationalrat Ruedi Noser (FDP), es wäre gar schrecklich für die Gegner. Eine Abwahl von Yvonne Gilli (GPS) könnte ihnen den Rest geben. Denn eines haben die Gegner bei Ihrer Wahlempfehlung übersehen: Wer von den Schweizern noch alle Latten am Zaun hat, der wählt gezielt nicht die, die Mobilfunkgegner empfehlen, sondern die Kandidaten, die sie nicht empfehlen.
Wie die Sache insgesamt und für Gilli und Noser ausgegangen ist, erfahren wir am Abend des 18. Oktober auf dieser Website.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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H. Lamarr,
10.10.2015, 00:40
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