Frage zum Tail-Faktor-Berechnungsbeispiel (Forschung)

Sektor3, Freitag, 09.10.2009, 17:55 (vor 5531 Tagen) @ dlsasv

Man muss unterscheiden zwischen Exaktheit im Sinne davon, dass sich der richtige Mittelwert ergibt, und Exaktheit im Sinne von geringer Streuung um den Mittelwert. Bei subjektiven Schätzungen kann man die erste Form von Exaktheit nicht erwarten, aber mit der zweiten Form hat das nicht unbedingt zu tun.

Einfaches Beispiel: Jemand würfelt und notiert die Zahl der Sechsen. Jede fünfte Fünf liest er irrtümlich als Sechs. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine Sechs notiert, 20%. Sicher nicht exakt im ersten Sinne, aber die Streuung der Zahl der notierten Sechsen wird die gleiche sein, wie wenn schon die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Würfel eine Sechs liefert, 20% wäre. Größere Streuungen kann man erst dann erwarten, wenn sich die Verwechslungsgefahr der Fünf mit der Sechs über die Zeit hinweg ändert.

1) Die Punkte eines Würfels und unser Sehvermögen könnten ein solches Szenario hergeben, beim Comet-Assay ist das [was?] sicher nicht der Fall. Bei jeder einzelnen Zelle ist die Abschätzung per Auge schwierig und fehleranfällig und damit notwendigerweise ungenau.

?

Ihr "Einfaches Beispiel" passt nicht auf den Comet Assay, auch wenn man durch die 5 Kategorien geneigt sein könnte, den Comet Assay mit einem 5-seitigen Würfel zu vergleichen.
Mit der Befeldung ändert sich (angeblich) die Anzahl der Zellen in den Kategorien. Für Ihr Würfelbeispiel hiesse dies, dass sich die statistische Häufigkeit der Fünfen ändert (was beim Würfel nicht der Fall ist). Damit ändern sich auch die Auswirkungen des Ablesefehlers.
Daneben würde ich vermuten, dass die Wertigkeit der einzelnen Kategorien nicht linear ist => gleiche Ablesefehler in den einzelnen Kategorien hätten dann auch unterschiedliche Auswirkungen

2) Durch die Einteilung in 5 Kategorien und die damit zusammenhängende Granularität kommt eine weitere Ungenauigkeit hinzu.

Sie meinen wohl Ungenauigkeit im Sinne von "falschem Mittelwert" (s.u.), ich wollte mit dem Beispiel oben sagen, dass die Streuung durch Fehleinschätzungen nicht größer werden muss, als man schon aus prinzipiellen Überlegungen heraus erwarten darf. Man braucht da keine unsicheren, qualitativen Argumente zu bemühen, denn die Streuung ist sowieso schon um Faktor 4-5 zu klein.

Da um die Streuung anscheinend schon ein Spiel mit Gutachten und Gegengutachten im Gange ist, sind die Randbedingungen sehr wohl entscheidend.
Die Einteilung in fünf willkürliche Kategorien bringt eine weitere Ungenauigkeit in den Versuchsaufbau. Und ich behaupte mal: Die zusätzliche Ungenauigkeit durch die Einteilung in Kategorien ist sicher und quantifizierbar.

3) Im Teil Mikrokern vs. Comet-Assay wird eine extrem gute Übereinstimmung angegeben. Diese ist bei einer Verschiebung durch Falschablesung im Comet-Assay nicht möglich.

M.E. ist diese Übereinstimmung entweder Zufall oder "schlecht gemacht". Denn dafür, dass die Werte numerisch übereinstimmen sollten, gibt es keinen Grund (der Tail-Faktor ist ja eine ziemlich willkürliche Größe). Auch können Mikrokerne ohne DNA-Brüche entstehen ("Azentrische Fragmente (als Folge von DNA-Brüchen) und ganze Chromosomen, die aufgrund einer Störung im Spindelapparat nicht in einen der beiden Tochterkerne gezogen wurden, erscheinen im Zytoplasma als Mikrokerne."). Wenn es Zufall war (wogegen die anderen Auffälligkeiten sprechen), dann könnte der genauso gut auch darin bestehen, dass die echten Comet-Assay-Werte weniger gut mit den Mikrokern-Werten überein stimmten, sondern erst die Fehleinschätzung das bewirkte.

In der Erstbeschreibung des Comet Assay nach Rüdiger und Diem steht:
"Ziel dieser Arbeit waren...der Vergleich des Comet Assay mit dem Mikrokerntest...Es zeigte sich eine sehr gute Korrelation zwischen Mikrokerntest und Comet Assay (R² = 0,9765, P < 0,001)."

Im Forum wurden bereits eine Reihe von Argumenten genannt, die darauf hindeuten, dass die Ergebnisse, wie Sie sagen, "schlecht gemacht" sind. "Falschablesung" ist ein weiteres Argument hierfür, da die "Falschablesung" sich je nach Comet-Tail-Factor (CTF) ändern müsste, denn der Mikrokerntest geht auch theoretisch durch den Nullpunkt, während der Comet Assay bei 2,5% beginnt. Diese Nichtlinearität müsste durch unterschiedliche "Falschablesungen" ausgeglichen werden.


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