Icnirp 2020: incident power density & absorbed power density (Technik)

H. Lamarr @, München, Samstag, 27.02.2021, 21:05 (vor 1126 Tagen)

Mit den neuen Icnirp-Empfehlungen (2020) kommen neue Begrifflichkeiten daher, die passionierte und pensionierte Mobilfunkgegner vor Rätsel stellen. Genügte es bislang nur die Leistungsflussdichte zu kennen, um über EMF-Referenzwerte mitreden zu können, schikaniert Icnirp seine Kritiker jetzt mit Wortungeheuern wie incident power density und absorbed power density. Wir versuchen, diese Ungeheuer zu bändigen, um Mobilfunkgegner vor den gröbsten Ausrutschern zu bewahren.

Die auf unsere Haut von einem Funkmasten einfallende Leistungsflussdichte (incident power density) ist nichts anderes als die Leistungsflussdichte aus früheren Tagen. Sie musste notgedrungen genauer benannt werden, weil sie mit der absorbierten Leistungsflussdichte eine junge Kollegin mit gleichen Nachnamen bekam. Früher war die Differenzierung in einfallende und absorbierte Leistungsflussdichte nicht erforderlich, weil beide so gut wie identisch waren. Mit 5G aber wächst Mobilfunk künftig in Frequenzbereiche größer 6 GHz hinein, in denen diese Vereinfachung nicht länger zulässig ist. Schuld daran trägt die reflektierte Leistungsflussdichte, die mit steigender Frequenz eine zunehmend wichtigere Rolle spielt.

Der Reflexionsfaktor von Haut für elektromagnetische Wellen ergibt sich aus den dielektrischen Eigenschaften des Gewebes, der Form der Körperoberfläche, dem Einfallswinkel und der Polarisation. Der ungünstigste Einfallswinkel ist gegeben, wenn Funkwellen frontal (senkrecht zur Körperoberfläche) auftreffen. Dann ist der Leistungseintrag in den Körper am höchsten. Bei Frequenzen unter 6 GHz spielt der Einfallswinkel hingen keine nennenswerte Rolle (vergl. Akustik: Basslautsprecher und Hochtöner).

Wir haben es also mit drei Schwestern zu tun:

► Die von einem Funkmasten bei uns einfallende Leistungsflussdichte Sinc
► Die von der Körperoberfläche reflektierte Leistungsflussdichte Sref
► Die vom Körper absorbierte Leistungsflussdichte Sab

Den Zusammenhang zwischen den drei Größen visualisiert die Grafik.

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Schadwirkung kann nur die absorbierte Leistungsflussdichte Sab entfalten und es ist ersichtlich, dass Sab die Differenz von Sinc – Sref ist. Heißt: Je mehr einfallende Leistung von der Haut reflektiert wird, desto weniger Leistung dringt in den Körper ein. Dies steht im Einklang mit der Literatur, die EMF mit zunehmender Frequenz eine abnehmende Eindringtiefe bescheinigt.

Solange wir die 6-GHz-Schwelle nicht allzu weit überschreiten reflektiert unsere Haut Funkwellen so schwach, dass näherungsweise gilt: Sinc = Sab. Wie können die relevante absorbierte Leistungsflussdichte also (wie gewohnt) indirekt messen. Messen wir (theoretisch) auf dieselbe Weise jedoch bei z.B. 50 GHz, ist das Ergebnis falsch, weil dann Sref ins Spiel kommt und die Annahme Sinc = Sab nicht mehr gilt. Was genau wir dann messen kann ich nicht sagen, aller Voraussicht nach wird es das zappelige Interferenzprodukt aus Sinc und Sref sein, das mit der relevanten Sab kaum noch etwas zu tun hat. Messungen durch Hobby-Messtechniker werden die Immission wahrscheinlich hoffnungslos überschätzen und wertlos sein. Glücklicherweise werden bis dahin noch viele Jahre vergehen, so dass wir uns jetzt darum nicht kümmern müssen und bis auf weiteres mit unseren Hobby-Messgeräten herumfuchteln dürfen :-).

Icnirp beschreibt das alles in seinen Empfehlungen viel detaillierter und transformiert, wenn ich die Ausführungen richtig verstanden habe, die maßgebende absorbierte Leistungsflussdichte in die einfallende Leistungsflussdichte, weil nur diese für die Kontrolle der Referenzwerte mit einfachen Mitteln messbar ist (siehe in den Empfehlungen Tabelle 5 mit den Referenzwerten).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Icnirp 2020: incident power density & absorbed power density

H. Lamarr @, München, Sonntag, 28.02.2021, 23:42 (vor 1124 Tagen) @ H. Lamarr

Icnirp beschreibt das alles in seinen Empfehlungen viel detaillierter und transformiert, wenn ich die Ausführungen richtig verstanden habe, die maßgebende absorbierte Leistungsflussdichte in die einfallende Leistungsflussdichte, weil nur diese für die Kontrolle der Referenzwerte mit einfachen Mitteln messbar ist (siehe in den Empfehlungen Tabelle 5 mit den Referenzwerte).

Die zitierte Textpassage kann man auch besser formulieren: Für die nur schwierig zu kontrollierenden Icnirp-Basisgrenzwerte gilt die absorbierte Leistungsflussdichte. Für die einfach zu kontrollierenden Icnirp-Referenzwerte gilt hingegen die einfallende Leistungsflussdichte. Dies kann in Einzelfällen zu Irritationen führen. Nämlich dann, wenn die Referenzwerte dramatisch überschritten werden und ein davon Betroffener in große Aufregung verfällt, eine aufwendige Prüfung des Sachverhalts jedoch ergibt, dass die maßgebenden Basisgrenzwerte eingehalten werden. Es wird ja häufig übersehen, die von uns als Grenzwerte gesehenen Feldstärken oder Leistungsflussdichten sind nicht die sperrigen Icnirp-Basisgrenzwerte, sondern nur die von diesen abgeleiteten handhabbaren Referenzwerte. Üblicherweise führt diese Ableitung zu vernachlässigbaren Fehlbewertungen, in Sonderfällen kann die Ableitung jedoch versagen und die Referenzwerte sind nicht mehr ein Spiegelbild der Basisgrenzwerte, sondern ein Zerrbild.

Ein konkretes Beispiel für so eine kuriose Situation mit einer harmlosen Referenzwertüberschreitung um Faktor 500 bis 1000, die sich allerdings in der Welt niederfrequenter Magnetfelder abspielt, ist hier beschrieben.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, Referenzwert, Basisgrenzwert

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