Kann man "grundsätzlich nichts gegen die Mobilfunktechnologie" haben, aber bei den Masten erst sicher gehen will, dass sie ungfährlich sind?
Sie werden's nicht glauben, Doris, aber ich beantworte Ihre fiktive Frage mit Ja.
Begründung: Meiner Erfahrung nach unterschätzen Menschen völlig das Risikopotenzial von Handys und überschätzen das von Basisstationen (BTS) umso mehr (siehe auch hier). Das niedliche, putzig kleine Handy wird nicht als Gefahr wahrgenommen, der häßliche wuchtige Sendemast mit den Antennen dagegen schon.
Kurz bevor er das Handtuch geschmissen hat, sagte mir einmal Jörg Wichmann, (Gründer von Elektrosmognews) vor Jahren: Das Problem sind die Handys - nicht die Masten. Damals dachte ich noch, dass er sich wohl einen zuviel hinter die Binde gegossen hat oder dass die Mobilfunker ihn übern Tisch gezogen haben, aber inzwischen sehe ich das genauso. Die Masten sind mMn nur in den Fällen problematisch, wo Menschen auf relativ kurze Distanz, sagen wir mal innerhalb von 100 Metern, im Hauptstrahl oder einer starken Nebenkeule leben müssen. Das trifft auf die Mehrzahl der Leute definitiv nicht zu. Dass dennoch selbst gegen Masten am Horizont protestiert wird liegt wohl an der diffusen Informationslage, bei der allein sicher ist, dass nichts sicher ist.
Um sich eine eigene Meinung bilden zu können, müssten die Leute enorm viel Zeit investieren. Da ist es bequemer und effektiver, vorfabrizierte Meinungen zu übernehmen. Und hier kommen jetzt wir als "alte" Kritiker ins Spiel. Wenn wir völlig undifferenziert den Mobilfunkteufel BTS an die Wand malen, dann laufen uns zwar die Ahnungslosen gerne nach, einen Gefallen tun wir ihnen aber nicht. Und zwar deshalb nicht, weil wir das Problem der Leute mit ihren Masten in aller Regel nicht lösen können. Die überwiegende Mehrzahl aller Kritiker stellt nach einiger Zeit im Wirkungsbereich einer BTS fest, dass ihnen absolut nichts passiert - und päng - weg sind sie. Das spricht übrigens auch gegen die Vermutung, dass etliche zwar krank werden, dies aber nicht auf die BTS zurückführen. Denn wer als Besorgter neu mit einem Masten leben muss, der achtet bestimmt genau auf gesundheitliche Störungen. Die aber stellen sich offenkundig nach ein paar Monaten oder Jahren (noch) nicht ein. Wäre es anders, hätte z. B. die Petition gegen W-LAN in Flugzeugen etliche tausend Stimmen mehr gehabt und wäre nicht mit knapp 700 Stimmen abgestraft worden. So bleibt derzeit nur die winzig kleine Gruppe der Elektrosensiblen, die möglicherweise tatsächlich unter den Feldern von BTS, DECT und W-LAN leiden, während der Rest der Bevölkerung davon nichts mitkriegt und sich mMn mit den Handys viel mehr antut, als mit einer BTS irgendwo in Sichtweite.
Kurz gesagt: Dem Handy ordnen die Leute viel Nutzen zu, einer BTS dagegen lediglich Bedrohung. Gegen Masten zu sein ist daher einfach, gegen Handys zu sein ist sehr schwer. Den Zusammenhang zwischen Handy und BTS haben bestimmt noch nicht alle kapiert, noch viel weniger den Zusammenhang mit Leistungsflussdichte und Abstand zum Sender. Die Angst vor einer BTS hat viel mit ihrer Bauform und Größe zu tun und beruht daher bei den meisten auf irrealen Annahmen. Die Informationen von Seiten der Kritiker sind leider nur allzuoft dazu angetan, diese Angst zu schüren, anstatt undramatisch aber kritisch über den Stand der Erkenntnisse zu berichten. Vor allem müssten wir viel stärker auf das unterschätzte Risiko Handy eingehen, wer das kapiert hat und nicht mobil telefoniert, braucht auch keine Masten, das würde sich dann von ganz alleine regeln.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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