Schweiz: Wie 2000 Antennen plötzlich 5G-tauglich wurden (Technik)

H. Lamarr @, München, Montag, 10.02.2020, 00:22 (vor 1509 Tagen)

Gigaherz-Jakob startete am 18. Januar 2020 seine verworrene Story "5G: Der Bluff mit den 2000 Antennenstandorten" folgendermaßen:

Quasi über Nacht hat das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) zwischen dem 18. und 24. Dezember 2019, husch husch, 2000 zusätzliche 5G Antennenstandorte in die Übersichtskarte der Sendeanlage der Schweiz hineingezaubert. Offensichtlich um die 5G Gegnerschaft zu zermürben und noch offensichtlicher um die Bevölkerung dazu zu bewegen, endlich schöne neue 5G-Handys zu kaufen. weiter ...

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) recherchierte besser und findet in einem Artikel vom 7. Februar 2020 für die wundersame Vermehrung der 5G-Standorte, mit denen Swisscom eigenen Angaben zufolge Ende 2019 bereits 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung versorgte, den wahren casus knacksus. Der in folgendem Textausschnitt genannte Begriff "5G-wide" umschreibt bisherige 4G-Standorte, die allein mit einem Software-Update auf 5G-NSA (None Standalone) umgerüstet wurden. 5G-NSA ist vorerst so etwas wie 5G für Arme, es ist der technisch erste Ausbauschritt hin zu einem vollwertigen 5G-SA (Standalone). Erst mit 5G-SA wird wahrscheinlich frühestens ab 2021 in der Schweiz die "Aufweichung des Strahlenschutzes" zur Gretchenfrage der eidgenössischen Mobilfunknetzbetreiber werden:

[...] Ob es sich um eine Mogelpackung handelt, ist Ansichtssache. Sicher ist hingegen, dass «5G-wide» in der hitzigen 5G-Diskussion zum Handicap werden dürfte. Im vergangenen Herbst kam eine Arbeitsgruppe des Bundes zu dem Schluss, dass sich der Aufbau der 5G-Infrastruktur ohne eine Erhöhung der Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung massiv verzögern würde. 20 bis 30 Jahre wird es laut den Experten dauern, bis ein «qualitativ gutes» Netz verfügbar wäre. Von Swisscom ist nun akrobatisches Geschick gefragt: Die Firma muss zum einen der Öffentlichkeit erklären, warum sie trotz 90 Prozent Abdeckung eine Aufweichung des Strahlenschutzes braucht, zum anderen, warum sie mit «5G-wide» kein Verwirrspiel betreibt. zum vollständigen Artikel ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Schweiz: Wie 2000 Antennen plötzlich 5G-tauglich wurden

Gustav, Donnerstag, 13.02.2020, 10:05 (vor 1506 Tagen) @ H. Lamarr

Vor zwei Tagen hat die NZZ einen weiteren sehr guten Artikel veröffentlicht: Der Bund verzögert die umfassende Nutzung von 5G in der Schweiz

An diesen Aussagen haben bestimmte Leute vermutlich überhaupt keine Freude:

Dass es mit dem Ausbau von 5G in der Schweiz nicht richtig vorwärtsgeht, liegt nicht an den gut organisierten Gegnern der neuen Technologie oder ihren Einsprachen gegen neue Antennen.

Einige Westschweizer Kantone haben ein Moratorium gegen 5G-Antennen beschlossen, was der Bund als «kompetenzwidrig» beurteilt. Dagegen könnte der Rechtsweg beschritten werden. Doch Baugesuche für neue Antennen werden gar nicht offiziell abgelehnt, wie Sunrise auf Anfrage schreibt: «Bisher liegt uns kein beschwerdefähiger kantonaler Erlass vor.»

:yes:

Schweiz: Wie 2000 Antennen plötzlich 5G-tauglich wurden

H. Lamarr @, München, Freitag, 14.02.2020, 01:19 (vor 1505 Tagen) @ Gustav

Vor zwei Tagen hat die NZZ einen weiteren sehr guten Artikel veröffentlicht: Der Bund verzögert die umfassende Nutzung von 5G in der Schweiz

Der Artikel ist tatsächlich lesenswert. Dieser Kommentar, "Sommaruga im Funkloch – der Bund versagt beim neuen, schnellen Mobilfunk", ebenfalls in der NZZ erschienen, ebenso. Die Medien scheinen mit der Verzögerungstaktik von Bundespräsidentin Sommaruga jetzt härter ins Gericht zu gehen, auch der Tagesanzeiger haut in diese Kerbe. Würde mich nicht wundern, wenn Schweizer Mobilfunknetzbetreiber nicht schon auf die Idee gekommen sind, den Bundesrat zu verklagen und einen Teil der 5G-Lizenzgebühren zurück haben möchten, vorausgesetzt, sie haben die 380 Mio. CHF überhaupt schon berappen müssen. Beispiel: In Deutschland fordern die gekündigten Betreiber der gescheiterten PKW-Maut von der Bundesregierung 560 Mio. Entschädigung für entgangenen Gewinn.

Unser gemeinsamer Freund aus Schwarzenburg hat übrigens auf den NZZ-Artikel (Startposting) reagiert und seinem wirren Beitrag über die Swisscom-Weihnachtsaktion mit den 2000 Antennen einen weiteren, nicht weniger wirren Beitrag nachgeschoben, in dem er, wie üblich ohne Quellenangaben, jetzt plötzlich auch von 5G-wide spricht. Jakob ist und bleibt eben einer unserer treuesten Leser :-). Wenn der Ex-Elektriker doch nur das, was er aufschnappt, wenigstens halbwegs richtig verstehen würde ...

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Gigaherz-Jakob blödelt weiter: 5G langsamer als 3G

H. Lamarr @, München, Sonntag, 16.02.2020, 21:39 (vor 1502 Tagen) @ H. Lamarr

Unser gemeinsamer Freund aus Schwarzenburg hat übrigens auf den NZZ-Artikel (Startposting) reagiert und seinem wirren Beitrag über die Swisscom-Weihnachtsaktion mit den 2000 Antennen einen weiteren, nicht weniger wirren Beitrag nachgeschoben, in dem er, wie üblich ohne Quellenangaben, jetzt plötzlich auch von 5G-wide spricht. Jakob ist und bleibt eben einer unserer treuesten Leser :-). Wenn der Ex-Elektriker doch nur das, was er aufschnappt, wenigstens halbwegs richtig verstehen würde ...

Gigaherz-Präsident Jakob behauptet:

[...] Die Bluffer-Box kann die Signale von den Endgeräten (Handys) nur empfangen. Antworten tun dann die 3 und 4G Antennen im 800, 1800 oder 2100MHz-Band. Je nachdem, wo es gerade Platz hat. Diese antwortenden 3 und 4G-Antennen verfügen nur über sehr beschränkte Bandbreiten und haben kein Beamforming. Das heisst sie verfügen nur über eine einzige fixe Strahlenkeule statt deren 64 bewegliche, wie bei den echten 5G-Antennen. Im Fachjargon: Sie sind nicht adaptiv.

Und dadurch, dass die Signale zuerst von einem breiten Frequenzband, vom Uplink 3400-3600MHz in ein anderes, schmales Frequenzband den Downlink im 800 oder 1800-2100MHz-Band umgeformt und übergeben werden müssen, sehr langsam. Das ganze funktioniert noch langsamer als 4G. Und mancherorts, etwa wenn zahlreiche 5G-Geräte online sind, noch langsamer als 3G. Aber die Hauptsache ist, dass auf dem Display der teuren schönen, neuen 5G-Handys immer 5G steht. [...]

Was der greise Ex-Elektriker bei seinem Märchen übersehen hat: Kein gegenwärtig am europäischen Markt verfügbares 5G-Smartphone kann das 5G-Frequenzband 3,6 GHz nutzen! Wer's nicht glaubt, schaue sich die Datenblätter von 5G-Smartphones an, zum Beispiel:

LG V50 ThinQ
Xiaomi Mi Mix 3 5G
Samsung Galaxy S10 5G Daten

Womit seinem albernen Techno-Märchen die Grundlage entzogen ist, da die von Jakob behauptete Uplink-Frequenzumsetzung von 3,6 GHz auf tiefere Trägerfrequenzen sich nicht praktizieren lässt, solange Smartphones auf 3,6 GHz nicht senden können. Heute verkaufte 5G-Handys sind im Grunde genommen 4G-Handys, die lediglich das 5G-Übertragungsprotokoll beherrschen.

Hinzu kommt, dass jeder halbwegs verständige Mensch ins Zweifeln kommen muss, wenn Jakob behauptet, 5G wäre langsamer als 4G und zuweilen sogar langsamer als 3G. So doof sind auch Laien nicht, um nicht zu wissen, dass jedes 5G-Handy sämtliche älteren Funktechniken von 2G bis 4G als Rückfallsysteme beherrscht. Wenn ein 5G-Smartphone nur Schneckentempo bietet, dann nicht wegen Jakobs dummen Behauptungen, sondern weil das Gerät von 5G auf 2G zurück fällt, wenn an Ort und Stelle kein besseres Netz zur Verfügung steht.

Jakobs grundsätzliches Problem ist seine Selbstüberschätzung, die ihn dazu verleitet, sich Sachverhalte zusammen zu reimen, die ihm, und nur ihm, plausibel erscheinen, die mit der Wirklichkeit jedoch nichts zu tun haben. Von Fachleuten wird er deshalb nur milde belächelt und aus Respekt vor seinem hohen Alter nicht zur Rechenschaft gezogen. Reinfallen tun auf ihn Laien, die noch weniger Ahnung von der Funktechnik haben als er, zum Beispiel die Schweizer Ständerätin Häberli Koller.

Der Schaden, den Jakob mit seinem Stuss seit 20 Jahren anrichtet ist so hoch, dass ich die Milde im Umgang mit dem Desinformantionsgenerator nicht nachvollziehen kann: Viele Schweizer ängstigt er mit seinen irren Schauermärchen und Angst kann bekanntlich wirklich krank machen. Die Kapazitäten der Schweizer Justiz werden als Folge mit Einsprachen gegen Antennen zugestopft, die Politik traut sich keine unpopulären aber sachlich gerechtfertigte Entscheidungen wie eine Lockerung der Anlagegrenzwerte mehr zu und den Mobilfunknetzbetreibern kostet er mutmaßlich etliche Millionen, weil es beinahe bei jedem neuen Standort für Sendemasten Gezicke gibt. Dem Selbstdarsteller aus Schwarzenburg ist das alles egal, er genießt seine Schadwirkung ebenso wie es das Coronavirus mutmaßlich tut.

Aus meiner Sicht ließe sich Jakob ganz einfach die Wirkung nehmen: Es bedürfte nur einer Website, die jedesmal wenn er den Mund aufmacht innerhalb von Stunden eine kompetente unaufgeregte Entgegnung bringt. Das kostet etwa 150'000 CHF pro Jahr und ist damit um Größenordnungen billiger als der Schaden, den der Mann anrichtet. Offensichtlich ist die Not in der Schweiz aber noch nicht groß genug, um dem Fake-News-Terror von Jakob endlich eine Ende zu machen.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Swisscom: 5G-fast & 5G-wide

H. Lamarr @, München, Dienstag, 18.02.2020, 01:32 (vor 1501 Tagen) @ H. Lamarr

Der in folgendem Textausschnitt genannte Begriff "5G-wide" umschreibt bisherige 4G-Standorte, die allein mit einem Software-Update auf 5G-NSA (None Standalone) umgerüstet wurden. 5G-NSA ist vorerst so etwas wie 5G für Arme, es ist der technisch erste Ausbauschritt hin zu einem vollwertigen 5G-SA (Standalone). Erst mit 5G-SA wird wahrscheinlich frühestens ab 2021 in der Schweiz die "Aufweichung des Strahlenschutzes" zur Gretchenfrage der eidgenössischen Mobilfunknetzbetreiber werden ...

Die Website mobilegeeks erklärte am 10. April 2019, dass Swisscom zwischen 5G-fast und 5G-wide unterscheidet und was den Unterschied ausmacht. Auszug:

[...] Die Swisscom unterteilt nämlich zwischen 5G Fast und 5G Wide. Die erste Kategorie umfasst das tatsächliche 5G mit Geschwindigkeiten von bis zu 2 GBit/s. Die Swisscom führte am Mittwoch bereits vor, dass man aktuell eine Geschwindigkeit von 1,86 GBit/s erreicht.

Gegenüber golem.de erklärte die Swisscom, dass sehr strenge gesetzlichen Grenzwerte dazu führen, dass 5G Fast vorerst nur an einigen Standorten angeboten werden kann. Wenn das Unternehmen aus der Schweiz jedoch davon spricht, dass 5G bis Ende 2019 landesweit für 90 Prozent der Bevölkerung angeboten wird, ist lediglich von 5G Wide die Rede.

5G Wide setzt u.a. auf bereits verfügbare Frequenzen und bietet Geschwindigkeiten bis zu 1 GBit/s, was LTE in der maximalen Ausbaustufe “LTE Advanced Plus” entspricht. Von den theoretisch mit 5G möglichen Geschwindigkeiten profitiert die Masse der Schweizer also erst mal noch nicht, kann sich aber zumindest über schnelles Internet landesweit freuen.

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